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Full text of "Augendiagnose und kurpfuschertum, mit besonderer berücksichtigung des kurpfuscherprozesses gegen den "lehmpastor" Felke"

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b DR. & SBLIGMANN ' 




MIT BESONDERER BEROCKSICirrKJÜNO DES 
KURPFUSCHERPROZESSES OBOEN DEN 
,LEHMPASTOR« FELKE 

wx unBoanr omb schwarzen tapeln dud abbildokcuw 



BERUN W. 30 

HERMANN BARSDORF VERLAtt 

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3 



g Im Verlage von Hermann Baradorf in Berlin W. 30 erschien: 

I pePirJlexenhammjer 

•° , . ..'Atalküfe-^rälefi Carum — 

N y«Viira$H"\6Yi' äön 'Leihen Inquisitoren ' 

JfkCoh:ßppßtuiä\ \hd Heinrich InstitorU 

^ Zum eisten *MBlä ifas ueutsche fibertragen und dngdeliet .von 
S * X W. J^. Schmidt 

ff 

3 Bän ie. Gr. 80. 7Ö6 Seiten. Bro&ch, M. 20. —, in 3 Originalbänden M. 24-^. 

^ Jeder Band let cinxein kSunich: i. m 6—, geb. m. 7.2S; iL M. a,~, 

§ , geb, 9,50; HI- M. 6-, geb. IL 7.25. 

^ Vorliegende kriflsche deutsche Ausgabe dM b«rQe1)tfgt«ii Hexen- 

S hamrnör:^ ist iibprlianpt seit 1489« wo die erste lateinische Ansj^ahe er- 

^ sobien« diu erste deutSCiie Aufgabe dieses so eminent wichtigen Kuitur» 

<g dokmnenfeel tHegMtinte Presse bat diese Bedeattmir «in«« 4«r^obaDd«r- 

^ haftpsten und unflittlichst'^n Schriftwerke der \rr]t1itpratnr" anerkannt. 

CO Sp&Itenlange Aufsätze mit Ueber&cbriften wie „Dda Verruchfeate BttCh 

^ der \^'eUliteratar*^, „ Bibel der HOlle" uäw. haben aufs Neue das Interease 

XJ der Gebildeten für ein Buch erre^rt, ^^•^1ch^'; das ,,zu MISMtaten Wf» 

.H, dichtete Verbrechen wider den gesunden Menachenverstind dirsteW 
und zu den grauenhaftetfen Jvflizniorden Mffiffcfe, -wie Dr. f iltdridi 
u S. Kreuts schreibt. 

^ Die „Weser Zeitung" vom S6. August 1906 b^nnt ibre eingebeiiie 

^ Beapreobung folgendennassen : • ' - 

^ „Wkebm haben ihre Schioltsale, abt^r es gibt auch Schriftwerke, die 

O Bplbst zu Seil ick ealsm Seh ton geworden sind; man braucht ja nur, um auf« 
c Geratewohl ein paar der bekanntesten herauszugreifen, an die Bibel, an 
^ den Eona, an die Figarodramen Bcaumarobaie' und die Theorien Roasseaus, 
;g an Luthers geschriebene Schlachten zu erinnorn. Unter der kleinen Zahl 
C solcher weltlai fbestimmenden Schriften aber ist vielleicht keine znerk- 
^ würdigere ^ i fmden, als der bertidbtigie Jlalleus maleficanim i^der Hexen- 
^ hammer. Im Jahre 1489 erschienen, von zwei Geistlichen verfasst, hat 
^ dieses Buch, das man ohne l'ebertreibung als die tollste Ausgeburt nensch- 
^ liehen Wahnwitres, menschlicher Grausamkeit und menschlicher ünge- 
C rechtigkeitbezcichnen kann, 'JD Vüflagen erlebt und brirahe drei Jabrhunr? orte 
^ iaiig die volle Autorität eines juristischen Fundameutalwerkes genossen, 
c es hat hundertteusende Ton Menschen dem Geschick überliefert, lebendig 
b£ verbrannt zu werden und Millionen um Habe, Gesundheit und Ehre gebracht. 
Ä Es ist ein nicht zu unterschätzendes Verdienst, dieses Werk, das 
^ bisher nur in aeiner ursprünglichen Form, einem barbarischen Dunkelmänner- 
latein, vorhanden und in unseren Tagen fast völliger Veigessenheit anheim- 
gefallen war, in deutscher Übersetzung herausgegeben unddadnrcb 
einem grösseren T.pserkreise zugä:iu;]ich geiriarht zu haben. 
Frölich können wir nicht ohne Einschränkung die£iniadung wieder- 
holen, die Uber d«r Ausgabe Ton 1519 stand; „Kant t:nd lies; daa Geld wird 
dich nicht gorouon " Tlief>lnf^en und Juristen können das Werk ja im Original 
»tudieren, uud der gelehrte Geschichtsforscher kennt es natürlich so gut 
wie sie; aber für den nDilettanten** im Sinne Goetbes, fdr dieses 
Elitopublikum, das eipertlfrh das geistige Kiveau eines Vol- 
kes bestimmt und der wahre Träger und Verbreiter der National- 
bildung ist, bietet der Hexenhammer eine Quelle unerschöpf- 
licher geschiohtsphilosophißcher Belehrung' dar. Wie war es 
möglich, dass ein Werk, wie der Malleus maleficarum zu solcher Bedeutung 
gelangte? Ein kursier Blick auf die Gescbieht« dea Haxenwahaa iat aOtig, 
um dies Rätsel su erklären . . 

HiMlIlhrlicaitr Frosftkt mM Jern Iritis und Üriniw xnissMdl. 



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Farbla/y. l zu Selu^rmmn , Äiuferutüigiiose u. Kurpfuscher tum. 




HeUgratu bezK'. luUgelbe Regmhogenhant 
P. •Pupille S • Sphincter 

K'Jriskrause L • Lctcunen. 
a,b,ff,g' ' BUUsäidai Umerhalb dtr6f(äss 
scheiden,. 



JlfUßnme Rejfetüxi^eiüuuit 

P. ' Papille , T. 'Laauten- 

S. • Sphinkter, F •CantradionsfurSuTt 

V - Unpi^mrnUrU ZdlAnhöJifujujen 



Fig9. 



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HegerÜMXftnlumt ncuhjUb' 
hcihuiif imt sypktliiischai. 
GtsdwälsUn. . 
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AKirduier.juvM. 





Li'i.Ar.st.vlAFunie.Leipijg' 



Dem, H(uulbuck- der AiuftrnhfiUiutulc r Graefc - Sarmisch, Kap. KriukmaniL, ErkrojJain^en. 
des Ufeallrachix und liefi G/askdrper,',- enOwmnufh. 
"mlaq v Wilhelm Engehtunn ir. I,*:ps:g. 



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V A)OgIc 



AUGENDIAGNOSE 

UND 

KURPFUSCHERTUM 



M[T BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG 
DES KURPFUSCHERPROZESSES GEGEN 
DEN „LEHMPASTOR" FELKE 



VON 



Dr s. SELIGMANN 

AL'GF.MAT?:'T IN HAMBURG 
VERFASSER VON „DER BOSE BUCK UND VERWANDTES' 



MIT 17 FARBIGEN UND SCHWARZEN TAFELN 
UND ABBILDUNGEN 



BERLIN W 30 1910 
HERMANN BARSDORF VERLAG 

ALLE RECH I E, AUCH DIE FÜR AMERIKA, VORBEHALTEN 



Copyright 1910 by Hermann Barsdorf 



Spamersche Buchdruckerci, Leipzig 



Mephisto: Verachte nur Verounft und Wissenschaft! 

(Goethe, Faust L) 

Klage Jesajas 2, 6: „Denn voll geworden sind sie 
von Wahrsagdnmst aus Morgenland und 
von Zeichendeutem wie die Phlüster/' 




294298 



Vorwort 



Die langjährigen Vorarbeiten zu meinem Werke über den „bösen 
Blick*' brachten es naturgemäß mit «^irh, daß ich mich auch mit 
manchem anderen das Auge bctreit- iidcn Aberglauben beschäftigen 
mußte. So kam ich auf das Studium der „Aug^endiagnose". Im 
Jahre 1906 erschienen meine ersten Veröffentlichungen darüber m 
den Hygienischen Blättern und im Hamburger Fremden- 
blatt Seitdem beschäftigte ich mich fortwährend mit dieser Pseudo- 
Wissenschaft und sammelte ein großes Material, um dieses bei Ge- 
legenheit einmal zu veröffentlichen. Meine jetzt über 3 Jahre alten 
Darlegungen müssen wohl in weiteren Kreisen bekannt geworden 
sein: nur so kann ich es mir erklären, daß ich zu meiner größten 
Überraschung in diesem Jahre auf Betreiben der Deutschen Ge- 
sellschaft zur Bekämpfung des Kurpf uschertums von der 
Staatsanwaltschaft in Krefeld die Vorladung erhielt, im Prozeß gegen 
den wegen fahrlässiger Tötung angeklagten „Lehnipastor" Felke 
über die Augendiagnose ein sachverständiges Urteil abzugeben. Ich 
fo^e dieser Einladung eigentlich sehr ungern, wußte ich doch aus 
vielen anderen Kurpfuscherprozessen, daß auf das Urteil der medi- 
zinischen Sachverständigen wenig Wert gelegt wird, und daß der 
Angeklagte freigesprochen zu werden pflegt, wenn es ihm oder seinem 
Verteidiger gelingt, die Sache so darzustellen, als wenn der ganze 
Hokuspokus ,,im guten Glauben" ausgeübt wäre. Der Verlauf des 
Prozesses, dem ich, trotz der höchst merkwürdigen Ableugnung 
einiger Tagesblätler, als Sachverständiger beiwohnte, und in dem 
ich in höchst gedrängter Form die gesclüchtliclie Entwicklung der 
Augendiagnose und ihren völligen Unwert nachwies, hat mir wieder 
einmal bewiesen, daß ich mit meiner .Vamutuiig über den Ausgang 
desselben recht behalten habe, und daß die medizinischen Sachver- 
ständigen nur eine lächerliche StatistenroUe bei der ganzen Komödie 
spielten. Zu gleicher Zeit wurde aber in mir die Überzeugung reif, 
daß es die höchste Zeit sei, einmal die ganze „Augendiagnose" in 
wissenschaftlicher Weise zu bearbeiten. Das Material dazu hatte 
ich ja schon, ich brauchte dasselbe nur zu ordnen und niederzu- 



— 6 — 



schreiben. Die Arbeit war in wenigen Wochen vollendet. Die Augen- 
diagnostiker haben immer gejammert, daß die kompetentesten Be- 
urteiler ihrer Kunst sich stolz und hochmütig von derselben fern 
und es nicht der Mühe wert hielten, sich damit zu beschäftigen. Ihr 
Liebiingswunsch ist mit vorliegender Arbeit erfüllt. Mögen sie die 
richtigen Lehren daraus ziehen und lernen, lernen, lernen! Der 
Mediziner und der Laie^ der dieses Buchteln in die Hand nimmt, 
und der noch nichts von der „Augendiagnose'' weiB, der kann sein 
blaues Wunder erleben. Wenn er noch einen Funken von Ver- 
stand im Gehirn hat, dann wird er nach der Ldcture sein Urteil über 
diese famose Kunst in die wenigen Worte zusammenfassen können: 
„I 'nnflaublicher Blödsinn!" Wer aber trotz dieser Darlegungen noch 
fortfaiirt, die Augendiagnose zum Schaden der leidenden Mensch- 
heit praktisch auszuüben, der darf sich nicht mehr auf seine Dumm- 
heit und seinen guten Glauben berufen, der ist ein gewissenloser 
Betrüger! 

Hamburg, Dezember 1909. 

Dr. S. Seligmann. 



Inhaltsverzeichnis. 

Seite 



Kap. I. Die Quellen der modernen Augendiagnose 11 

1. Das Auge als Spiegel der Seele 11 

2. Böser Rück 12 

3. Das Auge als Spiegel des Körpers 13 

4. Mittelalterliche Ophthalmoskopie 13 

a) Fhysiognomische Tafeln 13 

b) Bedeutung der Irisfarben und -flecken • 39 

c) Regionenlehrc 41 



Kap. II. Die moderne Augendiagnose im Lichte der Wissenschaft 44 

1. Augendiagnosc der Arzte ■ 46 

2. Irisdiagnose der Kurpfuscher 47 

a) Farbe der Iris 49 

Krätze. Psoratheorie 51 

b) Iriskreise 53 

Magenfeld 53 

Impfung • 53 

Darmfeld , 55 

c) Irisperipherie 55 

Haulring 56 

Milchschorf, Grind 56 

d) ZcntralcT Irisrand . . . . " 56 

Sympathisches Nervensystem 50 

e) Kontraktinnsfurchen 57 

Kranipffin^e 57 

f) Knotenalmliche Bildungen 57 

Arsenik-, Rheumatismusflecke 58 

Verkalkung. Harnsäureanhäufung. Nervosität 58 

g) Hornhautrand 59 

Quecksilbervergiftung 60 

Hornhautflcckc 6L! 

h) Greisenbogcn GO 

Verkalkungsbogen 61 

i) Pigmentflecke 61 

a) Braun, rotbraun 61 

Verschmierte Krätze 62 

Jodzeichen 62 



— 8 — 



MiiHprknm . ^ S2 

Eisen 62 

ß) Blaßrot 62 

Bromkalium 63 

y) Grauweiß 63 

Arsenik 63 

Salicylsäure 63 

Kreosot ß3 

Blei . 63 

Opium 63 

Ö) Gelb 63 

Antipyrin (y3 

Antifebrin 63 

Strychnin 64 

Chinin . 64 

r) Grünlich 64 

Chinin 64. 

C) Gelbgrün 64 

Sch w ef e l • üA 

>/) Blau 64 

Farbenveränderungen 65 

Konstant bleibender Farbenwechsel 65 

Vorübergehender Farbenwechsel ■ 66 

r}) Schwarz 66 

Zeichen des Substanzverlustcs 67 

k) Krypten oder Lakunen 07 

Dichtigkeit der Iris 69 

Nervenfasern, Entzündungszeichen, Morphium .... 70 

Organschädenzeichen 71 

Regionenlehre 73 

Abweichende Ansichten der verschiedenen Atigen - 

dia^nostiker 74 

Neu entdeckte Organe 80 

VcrvvechselunKsmöjjilichkeiten 80 

Methode der Augendiagnostiker 82 

Augendiagnostischc Bilder 83 

I) Odstrahlen 86 

üfiiiüda. Mcdio ma ■ Sl 

Kap. III. Resultate der Augendiagnose 88 

1 Remiltafi^ der Är7.tft . SS 

a) Meine Lfntcrsuchun^en 89 

Gefahren der Augendiagnose 101 

Sogenannte „charakteristische" Zeichen 101 

b) Untersuchungen anderer Ärzte 106 

2. Resultate der Kurpfuscher 108 

3. Vergleich der Resultate 131 

4. Bemerkungen zum Felke-Prozeß • 131 



9 „ 



a) Der „gute Glaube" 131 

b) Arzt und Kurpfuscher 132 

c) Die ,, Erfolge" der Kurpfuscher. 133 

d) Die Anhänger der Augendiagnose 133 

g) Laien, Lehrer 134 

ß) Approbierte und nicht approbierte Arzte 134 

Professortitel 137 

e) Krankenkassengesetz 138 

Zwangsarztsystem und freie Arztwahl 138 

f) Reichsversicherungsordnung 139 

g) Kurpfuschereiverbot 139 



Kapitel 1. 

Die Quellen der modernen Augendiagnose. 



Ein altes Sprichwort behauptet, das Auge sei ein „Spien^el der 
Seele". Aber diese Behauptung wird dadurch noch nicht richtig, 
daß sie sehr alt ist Wer diesem Sprichwort dninal auf den Orund 
geht, der erfährt, oft zu seiner eigenen größten Überraschung, daß 
besagte Voiksweisheit ebensowenig wert ist wie manches andere, 
was ein denkunfähiges Menschengeschlecht in die knappe Form 
eines Sprichwortes gepreßt hat. Wenn der Volksmiinil die Wahr- 
heit spräche, so müßte man Zorn und Liebe, Mali und Unschuld, 
Laster, Freude und Trauer, Sanftmut, Mitleid, Frömmigkeit, Bosheit, 
Trotz, Mißgunst und Neid, kurz alles, was menschlich, göttlich, 
tierisch, teufUsch sich in des Menschen Brust regt und wirkt, aus 
dem Sehorgan, dem Augapfel herauslesen können. Aber nur ein 
ganz ot>erflächlk:faer Beobachter kann derartige kfihne Behauptungen 
aufstellen; seine Phantasie gaukelt ihm etwas vor, was der nüch^ 
ternen Forschung nicht Stand hält Der vorurteilsfreie Naturforscher 
sieht von allen diesen Oemfitsbewegungen und Charaktereigenschaf- 
ten im Auge nichts, er beobachtet nur einen wechselnden Gesichts» 
ausdruck und ein mehr oder weniger auspfeprägtes Minenspiel, eine 
Anspannung oder Entspannung der einzelnen (iesichtsmuskehi, eine 
größere oder geringere Blutfüllung eines gegebenen Kapillarbereiches, 
und kommt so zu dem Schlüsse, daß man etwas dem Auge unter- 
schieben wollte, was in Wirklichkeit der Oesichtsmuskulatur zukam. 
Wir haben dieses ausführlich in unserem Buche Ober den „bösen 
Blick'' behandelt und durch zahlreiche Beispiele nachgewiesen.^) 

Wie alle Charaktereigenschaften sich im Auge widerspiegeln 
sollten, so glaubte man dieses auch von dem Neid, dem Zorn und 
der Mißgunst, also den Seelenfehlern, die man den Menschen zu- 
schrieb, denen die Macht des bösen Blickes gegeben war. Der böse 

') Dr. S. Seligmann. Der böse Blick und Verwandtes, ein Beitrag 
2or Oeschichte des Aberglaubens aller Zeiten und Völker. 2 Bände. 
Beilltt 1910. Volag von Hermann Barsdorf. 



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— 12 — 

Blick war also nur eine der vielen Oemüt^bc a ci^ungen, die der 
„Spiegel der Seele", der Augapfel, anzeigen sulik. 

So lange die ^^c^ngstigten Sterblichen die ailtäti^liche Erfahrung 
machen mußten, daß dem Menschen der Besitz des ihm zuteil Ge- 
wordenen nie sicher sei, daß ungewöhnliches, für mensdilidie Dinge 
unverhättnismäßiges Glück oft einen raschen Umschwung und um 
so herberes Unglück zur Folge habe, so lange herrschte der bange 
Glaube an den Neid der Götter, an den bösen Blick der Menschen. 
Das edelste Organ des Körpers, das die Natur nur dazu bestimmt 
hat, die von einem Gegenstande ausgehenden Strahlen rein passiv 
aufzunehmen und <n ein Bild von ihm zu empfangen, das mit -iiufn 
Wort nur zum Sehen geschaffen ist, diese wunderbare Schuplung 
sollte nach den abergläubischen Vorstellungen der im tiefsten Oeistes- 
dunkel einhcrw aiidelnden Menschheit unter Umständen eine ^j^cradezu 
teuflische Madit besitzen oder erwerben können. Die glanzenden 
Kristallkugeln im Haupte des Menschen sollten aktiv werden und 
giftige Strahlen aussenden, die unbarmherzig Mensch, Tier und 
Pflanze vernichteten un(| alles zerstörten, was gut, schön und be- 
neidenswert war. Welche ungeheure Rolle dieser finstere Aber- 
glaube zu allen Zeiten und bei allen Völkern gespielt hat und noch 
spielt, das können wir hier des weiteren natürlich nicht ansfliiircn. ; 
Wir wollten nur darauf hinweisen, um /u /eii;en, aus welchen trüben * 
Quellen und aus welchem schlammigen Aberglauben die „Augen- ] 
diagnose" geboren ist. ♦ . > 

Wer mit dem bösen Blick geboren ist, der hat nach uralter 
heidnisdier Anschauung gewöhnlich irgendein Zeichen im Auge, das 
ihn und seine Bosheit verrät Nach christlicher Weltanschauung ist 
es der Teufel, der seinen Günstlingen zur Besiegelung des Paktes 
einen solchen Stempel in der Walpurgisnacht auf den Augapfel 
drückt. Inquisitoren und Hexenfinder machten im finsteren Mittel- 
alter ein schamloses Gewerbe daratis, solche Aucfcnzeichen /n ftn- 
tien. Wehe dein armen Weibe, dein bedauernswerten Manne, dem 
ahnungslosen Kindchen, die das l'nL,dück hatten, ein solches Au^en- 
zeiehen zu hcsit/en. Erbarmungslos wüteten fanatische Geistliche 
und hirnverbrannte Richter, der I^rozcß wurde ihnen gemacht, die 
Folter wurde über sie verhängt, der brennende Scheiterhaufen machte 
sie für immer unschädlich. 

Die Lehre von den Augenzeichen — als da sind: Augenfarbe, 
farbige Flecke, bunte Kreise, große und kleine Augen, ticflieyen le 
und hervorstehende Augäpfel, gerötete Bindehaut, Augenmuskel- 
defekte und vieles andere mehr (cf. Böser Blick, Bd. I, S. 66 — 78) 
— wurde besonders ausgebildet /u einer Zeit, wo okkulte Wissen- 
schaften verschiedenster Art, wie die Chiromantie, die Wahrsage- 



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- 13 — 



kunst aus den Linien der Hand, die Metaposkopie, die Lehre von 
den Linien der Stirn, die Physiognomik, die Auslegekunst von 
den Zügen, den Warzen und den Ffecken des Gesichts in voller 
Blüte standen. 1) Mit diesen P^^cnfUiwissenschaftcn auf irlcichcr Stufe 
stand die ^dcichzeitisf aufkommende Ophthalmoskopi t', die Mutter 
der heutigen Augendiajjnosc. Alle diese Wunderkünstc sciioi tten aus 
ganz unwesentlichen Dingen den Stoff zu einer trügerischen und be- 
trügerisdien Wahrsagung. Wir beschäftigten uns hier nur mit der 
Ophthalmoskopie. Ihr Hauptgebiet war ursprünglich die Prophezeiung 
von Charaktereigenschaften; zu den Zeichen des bösen Bliclces kamen 
nun Zeichen anderer seelischer Eigenschaften hinzu und vermisch- 
ten sich mit ihnen: die Lehre von dem „Spiegel der Seele" im Auge 
feierte ihre höchsten Triumphe. Aber bald begnügten sich die Adep- 
ten dieser Wunderkunst nicht mehr mit dem beschränkten Gebiet 
des Scelenspiegels, ihr Ehrgeiz gierte nach mehr: der Körper und 
seine I i krankungen mußten sich ihrer Kunst anpassen, das Auge 
uurue auch ein „Spiegel des Körpers". 

Dieses wollen wir jetzt näher beweisen. Wer sich der Mühe 
unterzieht, gewisse schweinslederne Folianten des 17. Jahrhunderts 
zu durchstöbern, der findet in ihnen höchst interessante, von einem 
gewissen de Rubeis abgefaßte „Physiognomische Tafeln", die wir 
hier abdrucken^ wollen, um dem Leser zu zeigen, wie alt die 
Kunst der modernen Augendiagnostiker ist 

Die Augen bedeuten: 

So tief in den Kopf liegen. Einen Kühnen, Grausamen, 

Neidischen, Betrügerischen, Ver- 
logenen, Qeiien, Bös-Zornigen 
und bald sich Erinnernden, ab- 
sonderlich des empfangenen 
Schimpfs; einen Argwöhnischen 
und weit Hinaussehenden. 

So gegen der Nasen zu stehen. Einen Liebreichen, Angeneh- 
men, Freundlichen und Vene- 
rischen, 

So das Augenweiss etwas Einen fürnehmen, in grossen 
schwärtzlicht. Würden lebenden Mann. 

') S. Sei ig mann. Die Diapnose aus den Augen. Hygienische Blätter. 
Juli und August. 1906. Nr. 10 und 11. — S. Seligmann. Die Erkennung 
von Krankheiten aus den Augen. Hamb. Fremdenblatt 20. Mai 1906. 

') Joh. Siegm. Eltzholtz. Anthropometrie. Nürnberg 1695. II. Traktat 
im Chiromantisch-Physiognomischen Kleeblatt. Nürnberg 1695. 



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— 14 — 



So weiss und gar zu gläntzend. 

So weiss und niclit gar 
gläntzend. 

So zwey in der Mitte des Augs 
fast zusammengehende Augen- 
lieder, die beyderseits gleichsam 
vor Furcht lippern. 

So weit offen und von allzu 
grosser Oeffnung. 



So sich offt aufreissen, und 
gleich als ob man etwas nach' 
sinne, stillstehen. 



So immer offen stehen und da* 
bey wolanständig und wachsam. 

So immer offen und lang also 
bleiben. 

So immer offen auch so gar in 
den Schlaf. 

So immer offen und hell» klar 
und mittelmässig, und nicht gar 
zu rund. 

So immer offen, aber dabey 
dunckel und feucht 

So immer offen, dunckel und 
feucht, aber dabey gut anzusehen. 

So immer offen, aber dabey 
trucken, glänzend und gleich als 
ein Licht scheinend. 

So trudcen. 

So schön und mittcintässiger 
Färb. 



Einen Furchtsamen und Heim- 

dückischcn. 

Einen Schwachen, Gering-Ver- 
ständigen und Kleinmüthigen. 

Einen Ehebrecher und der die 
Schönheit liebt, Leckerhatften und 
denen Liebes-Wercken Ergebenen. 

Einen Rasenden, Schwelgen- 
den, etwas Lügenhaften, Fitel- 
Redenden, Arbeitsamen, die 
Faulheit Hassenden aber dabey 
Verw^encn. 

Einige Vorschläge, so man in 
Gedancken hat; was aber sel- 
bige für welche seyen, wird man 
von denen Eigenschafften der 
Augen abnehmen können. 

Einen Treuen, Gerechtigkeit- 
Liebenden, Freundlichen, fleissi- 
gen und Warhafften. 

Einen Dummen und Unver- 
schämten. 

Einen sehr Furchtsamen. 

Einen Gütigen, Gerechten, Got- 
tesfürchtigen, Verständigen, Tu- 
gend-Liebenden und denselbigen 
Nachtrachtenden. 

Einen Genau -Auf merckenden 
und Tiefsinnigen. 

Einen Frommen. 

Einen Tollkühnen, Unverschäm- 
ten, Geilen und Heimtückischen. 

Einen Ertz-Schelmen. 

Ein gutes Geniüth. 



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16 — 



So Gallisch. 

So sie hohl und lachlend, ab- 
sonderlich wann die Wangen, 

Augbraunen und Lippen sich zu- 
gleich mit bewegen und die 
Augenliudcr sich gleichsam /u- 
sammcnschlicssen, bald aber wie- 
der auf und auseinander gehen. 

So hohl, klein, trucken und ge- 
nau au! etwas zielend. 

So hohl und gross und gleich 
einen Wasser in einem Gefäss 
sich bewegend. 

So hohl,schwartz und gläntzend. 



So hohl, aber nicht weinend, 
sondern vielmehr lustig^ aus- 
sehend. 

So hohl und klein. 



So hohl, klein und trucken. 



So ein wenig hohl, und dabey 
etwas gross. 

So ein wenig hohl, und dabey 
schwärzlicbt 

So sehr tief und hohl, und diese 
sehen mehr als andere. 

So blau, feucht, gross, still- 
stehend und gläntzend. 



Einen Rasenden. 

Tiefe und weltaussehende Ge- 
danken, mit einen Ertz-Spitzbfibi- 
sehen Betrug. 



Einen bösen Narren. 

Einen Mann von keiner un- 
ebnen Art, wann nit andere Zei- 
chen unterlauffen. 

Einen Befleckten, Neidischen, 
Bosshaf ftigen, Betrügerischen, und 
der die geheimsten Sachen wissen 
will 

Einen Verliebten. 



Einen Lästernden, Betrfiglichen, 
heimlich Nachstellenden, und durch 
Neid und Missgunst sich selbst 
Verzehrenden. 

üeber erstbesagte Laster; einer 
Untreue, Meineid, Verrath und 
Kirchen-Raub. 

Einen Verschwenderischen, aber 
dabey Sanfftmüthigen. 

Einen Orossmüthigen. 

Einer, der keins lobenswerth, 
indem er boshafft tmd eines losen 
Oemüths. 

Einen Muthigen, Zornigen, Un- 
beständigen, Plauderhafften, je- 

docii ohne Lügen, von noch ziem- 
lich guter Art, etwas stoUz, aber 
sehr treu und fleissig in dem, was 
ihn anvertraut. 



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— 16 — 



So blau und ziemlich feucht. 



So blau und trucken. 

So grau-blau und weissUche, 
welche Färb bey neugebohmen 
Kindern sich meistens aeussert 

So grau-blau und doch etwas 
gelblicbty welche in denen Eulen- 
Augen zu sehen. 

So grau-blau und grünlicht, fast 
wie OeMärbicht. 



So rund umher verrunzelt, 
welche Runt/cln theils von denen 
In icke ri Winckeln der Augcnlie- 
dcr, theils auch von der Haut der 
Schläfe so nächstens dabey, und 
von den obern Theil der Wangen 
seinen Ursprung beginnt. 

So rund umher gleichsam ge- 
schwollen. 

So in den weissen Aug des 
Gelbliche. 

So helleuchtend und froüch. 



So öffters fippem, wann diese 
dabey auch trucken oder klein. 

So sich schliessen mit einer 
rauhen Stirn Qberzwergen Aug- 
brau und harten und gleichsam 
zusammgewachsenen Atigliedern. 



Einen Beträgerischen, Verloge- 
nen, EiteUredenden, sehr Zorni- 
gen, Wütenden, Leichtsingen, Ehr- 
geitzigen,. Citein, . Trutzigen. 

Noch schlimmere Sitten. 

Einen Furchtsamen und Oering- 
Verstandigen, wann sie aber eng 
beysammen und dunckel, einen 
Gottlosen und Lasterhafften. 

Wüste und angezogene Sitten, 
wann sie aber mit kleinen Aug- 
äpfeln einen Geitzigen und Ver- 
schlagenen. 

Einen Grossmüthigen, Starcken, 
wann aber bey diesen allen eine 
Troeckne, bemerkt sie einen der 
Büssheit Verdäcliti^en. 

Einen lasterhafften Schmeichler. 



Einen Rohen, Gefressigen, Un- 
freundlichen. 

Einen Zornsichtigen, Rasenden, 
Plauderhafften, Leichtsinnigen, 
Wollüstigen, Verlogenen, Eitlen. 

Einen Angenehmen, Anmuthi- 
gen, wolgesitteten, und lang 
Lebenden. 

Einen Feigen, doch dabey 
Heimdüdcischen, und auf das 
böse Arglistigen. 

Einen groben verwildeten Men- 
schen, so zur Verwegenheit ge- 
neigt, durch Lob sich erhebt und 
leicht durch Qeschencke sich be- 
stechen lässt 



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- 17 — 



So sich schliessen mit geraden 
Augbrauen und zitterenden 
Augenliedern, und da zugleich 
Augen und Sehen sich bewege. 

So sich schliessen aber dabey 
feucht, behöriger Grösse, glän- 
4zend, mit glatter Stirn. 

So sich schliessen und dabey 
wie ersterwehnt beschaffen, aber 
Jioch über das drücken. 

So sich schliessen und bald wie- 
der öffnen und dabey feucht 

So sich schhessen und bald 
wieder öffnen, aber dabey bleich 
und zitternd. 

So sich schliessen, aber in die 
Hüiie gehen und so etv^as still 
stehen. 

So zusammengedrückt und auf 
einen Zweck gerichtet. 

So blintzeln, dabey verdreht 
und bleich. 

So bhntzeln und dabey feucht. 

So schlecht-hin blintzeln. 

So blintzeln und dabey Inicken. 



:5ü niciit zusammgehen, dabey 
bleich, röfhlicht und trucken. 



So nicht zusammgehen und 
starck einen ansehen. 

So nicht zusammgehen, aber 
freundlich einen anblicken» und 
dabey feucht. 

Sellgaanii, AugcndtagBoaeL 



Einen Weibischen und Rasen- 
den, 



Einen Schamhafften, Gelehrsa- 
men, Liebwerthen, guten Rath mit- 
theilenden, Liebhaber der Künste 
und Wissenschafft. 

Einen Unbillichen, heimlich 
Nachstellenden, Bosshafftigen, 
Verwegenen, Verschlagenen. 

Einen accuraten, Verständigen, 
Liebhaber der Künste, Fleissigen 
und in allen Gefolgsamen. 

Eine Raserey und Verruckung 
des Gemüts. 

Einen Unmässigen, Rasenden, 
Ungelehrten, Liteln, Gctrassigen. 

Einen grausamen Tyrannen und 
Todschläger. 

Einen Thöhchten. 

Einen, der sich auf viel Kunst 
und Wissenschafften legt. 
Einen Furchtsamen. 

Betrug, heimliche Nachstellun- 
gen, eni verborgenes Schelmen- 
städc; womit man schwanger geht 

Einen Unbillichen, leicht Lizür- 
nenden, Leichtsinnigen, Missgön- 
stigen, Plauderhafften, Verloge- 
nen, Zancksichtigen und Betro- 
genen. 

Einen, der niemals was guts 
in- Sinn hat 

Einen Curiosen, viel Betrach- 
tenden, der l0-h Nachhängend, 
und leicht Beweglichen. 

2 



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— 18 — 



So mitgantzen kurzen Winckeln 

versehen. 

So mit fleischichlen Aug- 
winckeln bey der Nase gleichwie 

Muschel versehen. 

Su mit ausgebreiteten Winckeln 
versehen. 



So mit anzulangen Winckeln 
versehen. 

So mii mittelmässigen Winckeln 
versehen. 

So da weisse Circkel, und da- 
bey schwache Augen hat. 

So da Circkel hat, die ungleidi 
um den Augapfel herum lauffen. 

So da Circkel und Ring mit 
Flecken hat 



So da Cuckel und Ringe hat, 
deren unterer grün, der obere 
aber schwartz. 

So da Cirdcel und Ringe hat, 
davon der untere eng und 
schwartz, der obere aber feurig, 
und die Augen doch dazu feucht 
und darinnen nichts ungewöhn- 
lichs vorhanden. 

So da Circkel hat, die einen 
vielfarbigen Regenbogen fürstel- 
len, die Augen aber an sich selbst 
trutzig. 



Die alterübelste Sitten. 

Einen Vielfrass, Trunckenen, 
Geilen, BetrugUchen und Unver* 

schämten. 

Eine Kranckheit der Augen, 
wann sie aber ein wenig nur er- 
weitert, und zugleich mit etwas 
lädilenden Augen, würden solche 
Winckel einen Wollüstigen be- 
merken. 

Böse Sitten. 

Einen Wohlgezogenen und 
Frommen. 

Einen Schwachen und Klein« 
müthigen. 

Einen Mörder, Lasterhafften 
und mit Vergiftung umgehenden. 

Einen ungetreuen, ungewissen- 

hafftcn, neidischen, bosshafftigen 
Verleumbder, Verräther; und so 

die Flecken häuffig, ist auch der 
Geist viel hochrnütliiocr, daher 
dann die Verscheidenheit der 
Sitten und Hauffe der Laster 
stammt; es wäre dann dass ein 
Stahr vorhanden. 

Einen betrügUchcn, unbillichen 
Geld-Dieb, 4ind der schändlich 
sich an Weiber hängt 

Einen Gerechten, Gottsfürch- 
tigen, Grossmüthigen, Verstan- 
digen und über die massen seine 
Kinder Liebenden. 



Einen zum Zorn und Liebes^ 
wercken Geneigten. 



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~ 19 — 



So da Circkel hat, einen viel- 
iärbigen Regenbogen nit ungleich 
mit feuchten Augen. 



Die Tapferkeit, Grossmut, Be- 
redsamkeit und guten Rat jedoch 
mit etwas Zorn und venerischer 
Geilheit. 



So da C.iickci hat wie ein viel- Einen Rasenden, und Ehrlosen, 
färbiger Regenbogen, die Augen 
aber dabey trucken. 

So da Circkel hat wie ein viel- Einen dummen Verstand, und 

fiirbiger Regenbogen, aber dabey Faulheit, 
ein Ochsen-Augf. 

So da Ciickcl hat wie ein viel- Einen Unp^e/ofrpnen, Thörich- 

färbiger Regenbogen, aber dabey ten und Bössarligen. 
Ziegen-Augen. 

So da vielfarbigen Regenbofjen, Einen grausamen Betrüger^ 

aber dabey gelblichte Auycn. Mörder und Verrather. 

So da Circkel hat wie cm viel- Einen Höflichen, Getreuen, und 

färbiger Regenbogen, die Augen mit seinen Verstand alles Durch- 

aber blaulicht oder schwärtzlicht dringenden, 
und dabey mittelmässig. 

So da Circktl hat wie ein viel- Einen Tapfern, Grossmüthigen 

färbiger Regenbogen, aber dabey und Verständigen, 
braune Augen. ^ 

So da etwas schielende und Einen Qeitzigen, Nachstellen- 

dabey gar wenig sehende Augen, den, Vortheiihafften und Ver- 
schlagenen. 

So da zwischen der schwartzen Einen Tiefsinnigen, trefflich- 
und andern Färb Augen haben; Nachdenckenden und Wohlgezo- 
es wäre dann dass die Augen genen. 
funcklend, und keine rothe oder 
gelblidite Färb zu sehen. 

So da eine Farbe zwischen Einen Unbedachtsamen und ge- 

schwartz und braun haben, aber schwind das was . er fargetragen 

dabey mit Blut unterlauffen. Bewerckstelligenden. 

So da von einer Färb zwischen Einen Unmenschlichen, 
grün und blau. 

So da zwischen weiss und Einen der das beste Oeinüth 

schwartz. . und Verstand hat, und dabey 

fleissig, verschwiegen, warhafft 
und friedfärtig. 

2* 



- 80 — 



So da Lüwen-färbig, wie des 
Löwen Augen beschaffen. 

So da bleicher Färb und die 
Augen trucken. 

So da gar zu bleich und feucht. 

So nur bleich. 

So da fast purpurfarbig und die 
Augen feucht. 

So da fast purpuilaibig und 
die Augen trucken. 

So da wie Küh-Augen aussehen. 

So da etwas grünlidit, doch 
dabey auch weisslicht, und die 
Augen feucht 

So da gantz kleine Augäpfel 
haben. 

So da gelbe oder schwartz-ver- 
goldete Augäpfel haben. 

So da gehörige Augäpfel haben. 

So da Aug-Aepfel in den Um- 
fang gleichsam Perlen zu sehen. 



So mit innwendfg goldfarbigen 
Augäpfeln versehen. 

So mit gar zu breiten Aug- 
äpfeln. 

So da mit gehörig-breiten und 
schönen Augäpfeln versehen. 

So da Augäpfel mit schwartzen 
oder blutfärbigen Tröpflein in- 
wendig haben. 



Tapferkeit des Gemüts und 
Schärfe des Verstandes, wie auch 
die beste Sitten. 

Einen zum Betrug-Geneiglen, 
und bey Unternehmungen sehr 
Klugen und Verwegenen. 

Einen Thorhafften. 

Einen sehr Schamhaffteii. 

Einen Sauffer und Unverstan- 
digen. 

Einen Zornigen und Wilden. 

Eines dummen Verstand und 
nichtswürdigen Oemflths. 

Einen heimdückischen Sodo- 
miten, aufrührerischen und noch 
schlimmer so die Augen trucken. 

Einen Betrüger und leichifär> 
tige Geilheit nachhangenden. 

Einen Blut-Fluss durch den un- 
fern Leib. 

* Einen Frommen, Verschvnege* 
nen, Gerechten und Warhafften. 

Einen Neidischen, Plauderen- 
den, Lägenden, Ertzbosshafften, 

absonderlich was das lasterhaffte 
Ausrichten und Verleumden be- 
trifft, wann aber die Augen von 
vielerley Farben; musste er das 
allerleichtfertigstc und lasterhaft- 
teste Gemüth haben. 

Einen Neidisclien, Bossiiaften, 
Bissigen und Beti uglichen. 

Emen Narren. 

Einen Freygebigen, Tapfern, 
Ehrlichen und Sanfftmütigen. 

Einen bosshatten Vergiffter, 
wann sie aber bleich, bedeuten sie 
Betrug und Verrätherey. 



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— 21 — 



So da schwärtzlichte Augäpfel. 
So da Jcohlschwartze Augäpfel. 



So da Aug-Acpfel haben die 
verwendet und sidi beyderseits 

So da Augäpfel die einander 
gleich. 

So da ungleiche Augäpfel. 

So da ungleiche Augäpfel, da 
auch noch über das eine blaue 
oder grän und andere Färb, und 
da die Stirn fast gantz Icurtz auf 
denen Augbraunen. 

So da ungleiche Augäpfel mit 
einer grün, blau oder anderfärbi- 
gen Wölcklen und dabey die 
Augen in Kopf herum schiessen. 

Mit herfürragenden Augäpfeln, 
wobey auch das gantze Auge sehr 

breit 

Mit sehr kleinen Augäpfehi. 



Mit Augäpfeln deren einer 
grösser als der andere. 

Mit j^leichsain inwendig gantz 
mit Feuer eingefassten Augäpfeln. 



Einen Faulen und Dummen. 

Einen Verständigen, Klugen, 

Weitaussehenden, zu allen Kün- 
sten Geschickten, Sanfftmüthigen, 
etwas langsam in seinen Ver- 
richtungen, wenig Redenden, 
Schaniiiafften aber dabey Arg- 
wöhnischen, Furchtsamen und 
Hartnädcichten. 

Einen der den menschlichen 
Qesdilechts altes Böse zuzufügen 
gedenckt, als der dasselbige hasst, 
und nichts als böses stifftei 

Einen Oerecbtigkeit-UebendeK, 
Frommen. 

Einen Bosshafften, Unbillichen. 

Einen mit den bösen üeist be- 
sessenen. 



Einen Unbillichen, und unbil- 
liehe Sachen Vornehmenden als 

nemlich M ord der Anverwandten, 
Blutschand, Vergifftungen, Hexe* 
rei und dergleichen. 

Einen Thorhafften. 



Einen Qeitzigen, Gewinnsüch- 
tigen, Verschlagenen, Neidischen, 
Bosshafften, Zänckischen, Kna- 
benschänder; wann aber der Aug- 
apfel ziemlich klein bedeuten sie 
etwas bessers. 

Einen unbillichen Verräther. 

Einen Unfrcunlichen, Zornigen, 
Stoltzen, Mörderischen und Ver- 
schlagenen. 



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— 22 — 



So da recht wie sie seyn sollen, 
frölich, wachsam, offen, klar, hell, 
und nicht gar zu rund. 

So da geibiicht und hin und her 
lauffen. 



So da gantz niedergeschlagen. 

So da missfärbif. 

So da tncicn und dabey roth. 

So da verdreht 

So da hoch, mittelmässig; weit, 
gläntzend, fippercnd, hurtig, rein 
feucht 



So da immer keiner sonder- 
lichen Ursacii wegen weinen. 

So da gar grob dick. 

So da Steinlein haben, die die 

Griechen Ceiichros nennen, so 
wie Hirschkörnlein, die Augen 
aber sind dabey braun und gleich. 

So da Steinlein haben und 
braunrothe Augen die da ungleich. 

So da Steinlein haben und die 
Augen dabey schwartz und bleich. 

So da Steinlein haben und da- 
bey schwartze Augen die anbey 
röthlicht, doch wann sie ^^enau 
betrachtet werden, sich gleichsam 
zu schwärtzen schciuen. 



Ein gutes Gemüth und eben 
sothanige Sitten. 

Einen Ehrgeitzigen, Unver- 
schämten, Plauderenden, Lügen- 
hafften, Unbeständigen, Stoltzen 
und Eitcln. 

Einen Heimdückischen und 
Spötter. 

Einen Furchtsamen. 

Einen Ueberfluss der Feuclitig- 
keit, und ein sehr feuchtes Gehirn. 

Einen sehr betrüblichen Ver- 
räther und wenig Verständigen, 

Einen Grossmüthigcn, Lieb- 
haber der Tiin-cnd, und in allen 
Stücken fleissigen, trefflich Be- 
redten und Annehmlichen, doch 
dabey sich Rühmenden. 

Einen Armen, Dürfftigen, und 
doch dabey Schamhafftcn. 

Einen Dummen, Faulen, Thö- 
richten und Furchtsamen. 

Einen Bäurischen, Zornigen, 
sehr scheltsichtigen und Ehe- 
brecherischen. 

Je grösser je grausamer, so sie 
aber klein, bedeuten sie auch bes- 
sere Sitten. 

Einen Vergiffter und mit der 
gleichen Schelmen-Stücklein Um* 
gehenden. 

Einen billichen, nachdenck' 

liehen, grossmüthigen, verständi- 
gen Mann. So aber die Augen 
blutig, bemerckt es einen Vergiff- 
ter und Hexenmeister. 



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— 28 — 



So da Stcinlein haben, die Ungezoo^ene, räuberische, und 
Augen aber sehr gross, starck aeusserst-trutzige Geberden, 
bewegt und funklend wie bey zor- 
nigen Leuten zu gescheiten pflegt, 
anbey geibicht und bleich, aber 
doch audi mit etwas feuriger Färb 
vermischt 



Einen Betrüc^lichen und Diebi- 
schen, anbey aucli sehr Verwege- 



So da Stein haben, die Augen 
aber vielfarbig, dahingegen die 
Stein blau und gelb, die auch or- nen und Bissigen, 
deutlich voneinander stehen, gleich 
einen eingefassten Cdelgestein und 
um den Augapfel herum lauffen. 

Zu mcrcken ist, dass je stärcker die Färb der Steine, je heff- 
tiger auch die vorgesagte Neigungen der Menschen seyen. 



So sie einige gelbe Färb in sich 
bnhtn, so dass man \prmcitien 
sollte, sie wären mit Salfran ge- 
färbt. 

So da feucht und dabey best- 
anständig. 

So da feucht und niederge- 
schlagen. 

So da feucht und munter und 
wie Wasser glänzend. 

So da feucht und sehr gross, 
aber nicht wohlanständig, anbey 
roth. 

Su da mittehnässig gross und 
feucht 

So da feucht traurig und 

schwärzlicht. 

So da feucht, idein aber an- 
standig. 



Einen der alle schlimmen Dinge 
an sich hat, und dem man vor 
allen fliehen muss. 

Einen Muthigen, Wollüstigen, 
Frommen, Klugen und Warhaff- 
tigen. 

Einen Kleinmätiiigen. 

Einen Frommen und Lang- 
lebenden. 

Einen Fresser, Sauffer, Unver- 
schämten, Wollflstler, Eiteln. 

Ein wohlgeführtes Leben. 

Einen Tiefsinnigen, und Oe- 
winnsichtigen, doch aber Feigen. 

Einen Billichen, Verständigen, 

Künst- und Wissenschafft-Lieben- 
den, guter Werck sich befleissi- 
gcnden, nach Ehren Strebenden, 
und ietzlich Frommen. 



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— 24 — 



So da feucht, klein, aber ubcl- 
anständig. 



So da wenig feucbt und grau- 
sam anzusehen. 



So da feucht^ durdisichtig und 
massiger Grösse. 



So da feucht; aber einen mit 
Sanfftmuth ansehen. 

So da feucht und roetlicht 

So da Flecken und Adern in 
Weissen von Auge haben. 



So da bey Nachsinnen in die 
Höhe stehen und gleichsam nach 
dem Himmel schauen. 

So da starck ansehen und zu- 
gleich lädilend« 

So da starck ansehen unter den 
Augenliedem heraus. 



So da starck ansehen mit 
niedersinckenden Augbrauen, ab- 
sonderlich wann sie zuweilen zu- 
sammstossen. 

So da starr einen ansehen. 



Einen Unbedachtsamen, Plau- 
derenden» Lügenhafften, Weibi- 
schen, denen Lastern Ergebenen, 
und aller Leichtfertigkeit Verdäch- 
tigen. 

Einen zum Zorn Geneigten, 
Wütenden» Tobenden in Red und 
Geschifften Eilfertigen, Verw^e- 
nen in Reden, und Ertzbösen. 

Einen Aiigendimen, Gross* 
mfithigen, nach hohen Sachen 
Denckenden, und dieselbe Ver- 
richtenden. 

Einen Billidien, Frommen^ 
Grossmüthigen, Frommen, Fried- 
liebenden und Wahrhafften. 

Einen Huren-Wirth, Wein- 
sauffer und Jähzornigen. 

Einen Kfihnen, Verwegenen und 
zu bösen Sachen ziemlich Ver- 
schlagenen, anbey Zornsichtigen,. 

Stoltzen, Tobenden, Wütenden, 
Ungedultigen, Uebeloachreden- 
den. Trutzigen, Rachgierigen. 

ßöse Gedanken, und laster- 
haffte Einbildungen. 

Einen EKetruger, Verleumder und 
Verschlagenen. 

Einen Neidischen, Lügenhaff- 
ten, Bosshaftigen, alles zurück 
Haltenden, Betrüglichen und 
Geitzigen. 

Einen Neidischen, Zänkischen, 
Verlogenen, und mit andern Boss- 
heiten sich Belustigenden. 

Einen Nachsinnenden und Be- 
trüger. 



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- 26 — 



So da einen starr ansehen und 
gfleichsam Beyfall geben, abson- 
derlich mit Krümmung des Mauls. 

So einen weiclilich und furcht- 
sam ansehen wie die Weiber. 

So da bald dahin bald dort- 
hin, nichts aber steif und fest 
ansehen. 

So gerad aussehen. 

So einem einen Schrecken ein- 
jagen. 

So schehl ansehen. 

So allenthalben massig sich 
herutn drehen, anbey etwas feucht 
und nicht zitterend. 

So ailenthAlben massig sich 
herum drehen, anbey etwas feucht 
und zitterend. 

So da munter und angenehm. 
So da etwas schielend. 



So da lang mit langen Aug- 
brauen. 

So da mit den Augbraiien spielt. 

So da um den Augapfel 

fleckicht. 

So da sehr gross, und gleich- 
sam heraus-ragen. 



So da gross und doch vvohl- 



Einen der eine böse Zunge hat 
und aufrührisch. 

Eben also wie vorerwchnt. 

Einen Leichtsiruiigen, Unver- 
ständigen, Plauderenden, Li^igen- 
hafften, Stoltzen, Verachtenden, 
Etteln. 

Gute Sitten. 

Einen Räuberischen. 

Einen Neidischen, Bosshafften, 
Muthwilligen und Wilden. 

Einen Anmuthigen, dem Heim- 
lichkeiten wohl zu vertrauen, 
Billichen, Ereundlichen und War- 
hafftijren. 

Einen Unfreundlichen, Losen, 
Unbiliichen und Verrätherischen. 

Einen Geilen und Ehbrecheri- 
schen, doch dabey Langlebenden. 

Einen Schlimmen und nichts- 
würdigen iast jederzeit, dessen 
Qemflth ist, wie seine Augen. 

Einen Gelehrten, aber dabey 
nicht lang Lebenden. 

Einen Ehhrecher. 

Einen ertzbösen Verleumder. 

Einen dummen Verstand, dabey 
faulen, wollüstigen, verlogenen, 
eiteln, gefressigen, böss-verschla- 
genen Menschen, absonderlich so 
die Augen dabey gläntzend. 

Einen Billichen, mittelmässig 
Nachdenckenden, in etwas Fau- 
len und Kteinmüthigen. 



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— 26 



So da gross mit langen Aug- 
brauen. 

So da gross und bleybleich. 

So da mittelmässig gross, und 
wenig gläntzend. 

So da gross, beweglich und 
gläntxend, zugleich etwas scheel 
sehend und die Augbrauen in die 
Höh richtend. 

So da gross und durchsichtig. 

So da gross glänzend und 
leudit 



So da gross röthltcht und etwas 
feucht 

So da gross und fipperend. 

So da mittelinässig und nieder- 
geschlagen. 

So eine Mittclmass an der 
Grösse haben, mittelmässiger 
Fai b, nicht gar zu schwartz, noch 
gar zu weiss, sonder Flecken oder 
einig Zeichen so böss zu deuten, 
anbey klar, hell, feucht, rein, in 
dem keine merckUche Rothe, 
noch gelbe Färb sich zeigt, nicht 
sonderlich gläntzcnd, auch nicht 
zu tieff in Kopf, noch zu weit 
hervorragend. 

So etwas schwärzlicht mit 
Feuchtigkeit. 



Ein kurtzes Leben. 

Einen Neidischen, Ungehor- 
samen, und Unverschämten. 

Einen Verständigen, Klugen, 
Billichkeit'Liebenden, Frommen, 
Wohlwollenden und Accuraten. 

Einen Bäurischen, Rauberischen 
und Ungezogenen. 



Einen Gelehrsamen, Billichen, 
Ffirsichtigen und Zuredenden. 

Einen Trunck-Liebenden, Wol- 
lüstigen, Zornigen, Piauderenden, 
Unverschämten, Geilen, Falschen, 
Stoltzen und Eiteln. 

Einen Bosshafften, Neidischen, 
Zornigen, Oefrässigen, Versoffe- 
nen, Geilen und Verhurten. 

Einen Thorhafften, Oefrässigen 
und Leichtsinnigen. 

Einen Ehrhebeaden undScham- 
hafftigcii. 

Einen der alles Lobs und 
Ruhnis würdig, indem er alles 
billich, aufrichtig, redlich und 
hertzhafft, was er beginnt, ver- 
richtet. 



Einen Billigen, Schamhafftigen 
und Verständigen, aber dabey die 
Jugend Verführenden und Kna- 
ben Schändenden. 



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— 27 — 



So da schwartz, hell und klar. 



So da schwartz und doch etwas 
gegen der gelben Färb sich 
nahern. 

So da schwartz und der grünen 
Färb auch 'etwas nahe kommen. 



So da schwarz und etwas lach« 
lend. 

So da schwartz und sonderlkdi 
glintzend. 

So da Uberroth und dameben 
auch schwartz. 



So kohlschwarlz. 



So da starr auf etwas sehen. 

So flberzweig sehen und dabey 
trucken. 

So flberzwerg und schehl sehen 
in hitzigen und gifftigen Kranck- 
heiten. 

So dunckel trüb und traurig. 



So dunckel, hessUch, trub und 
fast wie bey einem todten Men- 
schen. 

So dunckel, feucht und gehöri- 
ger Grösse. 



Einen Billichen, Flei^gen, 
Frommen, Wollfistigen, doch da- 
bey sich Wohlaufführenden. 

Ein gutes Gemüth. 



Einen Betrüger, gottlosen, ua- 

bilüchen, diebischen, lasterhaff- 
tcn und leichtfertigen Knaben- 
schänder. 

AUerley schändliche Neigungen. 

Einen Betrüger, Schlimmen, 
sehr Bosshafften und Furcht- 
samen. 

Einen so hefftig Zornigen, dass 
er auch fast von sich selbst nichts 
weiss, und von Verstand darüber 
kommt 

Einen Gewinnsichtigen, Betrüg- 
liehen, Untreuen, Feigen und 
Kleinmüthigen. 

iiute Sitten. 

Einen Neidischen, Zornigen, LO- 
genhafften, Plauderenden, Furcht- 
samen und Oeitzigen. 

Den annahenden Tod. 



Einen Betrüglichen, Ungetreuen, 
Unmässigen, Unverschämten, 
Treulosen, Verrätherischen. 

Einen Trutzigen, IMörderischen, 
Heimtijckischen, und allerley 
Schelmstücken Nachsinnenden. 

Einen Muthigen, Standhafften, 
Oelehrsamen, Sinnreichen, aber 
dabey Schamhafften und etwas 
Genauen. 



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- 28 - 



So schlecht-hin dunckel 
So dunckel und trucken. 



So sehr klein und unanständig. 



So sehr klein und von wegen 
der Augenlieder fast gantz zu- 
geschlossen, und zwar natOrUcher 
Weise, welches auch bey andern 
zu beobachten. 

So klein und schön auch wohl- 
anständig. 

So klein mit kleinen Augäpfeln. 

So klein und schwartz-braun. 
So klein und niedergeschlagen. 
So klein und schwach. 



So klein, bew^lich und fip- 
pemd. 

So klein, rundlicht und einen 
bleichen Angesicht 

So klein, rund, schwärtzlicht 
und funcklend. 

So klein und runtzlicht. 



So klein und zitierend anbey 
auch weisslicht. 



Einen Unverschämten. 

Einen Ungetreuen, Ungevvis- 
scnhafften, Verleumderischen, 

Stoltzen und Eiteln. 

Einen Verschlagenen, Neidi- 
schen, Bosi^liafftigen, Rissigen, 
Diebischen, Oeitzigen und Hin- 
derlistigen. 

Einen bald zum Zorn Geneig- 
ten, Betrüglichen, Ootttosen, 
Blutgierigen, Verschlagenen, ab- 
sonderlich so die Augbrauen star- 
tzend, dick und zusammlauffend. 

Einen Getreuen, Blllichkeit-Lie- 
benden, sittsamen, Frommen, und 
etwas an sich haltenden. 

Einen Geitzigen, Betruglichen, 
Verschlagenen, und einer verbot- 
tenen Lieb Nachhängenden. 

Einen Ertzbösswicht. 

Einen Bösen und Oeitzigen. 

Einen Knechti8chen,Verschwen- 
derischen, nicht gar zu wahr 
Redenden und nicht gar zu Ge- 
treuen. 

Einen Betrüg-h'chen, Neidischen 
und Crtzbösshafftigen. 

Einen Ungetreuen, Lasterhaff- 
ten, Auskundschafftenden und 

Bösen. 

Einen so Böses im Sinn hat 

Einen Bosshafftigen, Uebel- 

wollcnden, Verschlagenen, auf 
alles Böse Nachsinnenden und 
Schmeichlcnden. 

Einen Unbiliichen, Unverschäm- 
ten, Schalckh äfften, Betrüblichen, 
und von anderer Unglück und 
Elend sich Ernehrenden. 



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So klein, sehr beweglich, fip- 
perend und funcklend. 

So klein und vielfarbig^. 



So lachlend. 

So glotzend, hcrfürragend und 
dabey weiss-schiebend. 

So glotzend, herfurragend mit 
düstern Augbrauen. 

So herfürragend, unter sich 
sehen und gleichsam zusamm- 
laufen. 

So herfürragend, feucht und 
dabey mässig-gross. 

So herfürragend, gross, glän- 
tzend und doch dabey demütbig. 



So herfi'irragend, fippernd, zit- 

tercntl und bebend. 

So herfürragend und sehr be- 
weglich. 

So herfürragend und dabey 
dunckel. 

Sn fierfürragend und klein wie 
die Krebs-Augen. . 

So herfürragend, klein und feu- 
rig. 



Noch schlimmere Sitten als die 

vorige. 

Einen Schmeichler, Geitzigcn, 
Qewinnsichtigcn, anders Reden- 
den und anders Denckendcn, und 
heimlich bey dieser Schnieiche- 
iey sicli freuenden, wiewol er 
eben davon keinen Nutien hat; 
endlich bemercken sie auch einen 
sokrhen der in allen nur auf sei- 
nen Vortheil sieht, es seye dann 
dass ihn eine besoi^liche Furcht 
davon abschröcke. 

Einen Gottesfürchtigen, Oe- 
wissenhafften und Freundlichen. 

Einen Unbillichen und Unver- 
ständigen. 

Einen Thörichten, 

Einen Unbarmhertzigen und . 
Unversöhnlichen. 

Einen Orossmüthigen und nach 
hohen Ding:en Strebenden, auch 
solche Erhaltenden. 

Einen Verständigen, Billich- 

kcit-Liebcnden, Fleissigen, Ver- 
schwieg^ eacu und mit Liebe Ueber- 

häufftcn. 

Einen BetrügUchen, Losen und 

Verschlagenen. 

Einen Geilen, Verschlagenen 

und üefrässigen. 

Einen Dummen und Thorhaff- 
ten. 

Fincn Tliörichten, Tollen und 
seinen Wollüsten Nachhängen- 
den. 

Einen Unwissenden lind an 
Verstand und Leib Schwachen. 



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— 30 — 



So herfünagend, klein 
röthlicht 



und 



So herfürragend, klein und zit- 
terend. 

So herfürragend um welche 
gleichsam eine Circi.Lli ujidc Ge- 
schwulst sich herum ziehet. 

So herfürragend und blutroth. 



So herfürragend und tnickeo. 



So herfürragend und in die 
Höhe stehen. 



So sehr herfürragen und dabey 
ziemlich gross. 



So sehr herfürragen und weit 
heraus gehen. 



So gleichsam feurig. 



So gleichsam mit dem übrigen 
Gesicht lächlend. 

So auf die rechte Seite ver- 
Icehrt. 



Einen der weder Gemuth noch 
Zunge in Zaum hahen kan, an- 
bey sehr unbeständig und ver- 
änderlich. 

Einen Jähzornigen und Betrüg- 
lichen. 

Einen sehr Betrüglichen. 



Einen Gefrässigen, Vertruncke- 
nen, Schwelgenden, Spielenden, 
Zornigen, Wollüstigen, Weibi- 
schen, Stoltzen, Verleumdenden, 
Tnitzigen und Eiteln. 

Einen Vatter-Mörder, Kinder- 
Mörder und auf alle weiss Blut- 
dürstigen und mit Vergifftung 
Umgehenden auch mit allerley 
Laster und Schelmstücken sich 
Besudlenden. 

Einen Trutzigen, Unverscliäm- 
ten, Unverständigen, Oefrcssi- 
geii, Versoffenen, Schwelgenden, 
Leichtsinnigen, Stoltzen und Ei- 
teln. 

Einen Thorhallten gar zu 
Schamhafften, Schläferigen, Wdn- 
sauffenden, Qefressigen und 
Geilen. 

Sehen nicht viel, weil sie gar 
zu weit von den Gehirn als ihren 
Stammhauss entfernet 

Einen Zornigen, Ungedultigen, 

Bissigen, Unverschämten, Zank- 
sichtigen, Stoltzen und Raubgie- 
rigen. 

Einen Schmeichlenden hinder- 
rücks Ucbel-nachredenden, Geilen 

und Eiteln. 

Einen Thorhafften. 



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-al- 



so auf die linckc Seite verkehrt. 

So läclilend, offen und doch da- 
bey drohend. 

So lädilend und hohl. 



So lachlend und rund um runtz- 
licht. 

So lächlend zusammt der Stirn, 
Wangen, Augbrauen und Uppen 
beweglich. 

So lächlend und doch mit be- 
drohlichen Gesicht einen starr an- 
sehend. 



So lächlend und tröiich. 



So lächlend und feucht 



So lächlend, feucht mit nieder- 
geschlagenen Augcnliedern, lan- 
ger und biss in die Schiäff weit 
hinaus lauffenden Stirn. 

So lieblich-lächlend, und dabey 
demüthig und mässig funcklend. 

So lächlend und dabey ztemllch 
gross. 

So lächlend, unten herfür sehend 
und trudcen. 



Einen Unmässigen. 

Einen der keine gerechte Sa- 
chen für hat 

Einen Nachstellenden und immer 
etwas Schlimmes in Sinn haben- 
den und Bewerkstelligenden. 

Einen Missgönstigen, Bissigen, 
Schroelchlenden und Rachgierigen. 

Böse Gedanken, nichtswürdige 
Anschläge und böse Wercke. 

Einen so mit ungerechten Hän- 
deln umgehet, absonderlidi so 
noch bey diesen Zeichen auch 

zuweiln die Augenlieder sich 

schliessen, und wieder jäh von- 
einander gehen; sinternahl man 
hieraus abnehmen kan, dass er 
schlimme Sachen in Oedaucken 
faiire. 

Einen Betrüger, alles heimlich 
und bosshafftig unternehmenden 
und ausführenden. 

Einen so von keiner Liebe 
weiss, der anbey unverschämt, 
unversländig, unmässig, unerfah- 
ren und eitel 

Einen Wohlgesitteten, Biliichen, 
Freundlichen, Gastfreyen, Ver- 
ständigen, Besträtfaigen, Wohl- 
wollenden, und mit Lieb und 
Oütigketf Angefüllten. 

Einen Biliichen, Sanfftmütigen. 
Frommen, Verstandigen, Fürsich- 
tigen und Warhafftigen. 

Einen Dummen, Wollüstigen, 
Unverständigen und Thorhafften. 

Eine aeusserste Bossheit 



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— 32 — 



So lächlend, sehr aufgesperrt 
und froelich. 



So roth wie glühende Kohlen. 

So rotfa und mit erhörteten 
Thränen. 

So röthfich und ziemlich groiss. 



So beweglich und scharf sehen. 

So sehr beweglich und dabey 
dunckeL 

So sehr beweglich mit denen 
Augliedern. 

So sehr bew^üch mit starren 
Augliedern. 

So sehr beweglich, aber dabey 
sehr übel beschaffen, so dass sie 
bald still stehen, bald herum- 
lauffen. 

So in Creiss einförmig herum- 
lauffenden und sich bewegen. 



So sich mittelmässig bewegen. 

So geschwind hin und her 
lauffen. 



Einen heimlich Nachstellenden, 
mit Schehnenstücken schwanger 
gehenden, absonderlidi wann die 
Augen trucken. 

Einen Hartnäckichten, Boss- 
hafften und Lastern-Ergebenen. 

Einen Jähzornigen, Grausamen, 
Untreuen, Unverschämten und 
VerdrüssUchen. 

Einen Herrschsichtigen, Fres- 
senden, Sauffenden, schändlich 
Redenden, sehr Wolltistigen und 
Eiteln. 

Einen Diebischen, Heimtücki- 
schen und äusserst Lasterhafftea 

Einen Geilen, WotlQstigen und 
Thorhafftigen. 

Einen dem Oemüth nach Ohn- 
mächtigen. 

Einen Fest-Vertrauenden und 
in wichtigen Sachen Verwegenen. 

Einen zu allerley Lastern 'und 
bösen Geneigten Menschen. 



Einen Bösswicht, Lasterhafften, 
Vergifftenden und Knaben-Schän- 
der; wann aber die Augen bald 
sich drehen, bald wieder zurück 
lauffen, bald still stehen, so sind 
sothanige Bubenstück noch nicht 
begangen, sondern sind nur noch 
in Gedanken und Gemüth. 

Linen Gut-Gearteten. 

Einen Verwegenen, Jähzorni- 
gen, Unbeständigen, Verwasche- 
nen, Lägenhafften, Ungetreuen, 
Zwey-Zünglichten, Betrflglichen, 
Aufrührlschen, Argwöhnischen 
und Oteln. 



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- 88 — 



So ziemlich bevr^lich aber da- 
bey rötblicfat 



So ziemlich beweglich und 
gleichsam gantz trüb. 

So sich langsam bewegen. 



So trudle n. 

So sich nicht «sonderlich be- 
wegen, sondern stillstehend, 
weisslich-schielend und trüb. 



So stillstehend und feucht. 
So stillstehend und blintzlend. 

So stillstehend und bleich. 

So stillstehend, bleich und 
trucken. 

So stillstehend, Idein und feucht, 
mit aufgezogener Stirn und be- 
weglichen Augliedem. 



So stillstehend, klein und her- 
fürragend, und in der Mitte hinzu 
Stirn und Augbraunen zusamm- 
runtzeln. 

Selignann, Augeadiagno^e. 



Einen Hertzhafften, Muthigen, 
Wollüstigen, Verschlagenen, 
Leichtsinnigen, Wein-Liebenden 
und Ehrgeitzigen. 

Einen Ungetreuen der mehrers 
verspricht als hält, und dabey 
Argwöhnischen. 

Einen der etwas mit grosser 

Schwührigkeit bcpiinnt und lang- 
sam damit fortfähret, anbey faul, 
furchtsam und hartnäckigt; so 
aber die Aupfcn dabey scharf 
sehen sollten, würden sie einen 
Neid, Bossheit, und Zancksicli- 
tigkeit andeuten. 

Einen Bosshafften und Schel- 
mischen. 

Einen Verwegenen und den 
man als keinen Freund, Nach- 
barn und Reiscgcfehrten verlan- 
gen soll, anerwügen er heim- 
tückisch, und nur auf ander Leut 
Unglück passt 

Einen Furchtsamen. 

Einen Un\ erschämten, Zorni- 
gen und Eiteln. 

Einen Dummen und Albern. 

Einen Thorhafften, aber von 
bösen Sitten und Oemüth. 

Einen Tiefsinnigen, Sinnreidien, 
Qelehrsamen, aller Wissensdiafft- 
Liebhabern, und zu deren Erler- 
nung äusserst Begierigen, der 
Natur Nachgründenden, und in 
Warheit Frommen, 

Einen sehr Geitzigen und 
äusserst-Oewinnsichtigen. 



3 



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34 — 



So stillstehend, klein und her- 
fürragend, auch Stirn und Augen- 
brauen zusammziehcn. 

So schlecht-hin stillstehen. 

So stillstehen und einen starr 

ansehen. 

So .stillstehen und röthlichi 



So stillstehen, sehr roth, gross 
und unter sich sehen. 



So stillstehen, die Augbrauen 
in die Höhe, ziehen, und gleich- 
sam den Geist gantz in sich hin- 
ein halten. 

So funckein/ anbey weisslichtr 
blau und mit etwas Blut unter- 
lauffen. 

So funckein tief in den Kopf 
liegen und klein. 



So funckein und braun-roth. 



So funckein und feucht wie 
Wasser. 



Einen sehr Zornigen, Jähen. 



Einen Dummen und in vollen 

Oedancken wie der Hund in 
flöhen sich befindenden. 

Der Liebe Hefftigkeit. 

Einen Fresser, Sauffer, Huren- 

hen|:^st, Knabenschänder, jäh sich 
Erzürnenden doch gleich wieder 
Nachlassenden , Ungedultigen, 
Stoltzen, Zänckischcn, Eiteln, ab- 
sonderlich so benebst diesen Um- 
standen die Augen auch gross. 

Einen Unbillichen, Unverschäm- 
ten, der sich nicht zu ratheii und 
zu hetffen weiss, und dabey sehr 
eitel. 

Einen Lastcrhaiften, Unbe- 
dachtsamen, Unbarmhertzigen, 
Stoltzen, Bosshafftigen, Ungedul- 
tigen und Jähzornigen. 

Einen in seinen Thun und Vor- 
haben sehr Eifrigen, und aller- 
ley Unternehmenden, so dass er 
nicht weit von einer Raserey. 

£inen Verschlagenen, Neidi- 
schen, Heimlich-Nachstcllcnden, 
Sdimeichlendcn, nach allen Begie- 
rigen, an Dirbstahl sich Belusti- 
genden und I rut/igen, absonder- 
lich so die Augen trucken. 

Einen Furchtsamen, dann in- 
dem er sicfi für allen Sachen fürch- 
tet, hält er auch alles vor ver- 
dächtig. 

Einen Frölichen, Wohlgezoge- 
nen, aber dabey etwas Wollüsti- 
gen und Verschwenderischen. 



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— 36 - 



So funckeio, feucht und scheel- 
sehend. 



So funckein und sehr beweg- 
lich. 

So da mittelmässig funckein. 
So funckein und dabey scfawartz. 



So funckein, schwartz und läch- 
lend. 

So fundceln, anbey starre und 
harte Augbrauen und in die h5h> 
stehende Augenlieder haben. 

So funckein aber auf widrige 
weiss als efsterwehnt beschaffen, 
anbey auch das Aussehen trulzig. 

So funckein und trucken. 

So fimckelri, demüthig und 
gleichsam in Wasser schwimmend 
aussehen. 



So ungemein funckein und 

giäntzen. 

So funckein und gleichsam Lust 
und Lachen andeuten. 

So etwas schielend, trucken, 
ziemlich offen und nicht zitterend. 

So etwas schielend, trucken, 
ziemlich offen und zitterend. 

So roth und feucht. 



Einen Tapfcrmüthigen, Zorni- 
gen, Wütenden, in seinen Ver- 
richtungen Eilfertigen und Ver- 
wegen, Unhöflichen. 

Einen BttruLOichen, Diebischen, 
Bosshaf fti gc n, V er rätherischen. 

Einen Geilen. 

Einen Oeitzigen, Oewinnsichti- 
gen, Neidischen, Bosshafftigen, 
Bissigen, Kleinmfithigen undVer- 
sdilagenen. 

Der zu aller Schändlichkeit ge- 
neigt 

Eine TapfermfiHiig^eit in der 
That 

Einen überaus Schlimmen und 
Ertzbösswicbi ' 

Einen Bösen und mit alieriey 
Lastern Befleckten. 

Einen nacli Geld und Gut 
äusserst Begierigen, mit Recht 
oder Unrecht solches an sich 
Ziehenden, Neidischen, Betrüg- 
Uchen, Bosshafften, Bissigen und 
Hartnäckichten. 

Einen grossen und sehr schhm- 
men Betrüger und Dieb. 

Einen noch viel Schlimmem. 

Einen Schamhafften und Btlfi- 
chen. 

Einen sehr Verwegenen und 
Bosshafftigen. 

Einen zur Venus und Bachus 
Lust Geneigten. 

3* 



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- 36 — 



So roth und trucken. 



So roth und gleichsam das 
gant/e Weisse in Aug mit Blut- 
Aederlein angefüllt. 



So zitterend und blintzlend. 

So in die Höhe gehen und 
bleich. 



So schlechthin in die Höhe 

4 

gehen. 

So in die Höhe gehen, und 
roth, anbey auch gross. 



So eines nur in die H(jhe, das 
andere aber liinunter gehet, anbey 
zitterend 

So in die Höhe gehen und zit- 
tern. 

So niedei^geschlagen und de- 
müthig. 



So scheelsehend, braun mit blu- 
tigen oder goldfarben Flecken, 
Überzwerg sehend, doch aber 
nicht schielend. 



Einen Verwegenen, Hitzigen, 
Unbezähmüchen und zum ^orn 
sehr Geneigten, Betrüghclien, 
Trutzigen und Eiteln. 

Hieher ist zu ziehen, was wir 
schon oben von denen Blut- 
Aederlein in den weissen des 
Augs angemerckt, nur die Wcin- 
und Venus-Ueb Jean noch beyge- 
röckt werden. 

Einen Unbillichen. 

Einen Gottlosen, Unfreund- 
lichen, Mörderischen, Neidischen, 
Bösen, Wilden, absonderlich so 
sie anbey etwas röthlicht, trucken 
und zitterend. 

Einen Dummen, Fressigen und 
schlattrigen Wanst. 

Einen grossen Fresser und 
Säuffer, der anbey geil, schädlich, 
stoltz, eitel, aufgeblasen, un/iieh- 
tig redend, schreiend, Scheltend, 
hingegen mit Jagd, Hunden, Mu- 
sicanten und Spielen sich belusti- 
genden und rasenden. 

Einen der auf die Letzt das 
Fraiss und die Schwehre-Noth 
bekommen wird. 

Einen der von besagter Schwe- 
ren-Noth nit fern. 

Eben das, wns die so in die 
Höhe gehen, doch etwas mch- 
rers Grausamkeit, Beschwerlich- 
keit, unversühiilichen Hass und 
Zorn, und bäurische Sitten. 

Einen Lasterhaff ten und Rau> 
berischen. 



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- .37 — 



So traurig mit zusammge- 
runtzelter Stirn, tiefen Nachsin- 
nen und geraden Augliedern, 

So traurig, mit zusammgezoge- 
nen Augbrauen und sauer-sehen- 
den Stirn. 

So iraurig und feucht 



So traurig, feucht, mit mun- 
terer Stirn und die Augen be- 
deckenden Augbrauen und best- 
beschaffenen Augbrauenv 

So traurig und bleich. 

So traurig und trocken. 

So trüb und däster. 

So trutzig. 

So mancherley Färb und gross. 



So fipperend, blintzlend und 
rundum geschwollen. 



So fipperend, blintzlend und 
dabey gross. 

So fipperend, blintzlend und 

klein. 

So fipperend, blintzlend und 
gleichsam in die Höhe springend. 



Bäurisches und grobes Unter- 
fangen mit den allerschlimmsten 
Neigungen, grausamen Anschlä- 
gen und Lasterhalften Beginnen; 

Einen Getreuen, Billichen, From- 
men, Verständigen, heilsamen 
Rath Ertheilenden und Warhaff- 

tigen. 

Einen Tiefsinnigen, Fürsichti- 
gen, Klugen, den besten Künsten 
Nachhängenden, und selbige Er- 
lernenden. 

Ein treues Qemöth, so gütig 
und gravitätisch. 

Einen Dummen. 

Einen Schädlichen. 

Einen Furchtsamen. 

Einen Bedrohenden und grau- 
samer Natur. 

Einen Wollüstigen, Neidischen, 
Vcrloncnen, Plauderhafften und 
Geilen, Zänckischen, Verführi- 
schen und Eiteln. 

Einen Unangenehmen, Gefräs- 
sigen und alles durch die Gurgel 
jagenden, getreuen Rath wenig 
anhörenden, mit Musicanten und 
Tanzen sich Belustigenden, Gei- 
len und Wilden. 

Einen Leichtsinnigen, der Geil- 
heit Ergebenen, Dummen und 
Thörichten. 

Einrn HM triiglichen, Unmensch- 
lichen und Plauderenden. 

Einen Ertzbösswicht 



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- 88 — 



So fipperend, bUntzlend, in die 
Mölie springend, gross, funcklend 
und feucht 



So fipperend, blintzknd. 

So öffters das Gesicht auf eine 
Person richten; und wann ein 
Mensch, der auf solche weiss 
einen anstehet, wieder angesehen 
wird, und daräber erschrickt und 
erröthet, und noch dazu wider 
seinen Willen seuffzet und der 
Thränen sich nit enthalten kann. 



Einen grossen Geist und die 
höchste Dinge unternehmendes 
Oemüth, so aber doch dabey zor- 
nig, geschwind, ungedultitj und 
zuweilen berauscht, auch von der 
Fraiss nicht fern, und mehr als 
alle Menschen fuhmredig. 

Einen Ungerechten, Untreuen, 
Unverschämten. 

Einen der der Liebe nachhän- 
get, sich aber dabey fürchtet; 
wann es aber auf widrige weiss 
beschaffen, wird er neidisch sein, 
und andere verachten. 



Wer sich die Arbeit nicht verdrießen läßt, diese langen und 
langweiligen Tabellen etwas näher durchzusehen, der wird in ihnen 

alle die Zeichen wiederfinden, die uns schon aus der Geschichte des 
bösen Blickes her bekannt sind; nur bedeuten sie hier nicht allein 
Neid und Mißgunst die hauptsächlichsten Charaktereigenschaften 
der mit dem bösen Blicke Behafteten — sondern daneben auch 
Fehler aller Art, wie: Arglist, Argwohn, Armut, Besessenheit, Be- 
stechlichkeit, Betrugerei, Bissigkeit, Blutgier, Blutschande, Bösartig- 
keit Bosheit, Dieberei, Dürftigkeit, Dummheit Ehebruch, Ehrgeiz, 
Eitelkeit, Ehrbsigkeit, Faulheit, Feigheit, Furchtsamkeit, OefnUiig- 
keit, Geilheit, Geiz, Gewinnsucht, Giftmord, Gottlosigkeit, Grau- 
samkeit, Heimtücke, Hexerei, Hochmut, Jähzorn, Kirchenraub, Klein- 
mütigkeit, Knabenschändung, Kühnheit, Lasterhaftigkeit, Lastersucht, 
Leichtsinn, Lügenhaftigkeit, Meineid, Mißgünstigkeit, Mordsucht, 
Mutwillen, Nachstellung, Narrheit, Naschhaftigkeit, Neugierde, Nichts- 
würdigkeit, Rachgier, Raserei, Raubgier, Roheit, Schalkhaftigkeit, 
Sclieltsucht, Schläfrigkeit, Schmeichelei, Schwadiheit, Schwäche, 
Scbwatzhaftigkeit^ Schwelgerei, Selbslbefleckung, Spionage, Spott- 
sucht, Stolz, TollkOhnheit, Torheit Treulosigkeit Trunksucht yroAz, 
Überhebung, Unbedachtsamkeit, Unbeständigkeit, Unbilligkeit, Un- 
freundlichkeit, Ungelehrtheit, Ungewissenhafägkeit, Ungezogenheit 
Unmäßigkeit, Unmenschlichkeit, Untreue, Unverschämtheit, Unzuver- 
lässigkeit, Venusdienst, Verleumdung, Verlogenheit, Verräterei, Ver- 
schlackt nheit, Verschwendung, Verwegenheit Weibischkeit Wildheit 
Wollust, Wut Zanksucht Zorn. 



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- 39 — 



Aufier diesen Lastern und Fehlern konnte man auch einige 
gute Eigenscliaflen aus den Augen lesen, so: Akkuratheit, Anmut, 
Anstand, Arbeitsamkeit, Aufmerksamkeit, Beredsamkeit, Ehrgeiz, Ehr- 
hchkeit, Fleiß, Folgsamkeit, Freigebigkeit, Frcuadiichkcit, Friedfertig- 
keit, Frommiieit, Gastfreiheit, Oelehrsamkeii, Gerechtigkeit, Gottes- 
furcht, Großmut, Güte, Höflichkeit, Kinderliebe, Klugheit, Kühnheit 
Kunsteinn, Langlebigkeit, Uebenswürdigkeit, Mut, Sanftmut^ Scham- 
haftigkeit, Sitte, Starke, Tapferkeit, Tiefsinnigkert^ Treue, Tilgend, 
Verliebtheit, Verschwiegenheit, Veiständigkeit, Vornehmheit, Wahr- 
haftigkeit, Wissenschaftlichkeit, Wohlgezogenheit, Zuverlässigkeit. 

Von allen Zeichen der mittelalterlichen Ophthalmoskopie inter- 
essieren uns am meisten diejenigen, denen wir in der modernen 
Aiij^cndiagnose — wenn auch in anderer Bedeutung — wieder be- 
gegnen. Das sind hauptsächlich die Farben der Iris und die farbigen 
Flecke, die in der Regenbogenhaut m )rki uTinien. Die Bedeutung dieser 
Zeichen ist nicht bei aiien Autoren die gleiche; wir wollen uns aber 
hier nidit mit den versdiiedenen Abweichungen 'aufhalten (cf. auch 
die physiognomischen Tafeln), sondern nur das wiedergeben, wa» 
ein besonders Sadiverständiger bi dieser Sache, /oh. Praetorius, 
sagti) 

Ist die Farbe blau*), glaucus, entweder wie Eisengrau, daß sie 
hell und weiß erscheint, bedeutet Furchtsamkeit, wie in den kleinen 
Kindern zu sehen, oder ist etwas gelblich, bedeut ein grobes 
wildes und grausames Gemüt; oder grünliches, bedeut eine 
Taptferkeit und Stärcke des Leibes. Sind sie Caesii blau, und haben 
keine Aug-Aepffel, bedeut einen verschlagenen, durchtriebenen und 
kargen. Sind sie Caerulei, wie der Himmel, bedeut viel Feuchtig- 
keit, scheinen sie wie feuchte zu sein, bedeut einen betrfiglichen und 
kargen. Schwartze Augen bedeuten furchtsame, doch wohlgezogene 
Gemüter. Schwärtzliche oder braun-dunckle Augen bedeut einen 
dummen und einfältigen, dergleichen zu sehen ist an den Schaffen, 
Oelbe, dunkel rote, fulvi und helle Augen bedeut einen starck- 
grossmütig und behertzten. Augen, die da gleichen den Ziegen- 
Augen, bedeut ein scharfes Gesicht und gute Sitten. Rötliche 

*)Job. Praetorius. CollegiaiR curiosum prlvattssimum physlogn.- 
chiromant-metoposcop.-anthropologlcum. Frankfurt und Leipzig. 1713. — 

cf. Joh. Bapt. Porta. De humana physiognomia. Hanoviae. 1593- — Joh. 
Jac. Höpinr. Institutlones chironianticae. Jena 1674. — Helvetius. Am- 
phittieatruni physiognomiae medicum. Heidelberg 16äü. u. A. 

^ Aristoteles kennt schon 3 Augenfarben: Nigrom, die schwarze; 
Caesium, die blaue, Caprinum, die der Farbe der Zlegenattgen glekhi Än- 
dere fflgen noch hinzu Ctiaropum, die schwarzgelbe, die In den Augen der 
LOwen, der Geier und der Adler zu sehen ist 



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— 40 — 



Augen, als wären sie mit Blut uaterlauffen, je trockener sie schei> 
nen, je grössere Indination zum Zorn zeigen sie an. Scheinen sie 
aber feuchte oder nass, wird der Natus gerne sauffen; recht feurige 
Augen bedeuten einen unverschemten. 

Der Orbis oder orbiculus, welcher umgiebet die Pupillam, hält 
oftermahls in sich kleine Fl eck lein wie Sand-Körnlein oder Stein- 
lein. Sind sie nun wcisslich oder schwärtzlich, rötlich oder 
wie Blut, bedeut grosse Laster, Betrug', List, Neid und Lügen, ja 
Indination zur Verrätherey und Todschlag. Sind sie rötlich in 
schwartzen Augen, niöcht er wohl mit üil'ft umgehen oder Mord- 
Oedancken. iSind sie blass in schwartzen Augen, Betrügercy. Blass 
und blaulicht in grossen Augen, Grausamkeit und Dieberey. Sind 
sie vi er eck igt und leuchten herfür wie Feuer, wurd der Mensch 
wild und blutdürstig sein. 

Selbst der Circkel ist unterschiedliche Farbe, ein weisser be- 
deut einen furclitsamen und schwachen. Ein rötlich wie Blut und 
feuriger bedeut Klugheit, Gerechtigkeit und starcke Liebe wieder die 
Seinen. Ist der unterste Creiss graulicht, der Oberste schwärtz- 
lich, bedeut ein unverschämtes Gemüt, und Excessum Veneris. Siebet 
er aus wie ein Regenbogen, bedeut in trockenen Augen grosse 
Zuneigung zum Zorn, Schwelgerey und Venere; in feuchten guten 
Verstand, Tapfferkeit und Orossmütigkeit 

Diese Art von Augendiagnostik war noch eine unschuldige Spie- 
lerei und genau so bedeutnnjgslos wie die später daraus entstandenen 
schönen Verse: 

Der Augen Bläue 

Bedeutet Treue 1 

Ein graues Auge, 

Ein sehhuies Auge! 

Auf schelmische Launen 

Deuten die Braunen! 

Doch der schwarzen Augen Gefunkel 

Ist, wie Gottes Wege, dunkel. 

Die Sache bekam erst ein anderes Ansehen, als man sich nicht 
mehr damit begnügte, nur Charaktereigenschaften aus den Augen 
herauszulesen, sondern als man anfing, das Auge auch als Re- 
gistrierapparat für die Krankheiten des Körpers zu betrachten. 

Wie der Schäfer Ast in Radbruch bei Hamburg noch heutzutage 
die von ihm untersuchten Haare seiner Patienten in Regionen 
einteilt, und daraus den Sitz der angeblichen Krankheit diagnostizier^ 
so teilte man im Zeitalter der Ophthalmoskopie zu demselben Zwecke 
schon sämtliche Glieder des Körpers in solche Abteilungen ein. 



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41 — 



Die Stirn mußte es sich gefallen lassen, entsprechend den 7 Planeten 
in 7 Reg^ionen zerlegt zu werden; um aus den Stirnfalten alles Mög- 
liche zu diagnostizieren. Um die Warzen und Flecken des Ant- 
litzes zu deuten, wurden die Stirn, die Backen, die Nase und Ohren 
in je 3 Regionen zerlegt: daraus erkannte man die Krankheiten der 
verschiedenen Körperteile. In ihnlicher Weise teilte man auch die 
Arme, Schenkel und Nägel der Hand in 3 Teile und diagnostizierte 
aus ihren verschiedenartigen Fledcen die Krankheiten. 



So war es denn auch unausbleiblich, daß die Augen dieser all- 
gemeinen Einteilungswut zum Opfer fnüen mußten. Da die farbige 
Regenbogenhaut schon für die Fehler der Seele verq:eben war, so 
blieb nur noch das Weiße des AiifTes für die Fehler des Körpers 
übrig. Demgemäß teilte man dasselbe in vier Regionen i). (Fig. 1.) 

Der oberste Theil (Num. 1) hat den Kopff. Weil nun der 

') Philipp! Meyens Chiromantia medica, mit einem Anhang von 
den Zeichen auff den Nägeln der Finger, nebenst etnem TractäUein von der 
Physiognomia medica. Dresden 1670. 





Fig. 1. 

I. Chiromantia et Ptaygiogoomia medica. 
OKtdcD 1670. p. 181.) 



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_ 42 — 



Magen mit ihme eine grosse Verwandnüss, werden auch alle Kranck- 
heiten aus den Magen herrührend inwendig der Augen gefunden. 

Die rechte Seite der Augen (Num. 2) zeiget an den Zustand 
aller Gliedmassen, welche inwendig im Leibe auif der rechten Seite 
liegen, als die Leber, die rechte Brust, und das Geäder. 

Aus der linken Seiten der Augen (Num. 3) können aller Olied- 
massen, so auff der lincken Seiten inwendig liegen, alss des Hertzens, 
der Lincken Brust, das Miltz und das kleine Oeader, Gesundheit 
und Kranckheiten abgemercket werden, ingleichen können alle Kranck- 
heiten die von Hertzen kommen hier gefunden werden, absonderlichen 
Mattigkeit des Hertzens oder Ohnmach, ingleichen zitternde Glieder. 

Solches alles recht zu unterscheiden, muss man betrachten, 
wie die bösen Zeichen liegen, als liegt es nahe bey dem Augapffel 
(d. h. Hornhaut), wird es die Brust und die Lungen betreffen, auff 
der Seithen das Hertz; so tieff das Miltz und das kleine üeäder. So 
nun auf der linken Seithen ein rother Strich von unten biss zu den 
mittelsten Theil des Auges gehet, wird man unfehlbar schllessen 
können, dass eines sokihen Menschen Miltz nicht gut sey, und dem 
Hertzen Mattigkeit und Betrfibnüss zufüge, desto grösser ist die 
Bedeutung wann überal die harmonir c^efundcn wird. (Man muss 
diese in der Vitali (Lebenslinie) und Saturnina i) [Qlückslinie], als 
in beiden Händen wohl suchen, desgleichen auch die Linien vorm 
Kopff nicht vergessen.) 

Das unterste Theil der Augen (Num. 4) hat die Genitalien, 
als Augen, Nieren und Gedärme, woraus die Colic, Gelbsucht, der 
Stein, die Kranckheiten von der Gall, und Venerische Kranckheiten 
zu finden sey. Bey dem Frauenvolck, Mutterbeschwerung, Unge- 
mach oder grosse Schmeiteen, wann sie schwanger gehen in der 
Oebuhrt einen harten Zustand; oder gar den Tod, wann unglückliche 
Zeichen allhier all zu gross befunden werden. 

Diese Zeichen bestehen aus Adern, Blutstriemen und Flecken. 

Wenn in den Augen allzuviel Striche und Flecken, bedeuten 
einen ungesunden Menschen an dem gantzen Leibe. 

Rothe Linien oder Flecken bedeuten hie/iges üeblüth. 

Weisse Flecken zeigen an wasscriche;s Geblüth. 

Die Augen, so sie innwendig überal blaulicht seyn, bedeuten 
scharbockisch Oeblfith, bey gesunden und im Ehestand lebenden 
Frauen, ingleicben auch bey etlichen vermeinten Jungfern, wird es 
anzeigen, dass sie schwanger seyn. 

Gleichfalls bedeuten auch blau und ädrige Adern, Venerische 
Kranckheiten, auff welcher Seithen das Geäder oder Blaue sich am 



^) Ausdrucke der Chiromantie. 



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stärcksten sehen lasset, auf! selbiger Seiten des Leibes wird die 
Kranckheit am stärcksten seyn, doch ist am stärcicsten solches im 
untersten Theil der Augen zu finden. 

Diese köstliche Aujrendiagnostik hat schon zu ihrer Entstehungs- 
zeit viele Gegner gefunden, die nicht rrlmhen wollten, daß „dadurch 
eine schwache Natur bedeutet werde", .soiiÜLTn die da vermeinten, 
„dass die Linien und Adern in den Augen radii solares weren, welche 
ungemein Glück mit sich brächten". „Es ist doch zu vemrandem," 
fügt der überzeugte Anhäi^er seiner Kunst höchst bezeichnender 
Weise hinzu, „dass doch so viel fürnehme und gelehrte Leute an- 
gerührter Meynung haben können beypflichten, da doch die Schäffer 
ihrer Schaaffe Kranckheiten hieraus zu urtheilen pflegen, auch also 
in der That an den verstorbenen Schaaffen befunden wird/' 



Kapitel II. 

Die moderne Augendiagnose im Lichte 
der Wissenschaft. 

An diese Weisheit der Schafhirten glaubte man zu einer Zeit, 
wo eine Frau mit roten Augen als des bösen Blickes verdächtigt 
wurde, wo Inqiusitionsgerichte und Folter unendliches Leid über 
Land und Leute brachten, wo unmenschliche Pfaffen Tausende von 
Unschuldigen dem flammenden Scheiterhaufen fiberlieferten. 

Gott sei Dank, daß diese Zeiten vorbei sind, möchte wohl man- 
cher in seiner naiven Unkenntnis der Gegenwart denken! Gewiß, 
Hexen werden nicht mehr verbrannt, und Inquisition und Folter 
sind — wenigstens in Deutschland — abgeschafft, aber der wüsteste 
Aberglaube und Betrug auf dem so überaus wichtigen Gebiete der 
Gesundheitspflege blüht und gedeiht und treibt von Jahr zu Jahr 
ungeheure, neue, mißduftende Blüten. 

Was wir bisher Über die mittelalterUdie Ophthalmoskopie ge- 
sagt haben, war nur ein kleiner Anfang, ein Grundstein zu dem 
ungeheuerlichen Gebäude von Unwissenheit, Dummheit, Oberhebung 
und Betrug, das die neueren Baumeister, die sich mit der „Diagnose 
aus den Augen" bodiäftigen, daraus gemacht haben. 

Besagte Herren verstehen darunter eine neue Methode, den Ge- 
sundheitszustand eines Menschen oder eines Tieres durch Beobach- 
tung des Aussehens der Regenbogenhaut zu erforschen. Wir armen 
Ärzte sind wahre Stümper gegen diese gescheidten Herren! In jahre- 
langem Studium erwerben wir uns die schwierige Kunst, mit Hilfe 
des von Helmholtz vor etwa 50 Jahren erfundenen Augenspiegels 
das Innere des Auges zu erkennen und daraus, soweit es möglich is^ 
Sdilfisse zu ziehen. Alles dieses haben die Augendiagnostiker nicht 
nötig. Ihre Kunst ist so einfach, daß der größte Tölpel sie schon in 
einigen Tagen erlernen kann; der halbwegs Intelligente begreift sie 
in ebensoviclen Stunden ; und der Arzt, der gewohnt ist, mensch- 
liche Augen zu betrachten, kann sie mit Hilfe einer Tabelle sofort 
ausüben. Diese Kunst ist absolut nicht die Folge einer mystischen 



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— 45 — 



Betrabtingf, sondern jeder kann sie erlernen, und gewisse moderne 
Augendiagnostiker geben sogar Müttern und IZrzieliern den Hat, sich 
dieselbe an/ueig^nen, um sie zum Wohle ihrer Kinder und Zöglinge 
auszuüben. Sic soll nicht das Privilegium einiger Ausersvählten 
bleiben, sondern soll Eigentum des ganzen Volkes werden. Wer 
einigermaBen in dieser Kunst bewandert ist, der soll es fertig 
bringen, in weniger ab einer halben Minute sämtliche Krankheiten 
des Körpers aus dem Auge herauszulesen. Er braucht einfach die 
Augen des sich ihm anvertrauenden Patienten mit bloßem Auge 
oder mit Hilfe eines Vergrößerungsglases und einer Küchenlampe 
anzusehen, und sofort weiß er, an welchem Leiden der Betreffende 
erkrankt ist. Besonders geschickte Diagnostiker sind auch imstande, 
aus dem Betrachten der Augen eines Menschen die Krankheiten seiner 
Vorfahren und seiner Naclikommen zu erkennen. Mehr kann man 
dodi von einer Kunst wahrlich nicht verlangen! Sehr erfahrene 
Künstler verschmähen bei der Betrachtung der Augen jedes AuBen- 
licht, sie halten die gekrfimmten Hände vor die Sterne des Patien- 
ten und untersuchen die „heliodisch" strahlenden Augen im Uchte 
ihrer F l c n trnliiung.i) Doch dieses soll nicht für Anfänger sein, 
und deshalb wollen wir darüber kurz hinweggehen. 

Rovor wir es nun unternehmen, /um Nutzen und Ergötzen des 
denkenden Lesers den haarsträubenden Blödsinn zu schildern, der 
von den Herren Augendiagnostikern zu einem förmlichen System 
ausgebaut ist, dürfte es zu besserem Verständnis angebracht sein, 
mit kurzen Worten das zu sagen, was der erfahrene Arzt wirklich 
aus der genauen Untersuchung der Augen erkennen kann. 

Wir wollen hier nicht von den Augenkrankheiten als sokhen 
reden, sondern nur von den Schlüssen, die sich aus gewissen 
Veränderungen des Augapfels auf andere Krankheiten des Körpers 
ziehen lassen. Noch bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts be- 
hielt die alte Beersche Auffassung ihre Geltung: „Alles, was auf 
das Gan/e wirkt, wirkt auch auf den Teil, und alles, was auf den 
Teil wirkt, muß auch auf das Oan/e wirken; daher auch alles, was 
aui den Ürganismus eines Individuums einwirkt, niemals ohne alle 
Einwü^ung auf das Auge bleiben kann, und so umgekehrt" 

Heutzutage hat man längst eingesehen, daß dieses viel zu weit 
geht, und daß es absolut nicht angeht, bei jeder - Körpererkrankung 
auch ein Zeichen davon in den Augen finden zu wollen. Dennoch 
bleibt eine große Anzahl von Körper- und Organleiden bestehen, 
die im innigsten Zusammenhange mit dem Auge stehen, und die 



Carl Huter. Menschenkenntnis durch Körper- und Qesichtsaus- 
druckskunde. Arminius- Verlag. Detmold und Leipzig 1904/06. 



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sich häufig schon früher aus dem Augenbefunde erkennen lassen, 
als der Patient etwas von seinem Leiden ahnt 

Hier sind in erster Linie Nierenentzündung und Zudcerham- 
ruhr, Nerven- und Qeistesefkrankungen zu nennen. Der Patient weiß 

noch nichts von einer derartigen Krankiieit; eine geringe Seh Störung 
oder eine geringfügige Pupillenveränderung veranlaßt ihn, sich die 
Augen von einem Arzte untersuchen zu lassen, und dabei erfährt 
er zum ersten Male, daü seine Au^enerkrankung nur ein Symptom 
einer andern Allgemeinerkrank iinp ist. Es sind ferner die zahl- 
reichen Konstitutionsleideii, wie Skrophuluse, üicht, Bluterkrankun- 
gen, Basedowsche Krankheit, ferner die akuten Infektionskrankheiten 
und Vergiftungen, Erkrankungen des Herzens, der Atmungsorgane, 
der Ohren, der Verdauungs- und Geschlechtsoiigane, Hautkrank- 
heiten usw., die mehr oder weniger große Veränderungen in den 
Augen hervorrufen. 

Zum kleinsten Teile machen sich diese Krankheiten auf der 
Oberfläche des Auges bemerkbar, der größte Teil hat seinen Sitz 
in der dunkeln Tiefe des Augapfels, wohin nur das Licht des Augen- 
spiegels dringt. Mit diesem wunderbaren Instrumente gelinp"t es, 
das Auge bis in seine verborgensten Winkel zu durchforschen. Man 
erkennt mit der größten Deutlichkeit die feinsten Veränderungen 
der Krisiallinse, man sieht die Aderhaut und die Netzhaut in ihrer 
leuchtenden Schönheit; man bemerkt die Stelle des deutlichsten 
Sehens, die sog. Macula lutea, und ebenso die Eintrittsstelle des vom 
Gehirn zu dem Aufje hinziehenden Sehnerven; man unterscheidet 
deutlich die Schhigadern mit dem hellroten Blut und die Blutadern 
mit dem dunkleren Blute voneinander und verfolgt dieselben bis zu 
den feinsten Verzweigungen, und erblickt, wie in ihnen das Blut 
pulsiert (Fig. 2), Die geringsten Veränderungen, die irgendeine 
Krankheit dort hervorruft, werden so deutlicli und unbestreitbar er- 
kannt, als wenn sie auf ein Blatt Papier gezeichnet wären. Erst 
seitdem wu* dieses unschätzbare Instrument besitzen, haben wir eine 
wirkliche Kenntnis von dem Auge und seinen Erkrankungen be- 
kommen und dürfen mit Stolz bekennen, daß uns keine Verände- 
rung im Augeninnem mehr entgehen kann. Aber freilich, der Ge- 
brauch dieses kleinen, unscheinbaren Instrumentes will gelernt ^eln, 
und man bedarf langer Übung und •;mindlirher wissenschattiicher 
Kenntnisse, um etwas genau zu sehen und dieses Gesehene dann 
richtig zu deuten. 

Davon wissen natürlich diejenigen, die „die Diagnose aus den 
Augen'' betreiben, gar nichts, und wenn sie einmal etwas davon 
gehört haben, so bleibt es ihnen ein Buch mit sieben Siegeln. Wo- 
zu sidi auch eine so sdiwere Kunst aneignen, wenn man es viel. 



- 47 — 

viel leichter haben kann! Und diese Herren machen es sich viel, 
viel leichter. Da ihnen das Augeninnere zu dunkel ist und sie kein 
Mittel besitzen, um es zu erhellen^ so begnügen sie sich mit der Be- 
trachtung des äußeren Auges, und hier ist es die Regenbogenhaut, 
auf die sie sich mit ihrem j^anzen Scharfsinn gestürzt haben: „Denn 
im Auge liest der, welcher die Zeichen und Flceken der Regenbogen- 
haut zu deuten versteht, niciu nur die Krankheiten, die der Mensch 
durchgemacht hat, die Ungluckställe, die ihn betroffen haben, die 
medizinischen Gifte, mit welchen man ihn hat kurieren wollen, son- 
dern aucii den allgemeinen Zustand von Gesundheit oder Krank- 
heit, von Stärke oder Schwäche. Im Auge spiegeln sich alle ab- 
normen Ersdieinungen des Körpers ab, im Auge steht die ganze 
Leidensgeschichte des JMenschen eingegraben.'* 

Es war ein gewisser P^czely aus Ungarn, dem das zweifel- 
hafte Verdienst gebührt, im Jahre 1331 diesen Unsinn in die Welt 
gesetzt zu haben. Ein unbedeutendes Ereignis soll ihm der Sage 
nach die erste Anregung zu seiner ,, Augendiagnose" gegeben haben. 
Im Alter von 11 Jahren versuchte er eines Tages, eine Eule zu 
fangen, aber diese wehrte sich und schlug eine Kralle in die Hand 
des Knaben. Es gelang ihm nur dadurch, sich von der Eule zu be- 
freien, daß er ihr ein Bein abbrach; dabei sah er dem Tiere scharf 
in die Augen und bemerkte, daß in dem Augenblicke, wo er der 
Eule das Bein abbrach, ein schwarzer Strich im Auge derselben 
entstand. Diesen schwarzen Strich konnte der Knabe lange Zeit 
hindurch weiter wahrnehmen, da et die Eule verband und pflegte, 
und als der Beinbruch schon lange geheilt war, war das alte Zeichen 
in der Regm ho fron haut noch immer zu erkennen. 

Als der Knabe zum Manne gereift war, fiel ihm in einer schlaf- 
losen Nacht diese kleine Begebenheit ein, und er versuchte von der 
Zeit an, die Spuren äußerer Verletzungen, Knochenbrüche, Krank- 
heiten usw. im Auge nachzuweisen. 

So kann man in allen Bäcbem der modernen Augendiagnostiker 
lesen. Nichts ist so töricht und so absurd, was diese Herren nicht 
kritiklos glauben und nachschwatzen. An dieser ganzen Entstehungs- 
ursache mag vielleicht nur das wahr sein, was über den Bruch des 
Eiilenbeins erzählt wird. Alles andere ist reines Phantasieprofhikt 
und Erfindungsgabe. Jeder jMensch kann sich jederzeit davon durch 
ein einfaches Experiment überzeugen. Er braucht nur einmal einer 
Eule oder emem anderen Vogel ein Bein zu brechen und dabei dem 
Tiere in die Augen zu sehen: er wird niemals eine Veränderung in 



*) Dr. Ignaz von Peczely. Entdeckungen auf dem Gebiete der Natur- 
und der Heilkunde. Heft I. Budapest 1881. 



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der Iris wahrnehmen. Wenn jede angebliche wisscnschattliclie Ent- 
deckung doch so leicht zu beweisen wäre wie diese Peczelysche 
Augendiagnose! Kein denkender Arzt wird jemals die Unverfroren- 
heit haben, ohne sich auf exakte Beweise und Experimente zu 
stützen, eine vage^ durch nichts bewiesene Behauptung als anerkannte 
Tatsache in die Welt hinauszuposaunen. Diesen beneidenswerten 
Mut besitzen nur die Kurpfuscher. Aber Experimente stellen sie 
nie an. Sie wissen nur zu gut, warum sie diese unterlassen: das 
Resultat würde für sie ein zu beschämendes sein. Seit vielen Jahren 
beobachten die Arzte bei allen Operationen auimerksam die Augen 
der chloroformierten Patienten, weil aus dem Verhalten der Pu- 
pillen auf den Stand der Narkose geschlossen wird; dabei werden 
alle möglichen Organe vom Messer des Operateurs durchtrennt, 
und wenn die Augendiagnostiker recht hätten, so mfißte dabei in 
der Regenbogenhaut ein Zeichen nach dem andern entstehen. Aber 
nichts deigleichen ist jemals von wirklichen Ärzten beobaditet wor- 
den. Also — schließen die Augendiagnostiker — können die wirk- 
lichen Ärzte nicht beobachten. Das können nur sie allein, eventuell 
auch die Mütter und Erzieher, die sich ihre Kunst ancreeignet haben. 
Alle sind mehr dazu geeignet als die durchwegs unfähigen Ver- 
treter der exakten medizinischen Wissenschaften. 

Der Wunderdoktor Peczely behauptet, als 11 jähriges Kind bei 
der Entstehung des Beinbruches einen schwarzen Strich im Eulen- 
. auge gesehen zu haben. Wir wollen gerne zugeben, daß er diesen 
wirklich gesehen ha^ denn der einfältigste Beobachter kann einen 
solchen Strich in jedein Eulenaiige beobachten. Wenn sich näm- 
lich bei der Eule die Regenbogenhaut zusammenzieht, so bildet sie 
nicht, wie beim Menschen, einen kleinen, runden, schwarzen Kreis, 
sondern cin(* schmale, senkrechte, schwarze Spalte, gerade so, wie 
wir sie beim Katzenauge auch kennen. Diese eigenartige Form der 
Eulenpupillc mag dem jugendlichen Peczely wohl sehr imponiert 
haben; und es ist daher nicht weiter verwunderlich, wenn sie ilim 
noch vorgeschwebt hat, als er in reiferen Jahren daranging, eine 
Celegenheitsursache für seine angebliche Entdeckung zu sitdien. 

Aus welchen Quellen diese Entdeckung in Wirklichkeit ent- 
sprui^en ist, das haben wir schon im ersten Kapitel auseinander- 
gesetzt Peczely fand die Ophthalmoskopie des Mittelalters vor, 
stutzte sie für seine Bedürfnisse zurecht und wurde so der „Ent- 
decker" und „Erfinder" der modernen Irisdiagnosc. Wie es vor 
Jahrhunderten eine Diagnose aus den Irisfarben und aus den Re- 
gionen des Auges gab, so finden wir auch in der modernen Augen- 
diagnose diese Zweiteilung wieder, nur in etwas anderer Gestalt 
und Auslegung. Aus den buntfarbigen Zeichen der Charakterfehler 



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und Qiftgedanken wurden die Zeichen von Körperfehlern und Medi- 
zinalvergiftung; nits den Regionen des WeiBen des Auges wurde 

die Lehre von den Irisregionen. 

Zu welchen wunderbaren Resultaten nun unser tulcnfäiiircr 
und seine würdigen Nachfolger und Nachbeter, die homöopathischen 
naturheilkundigen Ärzte Schlegel') und Prager-), die Pastoren 
Liljequist^) und Felke*), der Lehrer Thiel ) und der Amerikaner 
Lane^) gekommen sind, das mag der geneigte Leser aus folgen- 
dem erkennen. 

Unsere Darstellung der Augendiagnose weicht naturgemäB ganz 
wesentlich von dem ab, was die Propheten dieser herrlichen Kunst 
ihren gläubigen Anhängern darzubieten wagen. Diese würdigen 
Herren tun weiter nichts, als daß sie eine Bchaupttinjr nach der 
anderen aufstellen und dabei in unt'Iätii^ster Weise auf die medi- 
zinische Wissenschaft, der sie doch gar zu gerne Konkurrenz machen, 
schimpfen. Wir wollen uns begnügen, die normale Anatomie der 
Regenbogenhaut zu beschreiben und auf ürund dieser Kenntnisse 
auseinanderzusetzen, was das moderne Kurpfuschertum, dessen Urteil 
durch keine Sach- und Fachkenntnis beeinfluBt ist, daraus ge- 
macht hat. 

RIsum teneatis, amid! 

a) Farbe der Iris. 

Wlsspnsrhaft. Wenn wir die Refrcnbogenhaut eines mensch- 
lichen Aujies mikroskopisch untersuchen ■), so erkennen wir, daß 
das Gewehe derselben hauptsächlich aus zahlreichen Blutgefäßen 
besteht, die in einen dicken Bindegewebsmantel eingehüllt und von 
einem lockeren Netzwerk verzweigter und Farbstoff enthaltender 
Zellen umsponnen sind, welche die Zwischenräume zwischen den 



>) Emil Schlegel. Die his nach den neuen Entdeckungen des Dr. 

I. V. P^czely. Tübingen 1687. — Emil Schlegel. Die Augendiagnose des 

Dr. I. V. Peczcly. TObinnen 1906. II. Aufl. 

F. Prager. Die Erkennung von Krankheiten. Oranienburg \905. 
*) Nils Liljequist Die Diagnose aus den Augen. Leipzig 1903. 

II. Aufl. 

*) Andreas Mfiller. Die Attgendiagnose, bearbeitet nach Pastor Felkes 

Grundsätzen. Crefcld 1907. II. Aufl. 

') Peter Johannes Thiel. Der Krankheitsbefund aus den Augen. 
Elberfeld 1902. 

") Heinr. Eduard Lane. Der Krankheitsbefund aus dem, Auge. Chi- 
cago 1904. 

^) Dr. S. Seligmann. Die mikroskopischen UntersuchungsnieUioden 

des Auges. Berlin 1899. 

Seligmann, Augeodiagnose. 4 



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Gefäßen ausfüllen. Die Gefäße mit dem Zellennetze bilden zusam- 
men das Irisstroma, welches demnach ein sehr lockeres, schwamm- 
artiges Gewebe ist. Die Oberfläche wird von einer besonders dichten 
Zelllage, dem „vorderen Stromablatt", gebildet und die Hinterfläche 
von einer Schiclit sciiwarz gefärbter Zellen, dem „Pigmentepithel'* 
(Fig. 3). Die Farbe der Iris richtet sich nun im wesentlichen nach 
der Dichte und Dicke sowie nach dem Pigmenigehalt der Iris- 
schichten. Eine zarte und pigmentarme Regenbogenhaut erscheint 
blau. Aus diesem Grunde sind die Augen der Neugeborenen fast 
ausnahmslos blau. Es ist das hintere Pigmentepithel, welches durch 
das dünne Irisstroma hindurchschimmert. Wir haben es hier mit 
demselben Phänomen zu tun, welches stets einen dunklen Hinter- 
grund bläulich erscheinen läßt, wenn er durch ein trübes Medium 




Fig. 3. 

Mlkroakopisdies Bild daer Rcc«iit>Offealui«t 

a s vordeiei StnMiiaMatt f — Sphloeter oder Scblicfinttskd 

b « lri$gewd>e g » OiUtalor oder Brweiterer 

c = Cef» S s Kiypten 

d — hioteres PinnenteDitbel 1 = Coiitractioasfiircheii. 
e s UnsdilagsneUe des Pignent- 
•piUiels am Pnplllamiid« 

hindurdi angesehen wird. So schimmern z. B. durch eine zarte 
Haut die Venen blau hindurch. Hält man eine Glasscheibe gegen 
einen dunklen Hintergrund, so erscheint sie schwarz. Bestreicht 
man sie in dieser Lage mit einer dünnen Milchschicht, so tritt so- 
fort eine bläuliche oder blaue Farbe auf. Diese Bläulichkeit wird 
aber bald zum Verschwinden gebracht, wenn die Milch in dickerer 
Lage aufgetragen wird. Das Ganze erhält dann ein graues An- 
sehen. So wirkt auch die Iris optisch als ein schwadi-trfibes Me- 
dium, dem der farbstofflialtige Dilatator oder Erweiterer der PupiUe 
und das Pigmentepithel als dunkler Hinteigrund dienen. Wird mit 
dem Alter das Oewebe faserreicher, dicker und straffer und damit 
auch weniger durchscheinend, so wird die Iris hell und grau. 

Im übrigen wird die Irisfarbe durch das Pigment bedingt, das 
in den reichverästelten Iriszellen, den sog. Chromatophoren, auf- 
gespeichert ist. Dieses Pigment sitzt nun sowohl im vorderen Stroma- 
blatt als auch in den tieferen Schichten, es kann vom hellsten Gelb 
bis zum tiefsten Braun variieren. 



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~ 51 — 



Die Farbe der Iris steht immer im Zusammenhange mit der 
Pigmentierung de«; übrigen Körpers. Die dunklen Menschenrassen 
haben stets eine dunkle Iris. 

Kiirpfnsehortuin. Nach Peczely und Liljequist ist eine blaue 
Iris ein Zeichen von Gesundheit und eine braune Iris ein Zeichen 
eines scliwachen, nervösen, empfindlichen Geschlechtes. 

Diese ungeheuerliche Behauptung ging sogar einem Felke zu 
weit. Er schränkte sie insoweit ein, da6 er zwei Arten von brauner 
Iris unterschied: 

1. eine gesunde, dichte, braune Iris, die auf den Einfluß 
eines heißen Klimas oder auf Vermischung germanischen Blutes mit 
dem anderer Völker Tiurückzufüliren ist; 

2. eine pathologische, wenig dichte braune Iris. 

Der Grad der Dichtigkeit des Irisgewebes ist also für den Pastor- 
doktor ein Anzeichen, ob er es mit einer gesunden Rasserüris oder 
mit einer kranivhaft entarteten Regenbogenhaut zu tun hat. Eine zer- 
klüftete braune Iris ist für Ihn das Zeichen von Krankfaeü Die 
tausendfältige Beobachtung, daß es kerngesunde Menschen mit »wenig 
dichten" braunen Regenbogenhäuten und todkranke Patienten mit 
„dichten'^ braunen Regenbogenhäuten gibt, geniert derartig große 
Geister nicht weiter. Sie tun einen derartigen Einwand mit der nichts-^ 
sagenden Phrase ab, ,,in diesem Falle habe die ursprünglich patho- 
logische Färbung diesen nachteiligen Charakter durch glückliche Keim- 
kombination verloren, und dadurch sei der Pigmentgehalt der Iris 
pathologisch bedeutungslos geworden'^ Ob sie diesen Unsinn wohl 
selber verstehen? 

Sämtliche Augendiagnostiker entwickehi eine rührende Oberein- 
Stimmung im Aufeählen der Ursachen, die nadi ihrer Meinung die 
Ursache der Braunfäibung der Iris sind. Am gefürchtetsten ist 

ay die Krätze. Um zu verstehen, warum gerade diese zwar 
hödist unappetitliche und stark juckende, im übrigen aber sonst ganz 
unschuldige Milbenerkrankung so bedenkliche Folgeerscheinungen 
bewirken sollte, müssen wir auf den seligen H ahnemann, den 
Vater der Homöopathie, zurückgehen. Dieser Weiseste aller Weisen, 
den die modernen H mik »opathen wie einen Heiligen verehren, leistete 
sich folgenden Unsinn, der unter dem Namen „Psoratheorie" be- 
kannt ist: Sieben Achtel aller chronischen ^edrtume, sagt er, 
sind Kinder unterdrückter (d. h. vom Arzte behandelter) Krätzeaus- 
schläge.1) Dieser Umstand ist durch eine tief un Oigfanismus ein- 
gebürgerte Dyskrasie, Säfteentmischühg, Schärfestoff zu erklären, dem 
Krätzestoff (Psora). >Ein Produkt dieses im Körper ruhenden Krätze- 

') Die Geschichte des bOsen Blickes lehrt uns, daß fast alle Krank- 
heiten auf diesen zurfickgeführt wurden. 

4* 



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Stoffes ist die Krätzmilbe, und diese Milbe enthält wiederum ein 
ätzendes (jift, das sie in die Haut und den Säftestrom übertröirt, \vo- 
durch sie den Körper mit emcm chronischen Krätzsieditum ver- 
giftet. 

Luuclnc der modernen Augendiagnostiker, wie Lane, ^flaiiben 
noch heut^en Tages fest an diese fortvrähiende Uizeugung der 
Krätzemilben; andere, wie Felke, sind zwar so weit aufgekUrt, daß 
sie die Theorie von der Urzeugung verwerfen und die Übertragung 

der Krätzemilbe durch Ansteekung gnädig anerkennen. Im fibrigen 
stehen sie aber fest auf dem Boden der Krätzevergiftung. Das Oc- 
fährlichste daran ist die fehlerhafte Abtötung der Milben mit Schmier- 
kuren usw., wie sie die verfl Ärzte anzuwenden pflegen. Die 

so getöteten Milben bleiben unter der Haut, geben liier in Ver- 
wesung über und vergiften mit ihren Verwesungsprodukten das Blut 
des Menschen; so dali sogar die Nachkommenschaft angesteckt wer- 
den kann. Es gibt nur ein unschuldiges JVtittel, diese bösen Milben 
zu vernichten. Nach Peczely ist es die innerliche Anwendung von 
Schwefel, nach Liljequist die interne Darreichung von einem Eß- 
löffel „roter Elektrizitäf'und nach Felke das Waschen mit Lavendel- 
wasser in Verbindung mit homöopathischen Zuckerkügelchen. „Wer 
so die Krätze beseitigt, hat von derselben nie Nachteile zu fürchten, 
und kein Zeichen im Auge verrät das einstige Vorhandensein der- 
selben." 

Die Augendiagnostiker unterscheiden übrigens zwei Arten von 
Krätze, die verschiedene Stempel im Auge liinterlassen: 

aa) Die vererbte Psora. Sie erzeugt eine braune Iris, jeden- 
falls hat sie eine Verdunkelung zur Folge. 

bb) Die selbst erworbene Psorä. Sie hinterläßt bei falscher 
Behandlung braunrote Flecken. 

Außer der Krätze sind es noch eine Anzahl anderer Schädlich- 
keiten, welche ein Dunkel- und Braunwerden der Iris verursachen: 

b) Der .Wilchschorf und (iririd. 

c) Die Schut/pockenimpfung. 

d) Die Medi/i nalvcrgiftungen. 

Da diese aber niciit eine gleichmäßige Dunkelfärbung der ganzen 
Regenbogenhaut bewirken, sondern sich nur an bestimmten Stellen 
lokalisieren sollen, mögen dieselben hier nur kurz erwähnt werden. 
Wir kommen darauf noch zurfick. 

') Sa Iii. Hahncraann. Die chronischen Krankheiten, ihre Natur und 
homöopathische Heilung. 2. Aufl. Dresdien und Düsseldorf 1835—1839. — 
Priedr. Alex. Simon. Der unsterblichen Narrheit Samuelis Hahnemanni 

Pseudomcssiae medici scabiosi xnr r?o/,'f des Verdünners anderer Teil oder 
dessen Viergespann von den chronischen ICrankheiten. Hamburg 1833. 



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— 53 — 



b) Iriskreise. 

Wissenschaft. An der Grenze des mittleren und Inneren Drittels 
der Iris pfl^ eine Anzahl der größeren Blutgefäße fast rechtwink- 
lig umzubiegen und ihren Verlauf konzentrisch zur Pupille zu neh- 
men. Durch diese Regenbogenhautkrause (Circulus arteriosus 
minor) wird die Iris in zwei unglcichgroße Felder geteilt, in die klei- 
nere Pupillar- und die gröHere (.'iliarzone, welche sich oft durch 
die Färbung voneinander ablieben (Fig. 4 u. 9)'). 

Im pupillaren Iristeil liegt der 
Sphincter oder Schließmuskel (Fig. 3), Jf^^^!y^%^ 
dessen Muskulatur, namentlich bei unpig- i$^r\ÄL^^% p 
mentierien Regenbogenhluten, oft sehr 

deutlich durchschimmert. Die Pupillarzone ^^^•^'3 C 

wird dadurch wieder in zwei konzen- ^^^hr^^y^ 
trischc Regionen geteilt (Fig. 5). ^iiiiös^sß»»*- 
Kurpfuschoi'tuni. Aus der inneren 

_ ' 'S- 

liCdM 



Fig. 4. 

Pupillarzone wird das Magenfeld-) RegenboRenh.iut. cn. s.seUenMn.) 
der Augendiagnostiker. Ist der Magen P^'^FupüSzone ^' " 



gesund, so soll die Irisfariie am ganzen J = SShere'dunWe Zone. 
Auge gleiche Helligkeit zeigen. Ein dunk- 
leres Aiagenfeld entsteht durch Blutmangel dieses Organs, ein hel- 
leres durch Überblutung, also inneres Fieber bei meist frostiger Haut 
und kalten Füßen. Die selbst von den Augendiagnostikem nicht 
wegzuleugnende Tatsache, daß dieser „Magenring** in jedem Auge 
zu finden ist, mußte sie konsequenterweisc zu der Behauptung füh- 
ren, daß alle Menschen einen kranken Magen haben. Und diesen 
Folgeschluß haben sie auch wirklich gezogen. Wenn jemand seiner 
Meinung nach auch einen vorzüglichen Magen hat und sogar Steine 
verdauen kann, so ist dies nur ein Selbstbetrug seinerseits. Alles 
Leugnen hilft ihm nichts, er hat — nach der Meinung der Augen- 
diagnostiker — doch seinen chronischen Magenkatarrh; und 
diesen bekommt er schon acht Tage nach der Impfung, denn um 
diese Zeit bildet sich der Magenring aus. Wenn sich die Herren, die 
solche vermessenen Behauptungen aufstellen, doch einmal die .Augen 
von neugeborenen oder wenige Tage alten Säuglingen ansehen wür- 
den, dann könnten sie vielleicht anderer Meinung werden, denn sie 
sehen in diesem Alter, also schon lange vor der Impfung, einen deut- 
lich ausgeprägten „Magenring*'. Sie können also sich zu einer 
besseren Meinung bekehren, wenn sie nur wollen. Aber da eben 
hapert's! Sie wollen nicht Wenn sie nur etwas von Schutzpocken- 



•) Die Fig. 2, 5, 7, 9 befinden sich auf Farbtafel I. 
cf. die Bedeutung des Magenfeldes in der Geschichte des bösen 
Blickes. Bd. I. S. 69. 



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— 54 — 



impfuiif^ reden hören, dann werden sie wiid, wie der Stier, dem man 
ein rotes Tuch vorgehalten. Wenn man sie reden hört, so müßte 
die Kuhlymphe das entsetzlichste üiit sein, das dem menschlichen 
Organismus eingeimpft werden könnte. Syphilis, Tuberkulose, Skro- 
phulose, Rhachitis, Typhus, Oiphtheritis, Ruhr, Scharlach, Masern, 
Genickstarre usw. sollten durch die Lymphe übertragen und massen- 
haft verbreitet werden. Wir wollen hier das pro und contra der 
Impfung nicht weitläufig erörtern. Wir wollen nur darauf hinweisen, 
daß mit Einführung der Zwangsimpfung in Deutschland eine der 
ftnchtbarsten Augenerkrankimg^en, die Blattern der Au|:^en, die im 
vorigen Jahrhundert noch die häufigste Ursache der Erblindung ge- 
wesen, jetzt so selten geworden sind, daß es viele erfahrene Augen- 
ärzte gibt, die nie einen Fall von Pockenerkrankung der Augen ge- 
sehen haben. Dieses großartige Resultat verdanken wir dem Impf- 
gesetz, das im Jahre 1874 im Deutschen Reiche die Schutzpocken- 
impfung gesetzlich durchgeführt hat Im Jahre 1796 hatte Eduard 
Jenner nachgewiesen, daß man sich durch Einimpfen der Kuh- 
pocken, einer den Blattern ähnlichen, aber «harmloseren Krankheit, 
gegen die Menschenblattern schützen könne. Und seitdem ist die 
Pockenseuche dort, wo auf diese Weise geimpft wird, so gut wie 
ausgestorben. Wie segensreich das deutsche Irapfgesetz gewirkt 
hat, kann man am besten erkennen, wenn man die Blatternsterblich- 
keit im Deutschen Reiche mit der in anderen Ländern vergleicht, 
in denen die Impfung noch nicht gesetzlich eingeführt ist. So starben 
nach einer Zusammenstellung des Kaiserlichen Oesundheitsamtes 
1896 von einer Million Einwohner jährlich an Blattern: 
1880—93 In Deutschland 2,3 Menschen 
„ „ Frankreich 147 „ 
Belgien 252,9 „ 
„ „ Österreich 313,1 „ 
1891—93 „ Rußland 836,4 

Im preußischen Heere kam in den Jahren 18Q2 — 1896 ein ein- 
ziger Fall von echten Blattern vor; und dieser betraf einen frisch 
eingestellten Rekruten, der die Krankheit bereits mitgebracht hatte. 

Diese wenigen Zahlen dürften wohl schon genügen, um das 
gewissenlose Treiben mancher fanatischer Impfgegner in das rechte 
Licht zu setzen. 

Impfgegner, „Naturheilkundige'' und Augendiagnostiker werden 
sich zwar hierdurch nicht von ihrer vorgefaßten Meinung abbringen 

lassen, sondern sie werden fortfahren, die Schutzimpfung mit Schein- 
gründen zu bekämpfen, die Ärzte zu beschimpfen und die Pupillar- 
zone der Iris als einen durch den Impfstoff erzeugten Magenring an- 
zusehen. Ob auch die verschiedenen Falten und Scliattierungen der 



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— 56 — 



Iris in der Pupillar/ono, die als Ma^enerkrankunfren schwererer Art 
gedeutet werden, auf eine Impfschädigun^ /ui uckzulühren sind, das 
wird dem wißbegierigen Forscher leider nicht verraten. Er muß sich 
mit der einfachen „Tatsache" abfinden, daß bei Magengeschwür 
ein helles „EnizQndungszeichen" in diesem Gebiete zu sehen ist, 
das bei größerer Narbenbildung einen dunkleren Ton annimmt; daß 
JVtagenIcrebs dunkle Punkte auf heilerem Grunde hervorruft; daß 
Magenblutungen und -Verletzungen sich durch schw ar/e Flecken 
ankünden; und daß Skrofulöse stets ein verdunkeltes Verdauungs- 
gebiet in der Iris haben. Zweifel an diesen Behauptungen sind un- 
angebracht, denn die Augendiagnose ist unfehlbar! 

r. Iris h Iris 

r c £ a 




FiK. r. 

Daniigebict. 

AB, BC. DE ^ Dünndarm 

AK - AufstciRcndcr Grimmdarm 
FC, EG ^ QiaTlii'sender „ " 
GH — Absteij^L'iider ,» 
DH - S. roirianum 
I — Blinddarm 
K = Mastdarm 

Außer dem Magenring kennen die Augendiagnostiker auch ein 
Darmfeld. Dasselbe soll fast quadratisch um das Magenfeld herum 
gelagert sein (Fig. 6). Bei gesunden Verdauungs Werkzeugen soll 
dasselbe unsichtbar sein, bei Darmerkrahkungen dagegen schmutzige 
Veifärbungen oder Verdunkelungen anzeigen. 

Wir haben oben auseinandergesetzt, wie durcli das Durclischim- 
mern des Sphincters der Iris gewissermaßen eine Zweiteilung des 
inneren Iriskreises entsteht (Fiij. 5). Aus dem so gebildeten zentralen 
Teil der Piipillarzone wird das Majjenfeld, aus dem peripheren Teil 
derselben Zone das Darmfeld. Die quadratisclie Form desselben ist 
durch nichts gerechtfertigt, sie ist reines Phantasieprodukt. 

c) Irisperipherie. 

Wif»5»onschaft. An der Irisperipherie findet sich eine mit viel- 
taciien kleinen grubigen Vertiefungen (Kr>pten) versehene Zone, die 



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- Ö6 - 



namentlich an blauen Augen, besonders bei Kindern, als fast schwar- 
zer Kreis zunächst der Wurzel der Iris in die Augen fällt (Fig. 4 u. Q). 

Knrpfnschertum. Die Augendiagnostiker nennen diese Zone den 
Hautring^). Sie behaupten, er entstände durch unterdrückten (d. h. 
vom Arzte behandelten) Milchschorf und ürind. Diese Krankheiten, 
die ungefähr mit dem identisch ^ind was die Arzte nässende Ekzeme 
und Läusesucht nennen, sind mindestens ebenso gefährlich wie die 
Krätze. Sie sind nach Peczely die einzigen V'ernrsachcr der Taub- 
heit, der Blindheit, des Stumuiseins, des Stotterns, der Fallsucht, der 
Skrofeln, der Rhachitis und noch vieler anderer Übel. Wenn die Kinder 
an diesen Ausschlagkrankheiten leiden, so haben sie dieses nur ihren 
Eltern zu verdanken, denn diese haben an Krätze gelitten und haben 
die Krätze ihren Nachkommen als Schorf vererbt. „Krätzige Eltern 
zeugen schorfige Kinder," sagt der schwedische Pastor Liljequist; 
das heißt mit anderen Worten: Wenn die Eltern Krätze haben, be- 
kommen die Kinder Läuse; eine höchst interessante Illustration zur 
Metamorphose der Tiere 1 

d) Zentraler Irisrand. 

WiBsensehaft. Der innere Rand der Pupillarzone erscheint 
manchmal von einem ganz schmalen braunen Saume eingefaßt: es 
ist ein Teil des die Hinterfläche der Iris überziehenden Pigment- 
epithels, welches am Pupillenrande etwas um : lilagen ist (Fig. 3). 
Besteht dieser Umsclilagsaum in größerer Ausdehnung, so spricht 
man von einem Ectropium iiveae. 

Kurpfusehertuni. Die Beobachtung dieses braunen Ringes mag 
wohl die Veranlassung gewesen sein, dal» ein Teil der Augen- 
diagnostikcr, z. B. Felke, das sympathische Nervensystem 
hierher verlegt hat. Beschwören will ich dieses aber nicht, zumal 
es mir bei der absolut mangelhaften Beobachtungsgabe des Repe 1er 
Pastors nicht ganz ausgeschlossen erscheint, daß er diesen Ring 
überhaupt noch nie gesehen hat In diesem Falle ist für das Vor- 
handensein des sympathischen Nervensystems am Pupillarrande der 
Iris überhaupt nichts anatomisch Abgrenzbares vorhanden, genau 
wie bei seinem schwedischen KonkurreFiten Liljequist, der das 
sympathische Nervensystem an den äulieren Rand des Darmfcldes 
verlegt. Da das sympathische Nervensystem bei den wirklichen 
Ärzten so gut wie gar keine Rolle spielt, muß es natürlich bei den 
„Krankenheilern" eine um so größere Rolle einnehmen. Je weniger 



Ober die Bedeutung dieser Zone in der Geschichte des' l>Ö6en 
Blickes cf. Bd. I. S. 69. 



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— 67 — 



die wirklichen Arzte von dem „Sonnengefiecht" wissen, um so 
mehr i^ebcn die Pseudoärzte vor, darüber unterrichtet zu sein. Die- 
sc^; Nervensystem ist ihnen wohl hauptsächlich deshalb so sym- 
pathisch, weil es an gewisse Sympathiekuren erinnert, die ihre 
Lehrmeister, die Schafhirten und Zigeunerweiber mit Vorliebe aus- 
zuüben pflegen. 

e) ContraktiOttsfarchen. 

Wis.sonschaft. In fast jedem Aug^e erblickt man eine Anzahl 
(1 — 7) konzentrisch verlaufender Bogenliiüen nahe dem Ciliarrande 
der Iris. Selten bilden sie vollständige Kreise, meist kürzere Kreis- 
bögen (Fig. 7). Man sieht dieselben besonders schön an einer 
dunklen Iris und bei enger Pupille, wo sie durch ihre helle Farbe 
von dem braunen Gründe sich abheben. Es sind dies die Con- 
tradionsfurchen der Iris. Wenn sich nämlich bei Erweiterung der 
Pupille die Iris verschmälert, so legt sich die vordere Fläche der- 
selben in Falten. Die Täler zwischen den Falten sind eben jene 
Furchen, auf deren Grund das Stroma der Iris weniger Pigment zu 
enthalten pflegt. Wenn sich die Pupille verengert, so glätten sich die 
Falten aus, die Furchen öffnen sich und werden dann besser sicht- 
bar (ci. auch Fig. 4). 

Kurpfuschertum. Dieses sieht in den Contractionsfurchen 
Nerven-, Krampf- oder Schmerzesringe. Sie treten überall 
dort auf, wo falsche Blutverteilung, erhöhte Bluttatigkeit und fehler- 
hafte Blutbeschaffenheit eine vorübeigehende oder mehr andauernde 
Überreizung des Nervensystems oder einzelner Gruppen desselben 
veranlassen. Krisen sind deshalb häufig von Krisenr Indien be- 
gleitet. Sehr heftifjc Schmerzen rufen ebenfalls Schmerzesringe her- 
vor. Deshalb finden sie sich nach Neuralgien, üallensteinkoliken und 
\v ochciibetlen ; bei Säughngen, die an Krämpfen irelitten haben, 
und bei Frauen und Mädchen, die von Menstruaikrämpfen geplagt 
werden. Erstrecken sich die Bogen nur durch bestimmte Felder der 
Iris, so zeigen sie an, daß in den entsprechenden Oiganen oder 
Körperpartien Schmerzen auftreten. In der Qehihipartie der Iris 
sind die Bogen ein verstärkter Beweis für vorhandene Neigungen »zu 
extremen geschlechtlichen Empfindungen, zu Hysterie und Schwin- 
delanfällen. 

f) Knotenähnliche Bildungen. 

Wissensehuft. Eine bei braunen Regenbogenhäuten nicht selten 
vorkommende zufälllG^e Regleiterscheinung der Contractionsfurchen- 
biidung ist das Auttreten von pigmenthaltigen Zellanhäufungen in 



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Füirn von knötchenartigen Gewebsverdichtungcn in den vorderen 
Irisschichten. In der Kindheit pflegen diese Gewebsanhäufungen 
nicht als scharf begreazit Knoten aufzutreten. Die konzentrische 
Anordnung der Cootraciionsfurchen und die dadurch bedingte doppel- 
seitige Berandung der Knoten, welche sich sowohl nadi der ciliaren 
als auch nach der pupillaren Seite hin als eine Art von Rinnen- 
bildung erweist, entwickelt sich ausschließlich als die Folge der Iris- 
reffung beim Eintreten der Pupillenerweiterung. Man kann sich die 
Knotenkonfiguration ungefähr so vorstellen, als wenn ein sanft 
abfallender Hügel an zwei gegenüberliegenden Seiten allmählich mit 
einem Graben iimzogfen wird. 

Bei hellen Regenbogenliäuten ersciieint das knotige Aussehen 
dieser Bildungen viel weniger deutlich ausgeprägt (Fig. 7) als bei 
den dunklen. Die Erklärung hierfür ist einfach darin zu suchen, daß 
die Contradionsfurchen in den pigmentarmen Regenbogenhäuten 
wesentlieh unauffälliger sind wie in den pigmenthaltigen. In vielen 
Fällen hat man eben nur den Eindruck, daR im peripheren Ciliar- 
gebiet ringförmig vertiefte schwärzliche Streifen mit helleren Oewebsr 
Partien abwechseln. 

Die helleren und dichteren, einem flockigen und flaumigen 
Gewebe nicht unähnlichen Stellen bestehen in der Hauptsache aus 
einer zellreichen aber unpigmentierten Verüiciiiung der vorderen 
Schichten und besonders des vorderen Stromablattes. 

Knrpfnsehertum. Im äußeren Drittel der Iris kommen bei hellen 
Regenbogenhäuten grauweiße, mit Schneeflocken vergleichbare 
Flocken vor, die auf Arsenikgebrauch zurückzufiihren sind. In 
braunen Augen erscheinen diese Flocken hellgelblich. Infolge des 
Arsenikgebrauches entstehen Gicht und Rheumatismus. Das, 
was man gewöhnlich unter diesem Namen versteht, ist nichts weiter 
als eine Fol^e von Arscnikvergiftunq;. Diese entsteht durch Ein- 
schnneren arsenikhalti^cr Salben ge^en den Schorf (cf. S. 5f>) und 
durch Irinlven von arsenikhaltigeni Bier. Das sollen sich die Bier- 
brauer merken! 

Ganz ähnlich diesen Arrsenikzeichen sind die Zeichen der Ver- 
kalkung (doch sehen diese mehr kalkig aus) und Harnsäure- 
aifhäuf ung. Beide sind auf ganz dieselben Ursachen zurückzuführen, 
nämlich auf ein Zurückhalten des Urins. Wer die Tugend des Wasser- 
anhaltens in zu großem Maße ausübt, der erkrankt unfehlbar daran, 
ebenso an Nervosität, denn dieses Leiden ist nichts weiter als 
Harn'iaurevern^iftung. Vor allen diesen Leiden kann man sich unfehl- 
bar sciuit/en durch recht häufiges Aufsuchen des Aborts. Also 
geniert euch nicht, ihr Damen! und ihr Lehrer, merkt es euch, lasset 
die Kinder recht häufig hinaus! Sonst gibt es fürchterliche Folgen. 



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- 69 — 



g) Honihaatrand. 

Wissenschaft. Die durchsichtige Hornhaut, die als eine un- 
mittelbare Fortsetzung der weißen Lederhaut erscheint, ist in dieselbe 
uhrglasförmig cintrcfügt. In den hinteren Schichten reicht die Horn- 
haut weiter nach der Peripherie als in den vorderen, wo die f.eder- 
haut gleichsam über den Rand der Honiliaut hinübergreift, üieses 




Pig. & 

Durchschnitt durch den vorderen Teil det AugCt» 

CO - BindL-haut i = Iris 

er Horiitiaut ! ~ Linse 

8 =- JLederhaut g ~ Greisenbogen 

a « Obcrgangsteil 

Obergreifen ist aber nicht an allen Stellen des Homhautumfanges 
g^leich, sondern oben und unten deckt die Lederhaut ein größeres 
Stfidr der Hornhaut als an der Nasen- und Schlafenseit^ dn Ver- 
halten, welches man wegen der durchscheinenden Farbe der Iris 
bei allen Menschen sehr leicht konstatieren kann. Je nach der Fär- 
bung der Regenbogenhaut erscheint der Hornhautrand daher grau 
oder bläulich (Fig. 8), 

Kurpfuscher tum. Die Angendiagnostiker verlegen diesen Horn- 
hautfalz in die Regenbogenhaut und beweisen dadurch aufs schla- 



— 60 — 



gendste, daß sie keine blasse Ahnung von der Anatomie des Annes 
haben und daß ihre Beobachtungsfahigkeit gleich Null ist. Sie be- 
schreiben diesen Hornliautrand als einen metallisch glänzenden Ring, 
der itn blauen Auge grau, im braunen Auge bläulich ist, und behaup- 
ten, er sei das Zeichen einer Quecksilbervergiftung. Wer je- 
mals mit Quedcsilbersalbe behandelt worden sei, oder wer sich auch 
nur die Hände mit Subtimatwasser desinfiziert hätte, in dessen Auge 
entstände ein solcher Quedcsilberring. Er legt sich je nach der Masse 
des angewandten Giftes entweder in Form eines Ringes ganz um 
die fris herum, oder aber er ist nur im obersten Teil derselben zu 
sehen, also in der Ciehirnpartie der Iris. 

Unter der Wanderung nach dem Gehirn erscheint das Queck- 
silber in Form von grauweißen Wolken. Was die Augendiagnostiker 
darunter verstehen, ist mir nicht ganz klar geworden. Da einerseits 
derartige Gebilde, wie diese Herren sie zu sehen vorgeben, in der 
Iris überhaupt nicht vorkommen, wohl aber in der Homhaul^ und 
da wir andererseits eben auseinandergesetzt haben, daß das, was die 
Augendiagnostiker Quecksilberring der Iris neinien, nichts weiter 
als der Hornhautrand ist, so werden wir wobi auch nicht fehlgehen, 
wenn wir annehmen, daß hier wieder eine Ven\'echslung der beiden 
Häute vorliegt, und daß wir es in diesen grauweißen Flocken mit 
den bekannten, das Sehverrnöpen im höchsten Grade störenden 
Honiha utlleckeni) zu tun haben. 

h) Greisenbogen. 

Wissenscliaft. JVlit dem eben erwähnten Hornhautrand darf der 
Greisenbogen (Oerontoxon, Arcus senilis) nicht verwechselt werden. 

Derselbe tritt häufig in höherem Alter in der sonst ganz gesunden 
Hornhaut auf und besteht in einer schmalen grauen Linie, welche 
nahe drni Hornhantrande und konzentrisch mit demselben verläuft 
(Fig. Sg.). Dieselbe zeigt sich zuerst am oberen und bald auch am 
unteren Hornhautrande in Form eines grauen Bogcns, zuletzt ver- 
einigen sich die beiden Bogen an der äußeren und inneren Seite der 
Hornhaut zu einem geschlossenen Ringe. Die äußere Grenzlinie des 
Greisenbogens ist scharf und vom Homhautrande durch einen Saum 
vollständig klarer Hornhaut geschieden; an der inneren, dem Zen- 
trum der Hornhaut zugekehrten Seite dagegen verliert sich die Trü- 
bung allmählich in die durchsichtige Hornhaut. 

') Ober deren Bedeutung in der Geschichte des bdsen Blickes cf. Bd. I. 
5. 72. — Anm. während der Korrektur: In der Dezembemummer der Felke^ 

Zeitung schreibt ein Dr. med. Wirz, Durlach wörtlich: .,Die meisten Horn- 
hatitfleckcn sind meist QiiecksUberflecken." Und mit derartigen „Kenntnissen'' 
darf man Kranke behandeln! 



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Kurpfuschertuin. Die Augendiagnostiker warnen vor einer Ver- 
wechslunfy des Altersrin^es der Qreise mit dem Qiiecksilberbogcn, 
aber sie sind selbst nicht imstande, diese Dinge zu unterscheiden. 
Sie behaupten, der Oreisonbo^ren entstände dadurch, daß sich das 
Augcnweiü gleichsam auf den äußeren Rand der Iris legt. 

Aus dem eigentlichen Oretsenbogen der Hornhaut machen sie 
einen Verkalkungsbogen der Iris. 

i) Pigmentflecke. 

a) Braun, rotbraun. 

Wissenschaft. Nicht selten existieren in einer Iris, die im ganzen 
wenig pigmentiert ist, einzelne inscltörmige Pif^mentaiiliaufungen im 
Stroma. Dieselben treten dann als dunkle (rostfarbige, braune oder 
schwarze) Flecken in der sonst grauen oder blauen Iris her\'or — 
Muttermale oder Naevi iridis. Eine größere Anzahl derselben 
verleiht der Iris ein getigertes Aussehen. 

[Farbige Punkte und Flecke (am häufigsten braun, dann gelb, 
seltener schwarz, braungelb und dunkelblau), seltener Sektoren, sollen 
auch nach den neueren Psychiatern eine Entwickelungshemmung 
sein, der die Redeutnnr eines Degenerationszeichens zukommt. 
Sie sollen sich häiifif^ bei Geisteskranken finden, namentlich bei 
Schwachsinn (Imbe/illität) und Fallsucht (Epilepsie).] 

Zum Unterscliied von diesen angeborenen Pigmentfiecken 
der Iris gibt es auch erworbene: man findet dieselben namentlich 
in Augen, die durch eine Verletzung blind geworden sind. Auch bei 
anderen krankhaften Prozessen des Auges, wie beim grünen Star 
(Glaukom) kommen Pigmentwucherungen vor. 

Nach dem, was wir über den Hornhautrand, den Greben- 
bogen und die Hornliautflecke pp-a^t haben, ist e;; auch sehr 
wahrscheinlicli, ilali die AtifTciuliaL^nostiker nianehe PiLfmentflecke, 
die an der hinteren oder vorderen Hornhautwand sitzen, für iris- 
flecke halten. 

Erworbene Pigmentfleckc der hinteren Hornliautwand sind 
allerdings sehr selten. Sie können z. B. dadurcli zustande kommen, 
daß durch Operationen, Verletzungen usw. kleinste Iristeilchen los- 
gelöst werden und mit der hinteren Hornhautwand verwachsen. 

Viel häufiger kommen Pigmentierungen der vorderen Horn- 
hautwand vor, und zwar nach Verletzungen mit kleinsten Eisen- 
partikelchen. Beim Hämmern des Eisens springen derarttue Par- 
tikelchen ab, werden durch die Kraft des Schlafres erhitzt, oxvdicren 
sich zu Hammersehlag (Eisenoxydoxvdul) und finden sich als solches 
in der Hornhaut Bei gewissen Handwerkern, wie Schlossern, Schmie- 



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— 62 — 



den, Eisendrehern usw. sieht man deshalb diese Eisensplittervcr- 
letzungen als dunkelbraune bis schwarze Punkte sehr häufig. 
Eine Verwechslung eines braunen Irisfleckes mit einem derartigen 
Fremdköqier habe ich selbst einmal erlebt Ein Patient behauptete, 
ihm sei etwas in das Auge geflogen, er ging mit dieser Angabe * 
zu einem Herren, der sich auch die Behandlung von Augenkranken 
getraute, und ließ sicli von diesem den angeblichen Fremd- 
körper entfernen. Der Pseudodoktor nahm eine Nadel, bohrte 
damit in der Hornhaut licrum, und als er dieselbe fast durchbohrt 
hatte, erklärte er, der hremdkörpcr sitze zu tief, er könne ihn nicht 
entfernen; der Patient solle lieber zu einem riclitigen Augenarzte 
gehen. So bekam ich das mißhandelte üpferlanuii zu sehen. Trutz 
genauester Untersuchung fand ich nichts von einem Fremdkörper 
in der Hornhaut, dagegen eiblidcte ich unter dem gewalttätigen Bohr- 
toch einen deutlichen Pigmentfleck in der Iris, der für den angeblichen 
Fremdkörper in der Hornhaut gehalten worden war. 

Wenn eine solche Verwechslung^ eines Irisfleckes mit einem Horn- 
hautpigmentfleck bei ungeübten Kurpfuschern vorkommt, so darf 
man ^ich nuch auf das Umoekehrte, die Verwechslung eines Horn- 
hautpigmentfleckes mit einem Irisfleck, gefaßt machen. 

Kurpfuschertuni. Braune, rotbraune oder schwarzbraune Flecken 
mit scharf begrenzten Rändern sind Zeichen der verschmierten 
Kratze (d. S. 51). 

Sie können leicht mit den roten oder gelblichroten Jod zeichen 
verwechselt werden. Sie unterscheiden sich von den Krätzeflecken 
dadurch: 

1. daß man bei Krätze niemals „Nervenfasern" (bei den Augen- 
diagnostikern besteht die ganze Iris aus mehreren Schichten von 
Nervenfasern!) unter den Krätzefleckcn wahrnehmen kann, sondern 
die Krätzezeichen sehen aus, als wenn sie an der Oberfläche der 
Iris aufgeklebt wären, während man dagegen unter den jodliccken 
immer die „Nervenfasern*' sieht; 

2. die Krätzezeichen sind scharf begrenzt und beben sidi deut- 
lieh von der Umgebung ab, wogegen die Jodflecken mit der Um- 
gebung zusammenschmelzen, und ihre Ränder sich in derselben ver- 
lieren. 

Mehr oder weniger zahlreiche, rostbraun pigmentierte Flecken 
bedeuten auch eine Vergiftung mit Mutterkorn (Seeale cornutum). 

Eisen, innerlich genommen, färbt den Magenring braun oder 
braunviolett. 

ß) Blaß rot. 

Wissenschaft. Eine blaßrote Farbe der Iris beim Menschen gibt 
es nicht. Nur bei den sog. Albinos erscheint die pigmentlose durch- 



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^ 63 — 



scheinende Regenbogenhaut wegen ihrer zahlreichen Blutgefäße in 
zart grauroter Farbe. 

Kurpfusclifituin, Nach oben verlaufende blaß-rötliche Ver- 
färbungen sind Zeichen der Vergiftung mit Bromkalium. 

Y) OrauWeiß. 

1. Wissenschaft. Grauweiße Flecke sind durch die Contractions- 
furchen bedingte Zellanhäufungen (cf. S. 58). 

Kiirpfii^« iHMtum. Grauweiße Schneeflocken sind Arsenik- 
zeichen (cf. S. dS) 

2. Wisseiisehaft. Wird mit dem Alter das ücwebe der Iris 
faserreicher, dicker und straffer, und damn auch weniger durch- 
scheinend, so nimmt die ursprünglich blaue Iris einen grauen Farben- 
ton an (cf. S. 50). 

Knrpfnacliertiim. Eine schmutziggraue Iris, besonders in der 
oberen Hälfte, bedeutet Vergiftung mit Salizylsäure. Es scheint, 
ak läge ein Überzug darüber, der aber nicht so fein ist wie derjenige 
des Kreosot. Hat der Patient das Kreosot in sehr großen Mengen 
genommen, so sieht die Iris häufig^ aus wie „geschlagenes Eiweiß". 

Graue, bleigraue Farbe des Magengebietes hf ein Zeichen der 
Bleivergiftung. Findet sich auch bei alten Biertruikern, denn das 
Bier, sagt Liljequist, hat die Eigenschaft, eine kleine Quantität 
des Bleies, welches das Glas enthält, zu lösen. 

3. Wissensehaft. Bei einer schweren Erkrankung des Auges, 
der Regenbogenhautentzfindung^), bildet sich am PupiUenrande der 
Iris eine grauweiße Ausschwitzung, ein sog. Exsudat, welches den 
freien Rand der Regenbogenhaut mit der vorderen Linsenfläche 
verklebt, und welches als ein schtnaler grauweißer Ring erschein^ 
wenn es in größerer Mcnq^c vorhanden ist. 

Kurpfiisehertura. Ein grauweißer, schmaler Ring um die Pu- 
pille ist das Zeichen der Opium Vergiftung. 

5) Oelb. 

Wissenschaft, über die gelbe Pigmentierung der Regenbogen- 
haut cf. S. 50. In hellen Regenbogenhäuten sieht man manchmal, daß 
die ganze Iriskrause gelb pigmentiert ist, und wie ein schmaler 
gelber Ring die Pupiilarzone umgibt (Fig. Q). 

Gelbliche Verfärbung der Regenbogenhaut findet sich auch bei 
entzündlicher Entartung des Augapfels. 

Kurpfusch crtum. ßlaßgelbe Zeichen bedeuten Antipyrinver- 
giftung, weiBlichgelbe Zeichen Antifebrin Vergiftung. Fadenfeine 

^) Ober die Rolle derselben in der Gesciiichte des bösen Blickes cf. 
Bd. 1. S. 72. Bd. II. S. 156. 



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weiße oder gelblichweiße Linien um das Magenfeld sind Zeichen der 
Strychnin vcrgiftunor fpig_ i7)_ Finden sich auch bei alten Bier- 
trinkern, denn schlechtca Rier enthalt nach Liljequist Strychnin. 

Scharf gelbe Farbe, anlangs nur in der Magendarinpartie, findet 
sich nach Gebrauch von Chinin. Bei längerem Gebrauch verbreitet 
sich die Farbe über die ganze Iris, die bei ursprünglidi blauer Farbe 
nunmehr grünlich erscheint, während das braune Auge orange- 
gelb wird. 

£) grünlich. 

Wissenseliaft. Die blaue Iris nimmt eine grünliche Verfärbung^ 
an nach Durchblutung des Augeninnern, z. B. bei Verletzungen 
usw. Diese schwindet im Laufe der Zeit Eine derartige Färbung 
wird auch, allerdings selten, bei Kindern nadi Sdiieloperationen be- 
obachtet, wenn eine stärkere Bindehautblutung erfolgt war. 

Kurpfnschertnm. Eine blaue Iris wird grünlich durdi Chinin- 
vergiftung (cf. S. 64 oben). 

Q igelbgrün- 
Kurpfnscheitnm. Zeichen der Schwefel Vergiftung. 

r,) blau. 

Wissensr hilft. In einer braunen Iris kann durch umschriebenen 
Schwund (Atrophie) der vorderen Irisschichten (z. B. beim grünen 
Strff) ein blauer Fleck entstehen, nämlich infolge Durchschi mmcms 
einer dunklen Farbe (Pigmentblatt) durch farblose Schicht (erhaltene 
tiefere Stromaschichtcn) (cf. S. 50). 

KurpfuscUerluin. In dem entsetzlichen Buch von Mfiller-Felke, 
das man seiner darin geäußerten Ansichten wegen fast mit dem 
„Hexenhammer'< vergleichen könnte, heißt es wörtlich: „Wie man- 
cher Patient hat eine Jungbomi)-Kur in Repelen mit braunen Augen 
begonnen und ist mit blauen Augen nach Hause i^^cG^angen! ... 
Sind die Bedingungen dnm gegeben, so wird in dem Maße, wie 
der Körper die Fremdstoffe ausstößt, ein allmähliches Hinüber- 
schimmern der Iris in die blaue Klasse von statten gehen. Das Blau- 
oder Grauwerden erstreckt sich entweder über die gesamte ins oder 
über Teile derselben." 

Man weiß wirklich nicht, mit welchem parlamentarisdien Aus- 
druck man solche Behauptungen belegen soIL Ich bezweifle im aller- 
höchsten Grade, daß die Herren in Repelen jemals das Blauwerden 
einer braunen Iris beobachtet haben. Wenn dieses aber doch der 

) Eine bekannte „Naturheilanstalt" in Repelen, wo Felke eine Zeitlang 
„arztete". 



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Fall gewesen ist, so handelte ps sich immer um sehr schwere ent- 
zündliche Entartungen des AiiL.ipfck, wie wir oben auseinander- 
gesetzt iiabcii, denn das Blauwcrden der braunen Iris ist stets das 
Zeichen einer Erkrankung und nie das Symptom einer Gesundung. 
Die Herren, die den traurigen Mut iiaben, ihren vertrauenssehgen 
Patienten einzureden, ihre Augen zeigen die Farbe der Genesung, 
während sie in Wirlclichkeit der schwersten Erkrankung anheini- 
gefallen sind» die begehen ein unverzeihliches schweres Verbrechen, 
das die strengste Bestrafung erfordert. Aber wie gesagt, ich be- 
zweifle, daß diese Herren jemals das an sich recht seltene Blau- 
werden einer dunklen Iris beobachtet haben. Ich halte ihre ganze 
Behauptung, wie alles, was sie über die Augendiagnose vorbringen, 
für Lug, Betrug und Schwindel, 

Bei dieser (lelcfrenheit wollen wir es nicht unterlassen, mit 
kurzen Worten aul die 

Farbenyerftnderangen 

hinzuweisen, die die Wissenschaft kennt Wir können hier 1. eine 
konstant bleibende und 2. eine vorübergehende Farbenveränderung 
unterscheiden. 

1. Konstant bleibender Farben Wechsel, 
a) Die Iris wird dunkler 
a) Jedes neugeborene Kind wird mit blauen Augen geboren. In 
den ersten Lebensjahren ändert sich die Farbe und wird dunkler. 
Je dichter und dicker das Irisstroma wird und je mehr i^ignientzeilen 
auftreten, um so brauner wird die Regenbogenhaut (cf. S. 50). Ls 
ist dies ein ganz normaler Vorgang in absolut gesunden Augen, 
ß) Dunkelfärbung in kranken Augen findet sich: 
aa) infolge von Blutungen im Augeninnem; 
ßß) nach entzündlicher Entartung des Augapfels; 
Xy) nach Eisensplitterverlctzung. 

Die Iris nimmt dann eine schmutzig dunkelbraune Rost- 
färbung (Siderosis buibi) an. 

b) Die Iris wird heller. 
JMan beobachtet eine derartige Enterbung 
a) infolge von erhöhtem Druck im Augeninnem beim grünen Star; 

ß) nach Regenbogenhautentzündungen; 

Y) beim sog. Heterophthalmos (das eine Auge zeigt eine andere 
Larbe als das andere). Das hellere Auge ist immer das kranke und 
leidet an chronischer Entzündung der Aderhaut und Iris, daneben 
besteht grauer Star; 

Sei ig mann, Augeodiagnose. 5 



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b) ohne bekannte Ursache nach Analogie gewisser mit Pigment« 
Verschiebung einhergehenden Hautleiden. 

2. Vorübergehender FarbenwechseL 

Die Iris ist bei Einwirkung grellen Uchtes heller als bei mäßiger 
Beleuchtung, mit Ausnahme des ziliaren und papillären Randes. Be- 
sonders deutlich zu sehen ist dieses bei Augen mit blauen oder grün» 
liehen Regenbogenhauten. 

Außer dem Hellerwerden der Iris bei Lichteinfall ist noch eine 
andere merkwürdige Veränderung an hellen und selbst manchen, 
braunen Aupi^en zu bemerken: eine Farbenveränderung. 

Blaue Au<);en verlieren ihr intensives Blau, die Farbe erscheint 
weniger gesättigt; andere bekonunea einen Sticii ins üraue, noch 
andere ins Oelbliche. Dunkelblaue Augen erscheinen blaugrün. 

Graue Augen erscheinen bei herabgesetzter Beleuchtung bläu-^ 
lieh, bei hellerer Beleuchtung grünlich, andere tatsächlich grün, andere 
gelblich, andere schmutzig elfenbeinweiB. 

Grünlichgraue Augen werden bei stärkerer Beleuchtung heller, 
bei weiterer Steigerung der Belichtung grün, manche bisweilen auch. 
gelbUch. 

Gewisse braune Augen erscheinen bei hellem Licht ^grünlich- 
gelb mit bräunlichem Stich, bei mäßiger heller Beleuchtung grünlich- 
blau. Es gibt hellbraune Augen, die bei mäliig heller Beleuchtung 
nahezu blau erscheinen, in sehr hellem Lichte gelblichgrün. 

An braunen Augen sieht man manchmal an den zuerst in der 
Iris sichtbar gewordenen weißlichen Anteilen eine gelbliche Ver> 
färbung auftreten, nachdem das Lidit einige Sekunden eingewirkt hat» 

Die Erscheinung ist durch eine bei der Kontraktion des Ring- 
muskels auftretende Doppelbrechung zu erklären. 

Auch die Verengerung der Pupille bei Akkomodation bewirkt 
Aufhellung der fris, d. i. Doppelbrechung und Farbenveränderung. 
Allerdings sind die Farbenveränderungen hierbei nidit so auf- 
fallend.i) 

0) schwarz. 

Wissenschaft. Wirklich schuar/e Pigmentflccke der Iris sind 
verhältnismäßig selten. Dagegen können die schwar/en Schatten, 
die durch die erhabenen Gefäßbegrenzungen auf dem tiefmi Stroma 
erzeugt werden, leicht für schwarze Striche, Punkte oder Flecken ge> 
halten werden. Vom pupillaren Rande der Iris erstrecken sich eine 
große Anzahl von kleinen, strahlenförmig angeordneten Falten und 
Leisten peripheriewärts. Am deutlichsten ausgeprägt sind sie in. 

•) Gstettner, Pflügers Archiv. 105. Bonn 1904. 



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Fhrbta/elW.MwSeliijmann , Alleen (Uuffnose, uJfixrjjfvscher'öznt. 





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der Pupillarzone. Nicht alle sind sie gleich erhabeö, [»»fMjeni die 
einen sind flacher und deshalb weniger deutlich ^iduBar*{(ls..diQ 

anderen. Der Schlagschatten, den die eirizeln^i^^JLdst^ir rw^rfeti,*; 
oder der dunkle Zwischenraum, der zwischen zwei eng nebepeinan<Jer- 
liegenden Fältchen entsteht, imponiert als sch\var2eT ötncjh.* •/ 

In der Ziliarzone dagegen, wo die Leisten und Falten mehr ver- 
strichen sind, sieht man weniger schwar/e Strictie als vielmehr 
scliwarze i-'unklc und Flecke. Aucii die^c kuninien durch das 
Schattenspiel der die kleinen grubigen Vertiefungen oder Lakunen 
(s. d.) begrenzenden Blutgefäße zustande, oder es handelt sich um 
das Zutagetreten der tieferen Stromascbichten (Fig. 10, 11) i). 

Außer diesen in jedem gesunden Auge wahrzunehmenden schwar- 
zen Flecken und Fleckchen gibt es noch feinste schwarze Punkte und 
Flecke, die nur in kranken Augen vorkommen; es handelt sich da- 
bei um Pigment/'ellen, die durch den Säftcstroni verschleppt worden 
sind, sog. Pigmentmetastasen. Sie finden sich bei Verletzungen, 
Entzündungen, Entartungen und als Frühsyniptom einer sehr gefähr- 
lichen Augengeschwulst, dem bösartigen Aderhautskrkom. Ein recht- 
zeitiges Erkennen der Ursache solcher Pigmentverscfaleppungen kann 
manches Unheil verhüten, ein Verwediseln derselben mit einer un- 
schuldigen Lakune kann das grüßte Unglück im Gefolge haben. 

Kurpfuschertom. Die Augendiagnostiker kennen keinen Unter- 
schied zwischen schwarzen Pigmentflecken und schwarzen Schatten. 
Schwarz ist für sie schwarz. Tritt zufälligerweise eine Falte der Pu- 
pillarzone etwas deutlicher hervor, so ist dies ein Zeichen von Magen- 
erkrankungen der verschiedensten Art (cf. S. 55). Erstreckt sicli 
dieselbe in das Blinddarmgebiet (cf. Regionenlehre), so handelt es 
sich um eine sehr schwere Erkrankung, denn das Zeichen geht ja 
bis zum Ring des sympathischen Nervensystems (cf. S. 56). 

Liegen solche schwarze Zeichen In der Ziliarzone, so bedeuten 
sie immer einen Substanzverlust des Organes, an dessen korres- 
pondierender Irisstelle sie gefunden werden. 

Wir kommen damit ZU der modernen Regionenlehre der Augen- 
diagnostiker, zu den 

k) Krypten oder Lakunen 

der Wissenschaft. Diese sind es, welche im wesentlichen dem 
Relief der Iris seine große Mannigfaltigkeit verleihen. Sehen wir 
uns die verschiedenartigsten Regenbogenhäute an, so können wir 
zwei Hauptformen derselben unterscheiden : 

1. Die glatte Regenbogenhaut, die fast eine ebene Fläche 
bildet. In dem Stronia dieser Iris verlauicn die zahlreichen Blutgefäße 

') Die Fig. 10, 11, 17 befinden sich auf Farbtafel il. 

5* 



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ununterbroQhenHn gerader Richtung vom Ziliar- zum Pupillarrande 
und bilden iirder Form von vorspringenden, radiär gestellten Leisten 
;*j die tJiliüCn^t -feinez-Z^d^ der Iris Diese Blutgefäße sind von 
• ? Alfter- nKlh*r'fHler'*wemgcf diciven weißen, bindegewebigen Hülle 
(AdVfJ^taiaX iJÄigelei^ und erscheinen deshalb mehr oder weniger 
deutDcft'laiiS' W^tB^ Miär verlaufende zarte Linien in der Oberfläche 
der Iris. 

2. Die zerklüftete Regenbogenhaut, deren Oberfläche mit 
zahlreichen Gruben und Grübchen durchsetzt ist. Diese Krypten 
oder Lakiinen (Fii^. 3, 5, 7) sind reine Ziifallsprodukte. Sie ent- 
stehen durch einen Mangel oder durch eine gewisse Armut an Ge- 
fäßen in den mittleren und vorderen Irisschichten. Ihre Gestalt ist 
desto deutlicher ausgeprägt und ihre Bcränderung desto schärfer mar- 
Icief^ je reichlicher ihre nädiste Umgebung von dicken Gefäßstämmen 
durchzogen wird und je ausgiebiger diese Oefäße von bindegewebi- 
gen Hüllen umkleidet werden. Ist das Bindegewebe der Iris, welches 
sich zwischen den BlufgefäSen und um dieselben herum befindet, 
nur mäß^ ausgebildet oder aus irgendwelchen Gründen wieder ver-. 
schwnnden, so treten auch die Lakunen nicht mehr sehr auffällig 
in Erscheinung. 

Zwischen diesen beiden Formen der glatten und zerklüfteten 
Iris gibt es nun zahlreiche Übergänge. Es gibt Regenbogenhaute, bei 
denen die gerade verlaufenden Blutgefäße an einzelnen Stellen nur 
wenig von ihrer Richtung abweichen, und dadurch kleine und kleinste 
schwarze Grübchen hervorbringen. Andererseits findet man R^en- 
bogenhäute, in denen die Blu^äBe bedeutend von ihrem geraden 
Verlaufe abweichen, große Bögen bilden und mit diesen breite und 
tiefe Gruben einschließen und umgrenzen. Ich habe es als die 
Regel (gefunden, daß, wenn überhaupt größere Lakunen vorkom- 
men, diese gewöhnlich sich in der Mehrzahl und Vielzahl finden. 
Vereinzelte gr()lkTe Lakunen sind verhältnismäßig selten. Diese Ver- 
schiedenartigkeit der Form und die wechselnde Menge und Oröfie 
der Lakunen bewirken es, daß man wohl kaum zwei Regenbogen- 
häute finden kann, die sich völlig gleichen. Wie die Linien der 
Daumenabdrücke nach dem Bertillonschen System zur Erkennung 
eines Menschen verwendet werden, so könnte mit demselben Erfolge 
auch die mannigfaltige Zeichnung des Irisreliefs zu demselben Zwecke 
ihre Verwertung finden. 

Zum Unterschiede von diesen angeborenen Lakunen im q:e- 
sunden Auge müssen wir noch gewisse grubige Vertiefungen er- 
wähnen, die bei krankhaften Prozessen im Auge auftreten können, 
so nach Abheilung von syphilitischen Geschwülsten (Fig. 9), ins- 
tuberkulöse usw. 



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Die Zeichnung des Irisreliefs wird verwaschen und selbst un- 
kenntlich bei Entzündungen und Entartungen der Iris. 

Bei Fällen von sog. „reflektorischer Pupillenstarre" beobachtet 
man oft eine ganz besondere Veränderung der Iris, die als ein der 
Rückenmarkschwindsucht, Paralyse und alten envorbenen Syphilis 
eigenes Symptom angesehen werden muß. Diese Veränderung be- 
steht in einem bald diffusen, bald sektorenförniigen Verstrichensein 
der Falten und Erhöhungen der Iris, die dadurch ihren schillernden 
Olanz verliert Das Erlöschen des Liditreflexes geht immer dem 
Irisschwunde voraus. Eine Etlcrankung des Nervenstammes der sich 
sdctorenförmig in der Iris verteilenden Nervenfaserchen scheint die 
Ursache dieser Erscheinung zu sein. 

Knrpfuschertam. Wie die Farbe der Regenbogenhaut für die 
Augendiagnostikcr ein Gradmesser der Gesundheit und Kraft ist, 
so gilt dasselbe auch für die Dichtigkeit der Iris. Hierunter werden 
die verschiedenen (nicht farbigen) Punkte, Flecken, Wolken", ge- 
rade und krumme Linien u. dgl. verstanden, die den Gesamteindruck 
der Iris ausmachen. Je weniger von diesen Zeichen vorhanden 
sind, um so gesünder ist der Mensch ; je mehr dieselben zunehmen, 
um so kranker wird er. Die Augendiagnostiker untersdieiden nun 
auf Orund ihrer glänzenden anatomischen Kenntnisse 6 Klassen der 
Dichtigkeit (Fig. 10). 

1. Sehr feine und dichte Iris. Dieselbe ist so fein und dicht 
wie Glas oder Perlmutter. Keine Linie und kein Organzeichen unter- 
bricht die reine Farbe der Iris. Findet sich am h;iiifigsten bei See- 
leuten oder Bergbewohnern, bei Personen, die sich ausarbeiten, mäßig 
und nüchtern leben. Genuß- und Medizingifte meiden und von 
gesunden Eltern stammen (Fig. 10, i). 

2. Feine Iris. Findet sich am häufigsten bei nicht syphilitischen 
Seemännern oder bei nicht verkrätzten Landleuten (Fig. 10, j). 

3. Ordinäre Iris. Wird am häufigsten gelundeu. Leute mit 
solcher Regenbogenhaut behaupten, sie wären gesund (Fig. 10, 3). 

4. Grobe Iris. Die „Nervenfasern** erscheinen weit getrennt. 
Leute mit sokher Iris betrachten sich als Patienten, füllen aber bei 
einiger Willensstärke ihren Posten noch leidlich aus, namentlich wenn 
ein eisernes Muß sie dazu* zwingt (Fig. 10, 4). 

5. Schlechte Iris. Dieselbe zeigt Offnungen und Lücken zwi- 
schen den „Nervenfasern". Zeichen angeborener Organschäden. Eine 
falsche Erziehung wurde den Leuten mit solcher Iris verhängnisvoll. 
Sie geben sich auch über den Ernst ihrer qesundhoitlichen Lage 
keiner Täuschung mehr hin, denn sie fühlen, wie es mit raschen 
Schritten bergab geht (Fig. 10, 6). 



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6. Sehr schlechte Iris. Die Zeichen sind noch ausgeprägter 
als wie bei der vorigen. Sie sind solchen KranJven eigen, die schon 
infolge starker erblicher Belastung zu den verschiedensten und sciiwer- 
sten Leiden veranlagt waren (Fig. 10, o). 

Diese 6 Grade der Dichtigkeit geben uns einen Beweis dafär, 
was die Augendiagnostiker zustande bringen, wenn sie einmal ver- 
suchen, ihren Lesern „anatomisch" zu kommen. JVUt Anatomie und 
Wirklichkeit hat diese Irisbeschreibung ungefähr dieselbe Ähnlich- 
keit wie die Malereien eines phantasievollen australischen Ein- 
geborenen mit den naturgetreuen hochentwickelten Reproduktionen 
der modernen farbigen Photographie. Bevor die Auirendiagnostiker 
einen derartigen Unsinn zusammenschmieren, sollten sie sich doch 
lieber einmal der Mühe unterziehen, eine Iris unter dem Mikroskope 
zu betrachten. Dann würde ihnen klar werden, daß die Iris nidit 
aus Nervenfasern, sondern aus Blu^efäßen und Bindegewebe be- 
steht, wie wir oben schon auseinandergesetzt haben. GevnB sind 
in der Iris, wie in jedem Organ des menschlichen Körpers, Nerven- 
fasern vorhanden, aber dieselben sind so fein, daß man sie selbst 
unter dem Mikroskop nur mit Benutzung sehr subtil ausgebildeter 
Fäibciiietlioden erkennen kann^). Das, was man mit bloßem Auge 
als vorspringende Linien, Valien und Begrenzungen der „Organ- 
schäden'' sieh^ das sind keine Noirenfasem, sondern in dickes Binde- 
gewebe eingehQlite Blutgefäße. Dieselben erscheinen, wie wir oben 
(S. 68) auseinandeigesetzt, häufig als zarte weiße, radiär verlaufende 
Linien, und müssen sich, je nach Dicke, Menge und Laime des 
phantasievollen Augendiagnostikers, gefallen lassen, bald als Nerven- 
fasern, bald als Entzündungszeichen und bald als Zeichen 
der Morphium Vergiftung ausgelegt zu werden. Letzteres ist na- 
mentlich dann der Fall, „wenn zahlreiche sdiarfe, gerade, feine 
weiße Linien von der Pupille strahlenförmig noch obenhin ver- 
laufen. Sie treten meist in sok*her Menge auf, daß sie fötmlkAe 
Schattierungen bilden". 

Es gibt nun keine einzige Iris auf der Welt, die nicht ferne, 
strahlenartig angeordnete Linien enthält, weil es keine Iris ohne Blut- 
gefäße gibt, und weil letztere immer strahlenartig angeordnet sind. 
Glas- oder pcrhnutterartige Regenbogenhäute ohne Streifung, wie 
die Augendiagnostiker sie als erstklassige schildern, gibt es daher 
überhaupt nicht. Derartige Bilder sind reines Phantasieprodukt, und 
Wühl dem Auge irgendeines Wesens aus Wolkenkukukslieim ent- 
nommen, aber niemals aus dem Auge eines lebenden Menschen. Auf 



S. Seiigmann. Die miliroskopischett Untersuchungen des Auges. 
Berlin. 1890. 



»1 



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der Grundlage dieser „idealen" Iris sind die übrigen mehr oder weni- 
ger idealen Irisbilder aufgebaut. Unter ihnen beanspruchen das 
meiste Interesse die . 

Zeichen der Organschäden. 

Mit ihnen feiern die Dummheit und die Arroganz der Augen- 
diagnostiker ihre höchsten Triumphe. JMan lese und staune: 

Die Natur zeichnet die Krankheitszustände des Köipers in den 
Augensternen auf zweierlei Weise: 

A) Entzündungsvorgängfe in weißen über die Umgebung 
sic!i erhebenden Linien, Punkten oder Wolken. (Wahrend diese 
Zeichen in blauen Augen immer weiß sind, erscheinen sie in braunen 
Augen gelb.) 

B) Fluß- oder Katarrhschäden durch tiefer in die iris ein- 
gegrabene dunkle Schattierungen bis tiefschwarze Flecken. 

Die weißen Zeichen der Entzündung entstehen dadurch, daß 
die Nervenfasern der Iris über der Oberfläche hervortreten; die 
dunklen Flu6zeichen dadurch, daß von den Itbereinanderliegenden 
Schichten der Iris sich eine dieser Schichten nach der anderen ver- 
liert, bis dann der schw ar/e Hintergrund sichtbar wird. 

Die wcilk'n natürlichen Linien sind von den durch Medikamente 
entstandenen leicht zu unterscheiden dadurch, daß die letzteren mehr 
verschwommen ganz obenauf liegen, während die elfteren scharf 
gezeichnet sind. 

Zur lUustrierung dieser unverschämten Behauptungen geben die 
Augendiagnostiker Bilder in der Art wie Fig. 11. 
Man sieht darin: 

A) Entzündungszustände. 

1. Reiner Entzündungszustand zur Zeit seines Höhepunktes, 
charakterisiert durch rein weiße wo 1 k c ri artige Zeichen. Wird der 
Natur in ihrem Heilbestreben durch die bösen approbierten Arzte 
kein Hindernis in den Weg gelegt, so verlangsamt sidi der Blutstrom, 
die weiße Farbe lichtet sich, und die Orundfart>e der Iris dringt all- 
mählich wieder durch. Schließlich verschwinden die weißen Ent- 
zündungswolken gänzlich und hinterlassen keine Spur ihrer fräheren 
-Existenz (Fig. 11, i). 

2. Offener, schlummernder, latenter Schaden, halb hitziger 
(akuter), halb schleichender (chronischer) Ziistand, wie z. B. bei 
Asthma, Nachtripper, Stockschnupfen. Er entsteht aus dem erstercn 
durch naturwidrige Behandlung (Blutentzieliung, Eisbeutel, xWedi- 
zin usw.) und wird charakterisiert durch feine weiße, nicht geschlos- 
sene Linien. Zwischen denseilien finden sich sdion vereinzelte 



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schwarze Zeichen (Fig. 11, 2). Wird der Körper durch die Behand- 
hjng eines „Naturarztes'* gekräftigt, so wird der beginnende chro- 
nische Zustand wieder zu einem akuten, und es erfolg^ uenesung 
und damit Schwinden der offenen Entzündungsscliäden. 

3. Oesi:hlossener Schaden. Dieser entsteht aus dem offe- 
nen, wenn dem Körper nicht die Oel^nheit gegeben wird, den 
Schaden wiiklich auszuheilen. Die dunklen Linien innerhalb des 
weißen Organschadens weisen auf den chronischen Zustand hin. 
Solche Schäden schmerzen nicht mehr, bleiben aber immer schwächere 
Stellen und können Flußschäden werden. 

B) Flußschäden sind dunkle Schattierungen, die von weißen 
Linien umgeben und durchbrochen sind. Je tiefer, dunkler und je 
weniger von Weiß durchzogen diese Schatucrungen sind, um so 
bedenklicher sind die Schäden. Bei Flußschäden erster Klasse fiber- 
wi^en noch die weißen Heiluqgslinien, in der zweiten Klasse sind 
die weißen und schwarzen Linien in gleicher Staike vertreten, wah- 
rend in der dritten Klasse die schwatzen Schädenlinien die Oberhand 
haben. 

Auch bei den Fhißschäden unterscheidet man: 

1. offene Fluß Schäden. Die Einschließung durch weiße 
Linien ist noch unvollständig (Fig. 11, 4); 

2. geschlossene Flußschäden, das sind ganz von weißen 
Linien umgebene und durchzogene dunkle bis schwarze Partien 
(Fig. 11, 6). 

Wie der Name andeutet, können die Flußschäden einen wirk- 
lichen Katarrh anzeigen, etwa einen Kehlkopf-, Lungen- oder Blasen- 
katarrh. Aber auch bei Geisteskrankheiten findet man Flußzeichen, 

und zwar in der ( lehirnpartie Schließlich zeitij^en auch größere 
Erschütterungen einer Körperpartie, z. B. durch Fall oder Schlag, 
ebenso Verrenlvun£,rcn und Knochenbrüche diese Schädenzeichen. In 
solchen Fällen deuten die weißen Linien die Stellen an, wo das Biut 
zu Heilungszwedcen ungewöhnlich viel feste Stoffe ablagerte, die 
dunklen Flecke die durch das Zerreißen der Adern bedingten Blut- 
ergüsse und Stauungen, im Volksmunde „Qeliefer" genannt 

C) Tiefschwarze Flecke, in den tiefsten Irisschichten ge- 
legen, bedeuten immer einen Substanzverlust. Jeder frische 
Knochenbriich hat dieses Zeichen gewaltsamer Ocwebstrenniincr. Da- 
her beobachtete Pec/ely im Auqe seiner Eule den schwarzen Strich, 
als er ihr das Bein hr;?ch fS. 47). Wenn der Knochenbruch ausheilt 
und sich liabei die KaHusbildung einstellt, so ahmt das Auge diesen 
Heilungsvorgang nach, indem sich um den schwarzen Fleck herum 
ein weißer Hof bildet (Fig. 11,6). Neben den Ursachen traumati- 
scher Art sind es Eiterungen, die Oewebstrennungen im oder am 



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Körper und damit schwarze Flecke in der Iris erzeugen. Bilden 
sich z. B. bei der Lungentuberkulose ausgesprochene Höhlungen oder 
Kavernen im Atniungsorg:an, so zeigt die Iris das Vorhandensein 
derselben in Form von kleinen Lücken an. Dasselbe geschieht nach 
schweren, langwierigen Drüsen-, Nieren-, Knochen- und sonstigen 
Eiterungen. Hier handelt es sich stets um einen Sul>.sianzverlust, der 
im Auge als schwarzer Fleck zur Darstellung koniint 

D) Außer diesen Of;gad8chäden sehen «rir in der Fig. 11 bei 3 
noch einen rotbraunen Kratzefleck, und bei 4 mehrere gelbe 
Flecken von Medizinvergiftung. 

Man weifi bei dieser Beschreibung wirklich nicht, worüber man 
sich mehr wundern soll, über die gänzliche Unkenntnis der Anatomie 
der Regenbogenhaut und dem absoluten Marinel an jeglicher Be- 
obachtung, oder über die dreiste Unversehämtiieit, mit welcher der- 
artige Phantasien eines geisteskranken Idioten dem Publikum als 
anerkannte Tatsachen serviert werden. Die angeblichen otfenen oder 
geschlossenen Zeidien der Organschäden sind, wie wir oben aus- 
einandefgesetzt haben, nichts weiter als die ganz natürlichen, oft 
massenweise auftretenden Lakunen oder Krypten, die von den Blut- 
gefäßen mehr oder weniger deutlich eingefaßt werden. Sie bleiben 
völlig unverändert, wie ein wirklicher Beobachter bei jeder akuten 
oder chronischen Körpererkrankung alle Tage konstatieren kann. 
Es bilden sich weder weiße und schwarze Linien, noch verschwin- 
den dieselben im Laufe der Erkrankung. Die angeblich weißen Ent- 
zündungswolken, die über der mit der erkrankten Körperstclle korre- 
spondierenden Irispartie schweben sollen, and in Wirklichkeit nie 
beobachtet worden. Dieser Blödsinn wird einfach kritiklos immer 
wieder und weiter nacherzählt; er erbt sich wie eine ewige Krankheit 
fort Und auf diesem morsdien und verfaulten Fundament baut sidi 
die 

Regionenlehre 

der Iris auf. Da alle inneren und äußeren Körperorgane Beziehungen 
zur Regenbogenhaut haben sollen, so hat die Natur es den Anhängern 
der Augendiagnostik zu Gefallen so eingerichtet, daß sich für jedes 
Ofgan des Körpers eine bestimmte Stelle in der Iris findet, die als 
Signalstelle für die Erkrankung dieses betreffenden Oiganes dient, 
und zwar liegen diese Stellen oder „Regionen" auf derjenigen Linie, 
di^ von der Mitte der Pupille aus zu dem (»etreffenden Körperteil 
hingezogen werden kann. 

Die Stirn und der Oberkopf müssen also oberhalb der i^upille 
ZU suchen sein, die Fiii^v nach unten, der Nabel nach unten und innen, 

Stellen wir uns einmal auf den kindischen Standpunkt der Augen- 



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diagnostiker und nehmen diese Behauptung als Tatsache an, so 
müßten wir auch sofort logischerweise /u dem Schhisse kommen, 
daß diese Organielder in den Augen der verschiedenen Alenschen 
verschiedene Lagen einnehmen müssen, je nach dem wechsehiden 
Augenabstand und dem wechselnden Breitendurdimesser des Körpers. 
Bei einem Menschen, der einen Augenabstand von 5 cm hat, muß 
z. B. eine nach der Leber gezogene Linie auf der Iris ganz anders 
verlaufen, als bei einem Menschen mit 7 cm Augenabstand. Oodi 
auf solche naheliegenden Gedanken kommen die Augendiagnostiker 
nicht. Gedanken und Logik hassen sie wie die Sünde. 

Das rechte Auge ist im allgemeinen für die rechte Körperhalfte, 
das linke Auge für die linke Körperhalfte da; doch gibt es hier 
(nach Liljequiät) eine Abweichung, da die Harnröhre, Sciieide und 
Gebärmutter nur im rechten Auge ihre Repräsentationsstelle be- 
sitzen, und nicht zur einen Hälfte rechts und zur andern Hälfte iinics, 
wie es bei den übrigen symmetrischen in der JMittellinie des Körpers 
gelegenen Teilen, wie Nase, Mund, Kehlkopf der Fall ist. 

Das Geschlechts feld besitzt die Eigentümlichkeit, daß sich 
über seine Lage die Augendiagnostiker selbst am meisten befehdet 
haben. Wenn es die Natur so weise eingerichtet hat, daß für jedes 
Organ ein bestimmtes Irisfeld vorhanden ist, das auf die Krankheiten 
seines korrespondierenden Kurperteiles mit Wolken, Punkten und 
Strichen reagiert, so sollte man doch wenigstens meinen, daß die 
Herren, die der Natur ihr Geheimnis abgelauscht haben, auch die 
Lage dieser einzelnen Organe in der Iris genau kennen. Aber weit 
gefehlt' Die Vergleichung der verschiedenen Schemata (Fig. 12 — 16) 
ergibt, daß die einzelnen Autoren über die Lage mehrerer Organe 
ganz verschiedene Ansichten haben. 

Um nun zu dem Oeschlechtsfeld zurückzukehren, so behaupten 
Peczely und Schlegel, im Gegensatz /u Liljcquist, daß das 
reclite Auge den medianen Teil des Harn- und Oeschlechtsapparates 
repräsentiert, also männliche und weibliche Harnröhre, Scheide, 
Uterus. Die beiden Hoden und Ovarien sind auf beide Augen hälftig 
verteilt. Auch Thiel, Prager und Lane verl^en das Oebäimutter- 
feld in beide Augen. Nach Felke ist es nur im rechten Auge zu 
finden; er bezweifelt auch die Annahme einzelner Forscher", in 
verschwindend wenigen Fällen sei es sowohl im linken als im rech- 
ten Auge zu sehen; nur die Scheide und den Kitzler habe er in der 
linken Iris gefunden. Täuschungen sind ausgeschlossen, denn die 
Augendiagnostiker irren sich niemals! 

Auch über die Lage des Feldes der Speiseröhre sind sidi die 
gelehrten Zunftgenossen nicht einig. Nach Liljequist und Lane 
liegt dieselbe nur im linken Auge, während die anderen Diagnostiker 



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- 75 — 



sie in beide Augen verleiben. Nach Felke ist sie im linken Auge 
vielfach besser und häufiger zu sehen als im rechten. Abgesehen 
von dieser Lage in den verschiedenen Augen gibt es noch Unter- 
schiede in dem Lageort in der Iris. Bei Lane liegt die Speiseröhre 




Redite Iris. Linke Irii. 

Fig. 12. Schema nach P^czeiy. 

1. II. in. IV. bezeidinett das rechte laterale und mediale, sowie das Unke mediale md 

laterale KOrperviertel. 



I. 2. 3. 4. Scbidelviertel (1. 
laterales, Z mediales rechtes, 
a medUues, 4. laterales linkes 

Viertel). 
6. 7. Schcilelnähe. 
5. a Stirnhälften. 
9. 10. 11. 12 Qesichtsvlertel. 

13. 16. Ohren. 

14. 15. Nasenhalfteo. 

17. 18. Schläfen. 
19. 20. 21. 22. Kiefervieftel 
■(wie beim Schädel). 
27. 2H, Miirtdhälften. 

39. 40. Kehle. 
45. 4tj. Schlund. 
47. 48. Lunken. 

4Ö. 50. 51. 52, Bruaikorb- 
viertel (wie oben). 

53. 54. S6. ». Zwerchfell- 
viertel. 

57. Pylorus. 

58. Cardia. 

59. Herz 

60. Dumle tili III. 

61. ti2. u3 M. DUllDdarBI. 
65. Blinddarm. 



66. 67. Colon tranavera. 
68. 69. „ ascendeaa u. 

descendens. 
70. 71. s. ronaotim. 

72. Rectum. 

73. Milz. 
7J. Lclier 

75. 76. 77. 78. Nieren (je die 
med. u. lat. Hälfte. 

79. 80. Harnbl.nsenhaiften. 

81. Harnröhre und Scheide. 

82. 83. rechte und linke 
Haifte des Uterus. 

84 85. Ovarien. 
86. ^7. Tubcii. 
88. üki. Nabel. 

90. 5*1. 92. 93. latcr lc und 
mediane Leistengeuend recht.s 
und links, 

»■t 9:>. 1*1 <»7. Bauchregionen 
im lat. u. medialen Sinne r.o. L 

96. IUI. liuKgcgend. 

99. IOi>. Becken. 

102. 1(13. Lenden. 

104. äußere HMIfte d. r. u. 
Extremität. 



lÜS. innere Hälfte dersdben 

d. Miltelzehe 
c. Fuß 

b. Knöchel 

a. Knie 

e. Oberacbenkelkopf. 
106. innere Hllfte d. I. u. 

Extremität 

d, c, b. a, c wie rechts. 

107 äufSere HSlftc d 1, u. 
Cxtreniitat 

108. rechte obere Extrem. 

c. .Wittelfinger, 
e. Hand 

b. HandwurzeL 
a. Ellbogen. 

d Humcruskopf. 
Hl!', linke obere Extremität 
c, e, b, a, d wie rechts. 
HO. 115. Schuttern 

112. 122 Rippen 

113. 114. r. II, 1. Brustbcin- 
bälfte. 

116. 117, r u 1. Kückgrat- 
bälfte 

118. 119. r. u. I. Hode. 



Die hier oiclit erldArten Nunaieni beziehen sich auf rflckseitige Körperteile. 



oberhalb der Horizontallinie, bei den übrigen Diagnostikern unter 
derselben. 

Aber derartige kleine Raumunterschiede genieren auch nicht 
weiter. Jeder hat mit seiner Behauptung recht, denn die Augen- 
diagnose ist untrüglich! 

Das Schulterfeld liegt bei P6czely und Schlegel am peri* 



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- a *• « .* ,S -i S c 3 ^ 



« 

3s I 



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— 78 — 



pheren Ende des horizontalen Meridians, bei Liljequist, Thiel, 
Prag er und Felke nach oben und außen. Lane kennt dieses Feld 
überhaupt nicht. Aber jeder hält jeden Irrtum für ausgeschlossen, 
denn die Augendiagnose trügt niemals! 





RecWelris 



1. Pupille; deren Rand ist 
die Innere BcKrcnzung des 
Nervengefleclites der his 

2. Magen. A vordere, B hin- 
tere Atagcnwand; C Magen- 
eingang; P Magenausgang 
oder Pförtner (Pvloriisi. 

8 — ■ .'■) 1 A lind •) - 51 
r. A. niinndarni und zwar 
8—5 Zwülffingerdürm (Uiio- 
denum); von 4 9 l.eer- und 
Krummdarm ijujunuin, Iliunii. 

9 lU r. A. Blinddaim 
(Coccum) mit dein wurmlör- 
migen Anhang l Appendix ver- 
miformis). 

10 ' — - 3 r. A. Aufsteigen- 
der Tlü iits Grimmdannct 
(Colon ascL-ndens). 

3 <— > 4 r. A. und 5 - • 6 
1. A. Quergrimmdarm (Colon 
tnns.versum). 

6<-> 7 I. A. Absteigender 
Teil des GrimsMlaraies (Colmi 
descendens). 

T<— >8 I. A. S>nniiiger 
Teil des Grlnndannes (S ro- 
manum, Flesan sicmoidea). 

II. Oberer Sdddä, groSci 
Hirn (Cerebrnm). 

Rechtes Aage: Gc- 



Fig. 15. Schema nach Lane. 

schlechls- und GemOtslebeiii 

Hysterie. 

»/,, Linkes Auge:Nervenza- 
stände, Ohnmacnteilt Schwin- 
del. Fallsucht. 

12. Seiten- und Hinterkopf, 
kleines Gehirn (CereblUlum). 

13. Ohren. 

14. Hals. 

15. Achsel. 

16. Vorderkopf. Stirn und 
Schläfe. 

"',«. Rechtes Auge: Wille. 
>* u. Linkes Auge; Veratand. 

17. AuKC. 

18. Wange. 

11). Nase. 

20. Mund. 

21. r.A. ABC urd I.A. AB 
Bronchien, die Verästelungen 
von D Luftröhre in die Lun- 

fen. XSctoilddmse. BKebl- 
qpf. 

22. Nur fm linicen Aiife: 
Speiserobre. 

23. Nur im linlL Anns: Herz. 
7/k. Oberer Rilclien,B Schul- 
terblatt 

25. Unteier Rücken, A bis C 
Rilcfccrat C Steißbein (Coc- 



Unke Irls 



26. Blase; linltes Auge: N 

Nabel. 

27. Rechtes Auge: A Harn- 
röhre, B rechter Hoden, U Ge- 
bärmutter, V Scheide. Linkes 
Auge: A After (Anus), B lin- 
ker Hoden, A-8 Mastdarm 
(Rectum). 

28. Nieren. 
Fuli, 

31). Si hr nkelheuge. Leisten; 
bei Lcistenbruuli liL't;t das 
Zeichen mehr nach Partie 31 
zu; bei Leistengeschwulst 
(z. B. Bubo) licet das Zeichen 
mehr nach Partie 2*» zu. 

31. Hüfte, K erstock. 

32. Zwerchfell, Bauch. 

33. Rechtes Auge: A Leber, 
B Galle, P Bauchspeichel- 
drüse (Pancrcas). — Linkes 
Auge: Milz. 

34. Arme. 

35. Brustkasten, Brustfell, 
Rippen; a Brustwarze. 

36. Lunge. Rechtes Auge: 
A, B, C oberer, mittlerer u. 
unterer Luneenlappcn. Lin- 
kes Auge: A, B. ooerer und 
unterer Lnngenlappen. 



Das Feld des sympathiscli cn Nervensystems hegt, wie 
schon erwähnt (S. 56), bei den meisten Diagnostikern innerhalb 
des Magendarmringes, bei Liljequist außerhalb desselben. 

Die vordere Wand des Magens liegt bei Liljequist in der 
unteren Hälfte des Magenringes, die hintere Wand m der oberen 
Hälfte; bei Lane und Felke ist das Umgekehrte der Fall. 



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- 79 — 



Das Feld des Blinddarms, das von P^czely und Schlegel 

noch reclit ungenau gezeichnet ist, liegt bei Liljequist zwischen dem 
1600 und 1700, bei Thiel und Prager zwischen dem 150 ^ und 140 








Ut l 


1 ■ 








Rechte Iris. 



P. Pupille (Um dle- 
•elbr: SynipaÜi.Nefv«n- 

■ V-V. VonlcreMxKeii- 
wand. 
H-H. Hintere Magen- 

wand. 

A. Ausgang d.Megcas 
(PÜrtner). 

3- 4. Leer- u, Knimni- 

danr. 

4- 5. Blinddarm mit 

Wurmfortsatz. 

5- 6. Aufsieigeoder 

Grill) rtuiortti. 

f)-:i Qiitriirimmdafm 
(rechte Hallte). 

G-Q. Orobhirn und 
Schadeldach (r. H ) 

W. Wille. 

Sti. Schi, rechte Stirn- 
haifte und r. Schlafe. 

Au. rechtes Auge. 

Na. r. Nasenhälite. 

Ok. rechter Ober- 
kiefer. 

U. recht. Unterkiefer. 

R. Rachen. 

I, 2, 3. Bronchien. 

Schi. Schilddrüse. 

Lf(. K. Luftröhre, 
Kehlkopf. 

Sp. SpeiiefObre. 



Pig. 1& Schema nadi Felke. 



Linke Iris. 



o. 

m. 

u. 



St. Steißbein. 
El. Blase. 

Ur., r. H. UrinrShr^ 
rechter Hode. 
Ut. Uterua fOebSr* 

mutlrri 

r. N : I echte Niere. 

B-B. rechtes Bein. 

r. Lei rechte Leiste. 

u. Bell unter Bauch. 

r. E. recht, Eierstock. 

V. Haiichspeiclul- 
driise 

ü B, oberer Bauch. 

V. Ualleiiblaae. 

Le. Leber. 

r. A. rechter Arm. 

Zw. ZwerchleU. 

Bk. Brustkorb (rechts) 

a rechte Brustwarze. 

Brf. lirustfelMrecht»). 

u.J unter. / '^PP««- 
r. Sch. rechte Schulter. 
r.H. rechte Halshälfte. 
r. O. rechtes Ohr. 
kl. G. kleines Gehirn. 
& O. Hy. Sexual- und 
Qenlltsleben, Hysterie. 



P. Pupille (Um die- 
selbe: Sympath. Nerven- 
system). 

V-V. Vordere Magen- 
wand. 

H-H. Hintere Magen- 
wand. 

JB. Elnuani; z. Magen 
(MaKenmund). 

1- 2. Zwölffingerdarm. 

2- 7. Quergrinimdnrm 
(linke Halftei 

7- 8. Absteif^'ender 
Grini nul.iriii. 

8- 1. S formiger ürimni- 
darm. 

0-0. Großhirn und 
Schädeldach (I. H). 

N. Sch. F. Nervcnzu- 
stände. Schwind.. Falls. 

kl. O. kleines Gehirn. 

1 O. linkes Ohr. 

1. H. linke Halshaifte. 

I. Sch. linke Schulter. 

o \ I oberer^ Lungen- 

u./ • unter. / läppen. 

□ D □ □ Herz. 

Brf. Brustlell (links). 

□ linke Brustwarze. 
Bk. Brustkorb (links). 
Zw. Zwerchfell. 

L Ar. Unker Arm. 
MI. Milz. 



0. Bell, oberer Bauch. 

1. B. linker Eierstock, 
u. Bch. unter. Baaciu 
1. L. linke Leiste. 
B-B. linkes Bein. 

1. .Ni. linke Niere. 
Sch. Sclieide. 
K..L Ho. Kitzler, tinker 
Hode. 
a After. 
Ma. Mastdarm. 
Bl. Blase. 
St. Steißhein. 

u / unter. jC'"»'«)- 
Sp Speiseröhre. 
K Lft Kehlkopf,Lntt> 

rühre. 
1, 2. Bronchien. 
Seil. Schilddrüse. 

F', ri'.ichen. 

U. linker Unterkiefer. 

Ok. linker Oberkiefer. 

Na. linke Nasenhälfte. 

Au, linkes Au^e 

Sit. Sclil, linke Stirn- 
hälftc u. linke Schläfe. 

V. Verstand, Denk- 
kraft. 



Lane und Felke machen keine genauen Angaben über seine Lage. 
Aber trotz allccjeni, Iceiner täuscht sich jemals, jedem gibt die Augen- 
diagnose recht! 

Über die Lage des Herzfeldes drückt sich Liljequist sehr 
vorsichtig aus, denn „wahre Heizleiden sind sehr selten''. 



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— 80 — 



Die räumliche Trennung des Schuiterteldes von dem Arm- 
feld hat nicht einmal einem 1 hiel einleuchten wollen. Ihm sind 
„mehr und mehr Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung** ge- 
kommen. 

Ober die Bedeutung der Zeichen, die im Lungenfeld auftreten 
können, äußert sich Liljequist selir zuversiclitlich: „Wenn man 
mir eine einzige Person zeigen könnte, welche an der Lungenschwind- 
sucht leidet, ohne ein Zeichen an den Steilen zu haben, welche ich 
für die Lungenzeichen festgestellt habe, so will ich mich nie mehr mit 
der DinLniose aus den Augen befassen/* Weniger zuversichtlich 
druckt Sich sein Oesinnuntr'^bruder Schlegel aus: „Entzündungen 
parenchymatöser (d. h. vveielier, saftreicher) Organe scheinen sich 
weniger merkUch anzuzeigen. Chronische Lungen- und Herzaffektio- 
nen bieten in cHeser Richtung für mich noch viele Dunkelheiten und 
Zweifel." 

So viel über die abweichenden Ansichten der einzelnen E>iagnosti- 

ker, von denen jeder einzelne behauptet, sein Augenschema sei das 
einzige richtige. Über die Lage der übrigen Organe herrscht mehr 
Übereinstimmung. Wir wollen ^ie nicht alle einzeln durchnehmen, 
ein Blick auf die beigelügten iateln genügt, um sich sofort darüber 
zu orientieren. Das Magen- und Darmfeld, den Hautkreis und die 
Krampfringe haben wir schon gründlich erörtert. Interessant ist es, 
daß die Augendiagnostiker auch ein Augenfeld kennen. Um zu 
erkennen, ob ein Auge gesund oder krank, ob es blind oder sehend 
is^ brauchen sie nicht wie die ^wohnlichen Augenärzte das ganze 
Organ gründlich ZU untersuchen; ein Blick auf das winzige Augen- 
feld sagt ihnen alles. Irrtum ist ausgeschlossen! 

Die Diagnostiker kennen ferner eine Anzahl von Organen, die 
den Ärzten, trotz der vielen Sektionen, die an Leichen gemacht wer- 
den, noch gänzlich unbekannt sind, so ein Orpfan des Willens 
und ein Organ des Verstandes; sie kennen einen Sitz der Hysterie, 
des Sexual- und Gemütslebens, der Fallsucht und des Schwin- 
dels. Letzterer dürfte in den Regenbogenhäuten der Vertreter 
dieser köstlichen Wissenschaft besonders deutlich ausgeprägt sein. 
Dagegen habe ich vergeblich nach dem Sitz des Bauchfells und des 
Netzes gesucht. Eine Bauchfellentzündung und einen Netzbruch 
scheint keiner der unfehlbaren Augendiagnostiker zu kennen. 

Da die mann liehen Oenitalorgane im rechten Auge denselben 
Platz einnehmen, wie die weiblichen, so würde es mich im höch- 
sten Orade interessieren, zu erfahren, wie die Herren Augendiagnosti- 
ker es fertig bringen, eine Erkrankung der Harnröhre von der der 
Scheide zu unterscheiden. In ihrer Praxis ist dieses ja sehr leicht, 
denn so borniert sind sie ja doch nicht, daß sie nicht wissen, wie ein 



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— 81 — 



Mann oder eine Frau aussieht Aber darum handelt es sich bei der 
„wissenschaftlichen" Augendiag^nose auch gar nicht. Nur aus der 
Betrachtung; des Oeschlechtsfeldes in der Iris allein soll man dies 
Kunststuck lertig bringen können. Ich habe in meinem Buche über 
den „bösen Blick" nachgewiesen, daß es ganz unmöglich ist, nur 
aus dem Anschauen des Auges selbst zu erkennen, ob man es mit 
einem männlichen oder weibUdien Individuum zu tun hat Ich be- 
zweifele daher um so mehr, daß die Herren Diagnostiker dieses 
schon durch Begutachtung eines kleinen Irisstückes vermögen. 

Selbst dem unwissendsten Augendiagnostiker dürfte es bekannt 
sein, daß einzelne Organe niemals im völligen Ruhestande sind : Die 
Augenlider heben und senken sich, der Mund öffnet und schliefU sich, 
der Brustkorb hebt sich bei jedem Atemzug, das Herz zieht sich zu- 
sammen und dehnt sich aus, der tJarm ist in fortwährend er Be- 
wegung, so daß ein einzelner Teil bald auf der rechten, bald auf 
der linken Körperseite liegen kann. Bei diesem fortwährenden Lage- 
wechsel der Organe müßte nach der augendiagnostischen Theorie 
audi eine fortwährende Verschiebung der Qrganfelder im Auge ein- 
treten, ja es müßte sogar beim Darmfeld ein Stück bald im rechten 
und bald im linken Auge repräsentiert werden. Vielleicht haben die 
Herren Augendiagnostiker auch dieses „beobachtet". Erzählt haben 
sie es bisher noch nicht, aber \ielleicht erklären sie sich in 
Zukunft bereit, meinen Wissensdurst zu stillen. 

Ich möchte auch sehr gerne wissen, wie die Organfelder im 
Auge verteilt sind, wenn es sich um einen sogenannten Situs trans- 
versus handelt» d. h. um die Umkehrung der Lage der Brust- und 
Baucheingeweide oder beider zugleich. Sämtliche Organe, welche 
normalerweise nach rechts liegen sollen, liegen in diesem Falle nach 
links und umgekehrt. Das Herz z. B, Hegt beim Situs transversus 
in der rechten Brusthälfte, die Leber und der Blinddarm in der linken 
Bauchseite. Machen die Organfelder in der Iris diese Umkehrung 
auch mit, oder nicht; und wenn sie diese Verwechselung mitmachen, 
woran erkennt man dies? Ober diese sehr wichtigen Fragen schwei- 
gen sich die Augendiagnostiker völlig aus, und bei der Probe BXds 
Exempel versagen sie natürlich, (cf. weiter unten die 11. Diagnose 
von Felke.) Wissen sie keine Antwort darauf, oder ist es ihnen bis 
zum heutigen Tage etwa noch unbekannt geblieben, daß ein der- 
artiges Spiegelbild der Eingeweide gar nicht so selten wirklich vor- 
kommt^ 

Und wenn alle diese Fragen in befriedigender Weise beantwor- 
tet sind, möchte ich auch noch wissen, mit welchen zauberhatten 
Mitteln diese Hexenmeister es fertig briiiucn, mit mathematischer 
Sicherheit die genaue Lage der kleinen, diclil aneinandergedrängten 

Seligmann, Augendiagnose. 6 



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^ 82 — 



Organfelder anzugeben. Die menschliche Iris hat einen Durchmesser 
von 12 mm (bei einem mittleren Pupillendurchmesser von 1 mm), 
und auf diesem, winzigen Gebiete liegen ca. 40 verschiedene Or^an- 
felder, die hei dem unaufhörlichen Pupillenspiel (die Pupille wird 
bekanntiiüii bei stärkerer Beleuchtung und beim Sehen auf einen nahen 
Gegenstand enger, bei schwächerer Befeuchtung und beim Sehen 
in die Ferne weiter) natürlich fortwährend ihre Lage wechseln müssen. 
Durch einfaches Betrachten mit bloßem Auge oder mit der Lupe 
kann man nur eine ungefähre Ortsbestimmung geben, aber niemals 
eine absolut genaue, davon kann sich jeder Laie sofort überzeugen, 
wenn ei einmal versucht, irgend einen auffallenden Fleck in einer 
beobaciiteten Iris genau zu lokalisieren und anzugeben, zwischen 
welchen Winkelgraden derselbe liegt. Das geht einfach nicht. Un- 
gefähr ja; genau, selbst bei großer Übung — und diese haben 
doch die Augendiagnostiker ni^ ihra- Aussage — nein! Dazu bedarf 
es sehr fein konstruierter optischer Hilfsmittel» die die Herren Dia^ 
gnostikor natürlich nicht besitzen, und von deren Bau sie sidi gar 
keine Vorstellung machen können. Aber sie sind so felsenfest von 
ihrer Kunst und ihrem Können durchdrungen, daß sie, wie der Reiter 
über den Bodensec, sich vollkommen und unbewußt über solche 
Schwierigkeiten hinwegsetzen und lustig darauf los diagnostizieren. 
Warum auch nicht? Niemand kontrolüert ihre Diagnosen, und die 
Dummköpfe, an denen sie ihre Kunst ausüben, glauben alles, was 
ihnen in so mystischer Weise prophezeit wird. 

Es kommt sogar vor, daß manchmal eine Diagnose wirklich 
stimmt, und das ist ganz selbstverständlich. Betrachten wir einmal, 
wie diese Herren zu Werke gehen. Sie haben einen Patienten mit 
total zerklüfteter Iris vor sidl, die Organzeichen liegen dicht neben- 
einander. Also leidet er an 1. Magen, 2. Grimmdarm, 3. Dünn- 
darm, 4. Unker Lunge, 5. linkem Brustfell. 6. Brustkorb links, 7. lin- 
kem Arm, 8. Milz, 9. Zwerchfell, 10. IJntcrhauchgegend, 11. linker 
Hütte, 12. linkem Bein, 13. Hnker Niere, 14. Hodensack links, 15. Mast- 
darm, 16. Blase links, 17. Rücken links, 18. Speiseröhre, 19. Magen- 
mund, 20. Luftröhre links, 21. Luftröhre rechts, 22. rechtem Bein, 
23. rechter Niere, 24. Harnröhre, 25. Blase rechts, 26. Rücken redits, 
27. rechter Hüfte, 28. Leber, 29. rechtem Arm, 30. Brustkorb rechts, 
31. rechter Lunge, 32. rechter Achsel, 33. linker Achsel, 34. linkem 
Ohr, 35. Gehirn, 36. Gesicht. 

Diesen ganzen Diagnosenzettel hat Pastor Liljequist wirklich 
bei einem Großhändler S. in Trondhjcm gestellt. Sechs Monate darauf 
starb dieser, ob aus Angst vor diesen vielen Krankheiten oder aus 
einer anderen Ursache, wird nicht angegeben. Der Pastor glaubt 
natürlich, daß seine Diagnosen richtig gewesen sind, und es mu8te 



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— 83 — 



auch wirklich sehr sonderbar zugehen, wenn der doch offenbar 
sdion todkranke Patient von diesen 36 andiagnostizietten Krankhet- 

ten nicht wirklich eine 'oder die andere gehabt hätte. 

Nicht nur bei Liljequist, sondern auch bei allen anderen 
Augendiagnostikern kann nnn die Beobachtung machen, daß sie 
mit Vorliebe möglichst viele Krankheiten einem und demselben 
Patienten andichten, und dieses reichhaltit^e Menu ist durrh ihr s^MU/es 
System begründet. Bei einer so großen Auswaiil wird dem i'aiicn- 
ten immer eine Krankheit einfallen, die er wirklich einmal gehabt hat, 
und damit ist der Ruhm des Augendiagnostikers begründet Nur 
von der einen Prophezeiung, die zufällig eingetroffen ist, wird ge- 
sprochen; von den vielen übrigen, die nicht stimmten, wird nicht 
viel Aufhebens gemacht. Das ist Geschäftsprinzip auf der einen 
und Wundergläubigkeit auf der anderen Seite 

Etwas anders verhalten sicli die Augcndiat4iiostii<er, wenn ihre 
Patienten zwar viele Zeichen im Auge haben, sonst aber ganz ge- 
sund sind und nur iruher eijunal irgendeine Krankheit durchgemacht 
haben. Dann hat für sie nur das Zeichen Geltung, das sich gerade 
an der betreffenden IrissteOe befindet. Alle die vielen übrigen Organ* 
Schädenfiguren sehen sie nicht oder wollen sie nicht sehen. Sie 
tun so, als wären sie nicht vorhanden. Ein solches Gebaren zeigte 
Pastor Felke, als wir Sachverständige vor Gericht ihn auf die vielen 
Zeichen in dem Auge eines Patienten aufmerksam machten, der an 
Bhnddarmentzündung gelitten hatte. In diesem Falle hatte Felke nur 
für das Blinddarmzeichen Interesse; alle übrigen Zeichen erklärte er 
für wertlos. 

Es ist genau dieselbe Methode, die einen Liljequist veranlaßte, 
seine interessanten Studienbilder zu zeichnen. In ein und dasselbe 
Irisbild praktizierte er die Organschädenzeichen der verschiedensten 
Patienten hinein. Was bei oberflächlichem Hinsehen als das Iris- 
bild eines kranken Menschen imponiert, entpuppt sich bei genauerem 
Studium als ein Mischmasch der verschiedensten Krankheitsbilder. 
So sind in ein Irispaar nicht weniger als 10 verschiedene Krankheits- 
bilder der verschiedensten Patienten eingezeichnet Man sieht vorn 
Patienten A die Zeichen der Fallsucht und des Ohrenflusses; vom 
Patienten B die Schäden der Luftröhre, Speiseröhre, des Rückens, 
linken Schulterblattes, der rechten und linken Rippen; vom Patien- 
ten C den linken Eierstock und Krampf zeichen ; vom Patienten D einen 
Buckel, Knochenfraß am rechten Bein, Zeichen der Leiste und der 
rechten Hüfte; vom Patienten E eine Scheidenoperation, weißen Fluß 
und Gebärmuttersenkung; vom Patienten F starke Kunstentzündung 
durch Doktorengifte, Druckgefühl im Hals und Gehirn; vom Pa- 
tienten O einen linken Oberschenkelbruch; vom Patienten H Leber- 

6* 



- 84 — 



zeichen, Ohrenfluß, Quecksilberrand, Anschwellung des aufsteigenden 
Teiles des Giimmdarmes, geschlossenen Schaden im mittleren rech- 
ten Lungenlappen und Entzündung in der Lungenspitze; vom Pa- 
tienten I die Zeichen von Abulie, Willenlosigkeit, Wahnsinn und 
vom Patienten K Krebsgeschwulst und Entzündung im Magen. 

Wie in diesen zehn Fällen die Regenbogenhäute der verschie* 
denen Patienten wirklich ausgesehen haben, davon bekommt man 
keine blasse Ahnung. Die Zeichen, die den Herren Augendiagnosti- 
kern gerade passen, die werden gezeichnet, auf den übrigen Teil der 
Iris wird nicht die geringste Rück-^icht genommen. Das nennen ein- 
zelne Leute „im guten Glauben handeln''; ich nenne es „absicht- 
lichen Betrug". 

• Um nun dem Leser einmal zu zeigen, wie ein solches von den 
Augendiagnostikem gezeichnetes Bild der Organsdiäden aussieht, 
habe ich die Fig. 17 entworfen. Dieselbe enthält alles Charakte- 
ristische, was die Herren anzugeben wissen, und kann als ein Para- 
digma ihrer Kunst gelten. Ein Vergleich mit den naturgetreuen Regen- 
bogenhäuten der Figuren 5, 7, 9 sagt mehr als alle Worte. 
In unserem Paradigma eines rechten Auges sehen wir 

1. die schwarze Pupille von einem deutlichen Magenring um- 
geben, in demselben oben zwei helle Entzündungszeichen und 
unten rechts das Zeichen des iMagen krebs es. 

2. Um den Magenring herum liegt das fast viereckige Darm- 
feld, auch dieses zeigt verschiedene Entzündungszeichen oder Darm* 
geschwilre. 

3. Im oberen Teil des Darmfeldes finden sich zwei Wurm- 
nester, weiße Felder mit dunklen Punkten, die die Anwesenheit 
von Würmern im Danne anzeigen. 

4. Die rechte untere Ecke des Darmfeldes zeigt eine schwarze, 
starke Ausbuchtung, ein Zeichen, daß die Bauchspeicheldrüse 
(Pankreas) stark geschwollen ist. Im Verein mit 

5. der Erkrankung der Leber (zwischen 120<> und 150*^); 

6. der Erkrankung der Niere (bei 190^); 

7 der Erkrankung der Blase (bei 240^) und 

8. der Erkrankung der Milz (die liier nicht gezeichnet ist, weil 
sie sich nur im linken Auge offenbart), wird durch dieses Zeichen 
ausgedrückt, dali Zuckerharnruhr besteht. 

9. Der Darmring ist von einer feinen gelben Linie eingeschlossen, 
dem Zeichen der St rychnin Vergiftung. 

10. Vom Darmring fächerförmig ausstrahlend zwischen 150^ und 
1800 sieht man das weiße Zekhen der akuten Blinddarment- 
zündung. 



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- 86 — 



11. An der rechten Seite bei 90^ eine noch 2ienilich frische 
offene Lungenentzündung im unteren Lappen. 

12. Darüber im mittleren Lappen eine ausgeheilte geschlossene 

Lungenentzündung. 

13. Linlcs oben bei 330** ist das Zeichen einer Augenerkran- 
kung. 

14. Darunter ein Zeichen, welches vorstellt, daß Polypen aus 
dem Nasenrachenraum entfernt worden sind. 

15. Das Rückenfeld zwischen 2700 und 240^ zeigt an, daß dort 

zahlreiche Geschwüre aufgetreten sind. 

16. Die Peripherie der Iris wird von einem dunklen Saume ein- 
gefaßt, dem Hautring. 

17. Am oberen Irisrand findet sich der bläuliche Quecksilber- 
ring. 

18. Konzentiisch mit dem iiaulnng verläuft der breite weiße 
Verkalkungsbogen. 

19. Innerhalb und außerhalb dieses Bogens, namentUcfa in der 
rechten Irishälfte, sieht man mehrere Krampf ringe. 

20. Am linken Ziliarrande der Iris sieht man eine helle Zickzack- 
linie, die mehrere drei- oder viereckige „Häuschen" mit dunklen 
Punkten auf hellerem oder dunklerem Hintergrund begrenzen; es 
sind dies Zeichen der Skr( ph iilose. 

21. Zwei braunrote Flecke innerhalb des Verkalkuii^sbogens 
zwischen 270^ und 300^ sind Zeichen der erworbenen Krätze. 

22. Einige weiße Flecke zwischen 30^ und 90^ sind Arsenik- 
oder Rheumatismuszeicfaen. 

23. Sehr interessant ist das blaue Zeichen in der Beingegend. 
Es fand sich nach Peczely in dem braunen Auge eines Kindes, bei 
weichem die Aufhellung (cf. S. 64) begonnen hatte. „Die Stelle ent- 
spricht topographisch dem Unterschenkel, an welchem zur Zeit der 
Zeugung dieses Kindes dessen Vater an einem chronischen Haiit- 
geschwür „mit reinigender Bedeutung" gelitten hat. Die Wirkung 
dieses Umstandes prägt sich nun im Kindesauge aus. In der blauen 
Farbe dieses Iristeiles ist noch ein dunkleres keilförmiges Zeichen 
zu sehen, welches der FuSwunde des Vaters entspricht" Kommentar 
dazu dürfte wohl überflüssig sein! 

24. Nicht minder schön ist das Zeichen der Figur bei 2100. Es 
stellt eine Rückwärtsverlagerung der Gebärmutter in einer 
Deutlichkeit dar, wie man sie sich schtincr gar nicht vorstellen kann. 

25. Von diesem üebärmutter/eichen aus pupillenwäris zieht eine 
Linie, durchbricht das sympathische Ner\ensvstem und setzt sich 
oberhalb der Pupille weiter fort, um dort in der Region der Oe- 
schlechtsperversitäten zu enden. Der Zusammenhang ist doch 



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— 86 — 



ganz klar! Einerseits das Gebiet der Sexualorgane und andererseits 
das Gebiet der Geschlechtssphäre im Kopfgebiet und dalui beide 
Gebiete durcJi eine Linie verbunden. Bequemer icann es doch die 
Natur den Augendiagnostikem nicht madieiL 

26. {Deutliche Photographie eines Hufeisens in der Rippen- 
gegend. Der betreffende Patient erhielt infolge eines Hufschlages 
verschiedene Rippenbrüche, und die Folge davon war — daß sich 
das Hufeisen des Pferdes in der Iris des Verletzten abphotographierte. 
So behauptete Pec7el\'. Pastor Felke aber neidete seinem phantasie- 
vollen Lehrmeister eine solche her\orragende Diagnose und schrieb 
sich ohne weiteres selbst derartige Beobachtungen (natürlich in der 
Mehrzahl) zu. Ist dies immer nocii „guter Glaube" oder nicht viel- 
mehr bewußter Betrug? 

1) Odstrahien. 

Wir wollen dieses Kapitel lucht schließen, ohne nocli mit einigen 
Worten der mystischen Odstrahien zu gedenken, die bei mandien 
Augendiagnostikem eine so große Rolle spielen^) (cf. S. 45). Einer 
dieser Herren schreibt: „Daß Liljequist die Magenpartie direkt in 

den inneren Ring rund um die Pupille verlegt, bedeutet einen großen 
Fortschritt, aber auch noch einen großen Mangel, wie meine Unter- 
suchungen vielfältig ergeben. Würden beide-) genauer das Abhängig- 
keitsverhältnis der Organe untereinander, die Polgesetze des Leibes- 
vvachstums, die Odzentrale, die Polenachsen usw. gekannt haben, 
so wären sie höchst wahrscheinlich nicht so sehr von dem Zufall der 
Erfahrung abgelenkt worden." Und an einer anderen Stelle heißt 
es: „Woher die Farbe der Regenbogenhaut? Farbe ist Licht, Licht 
ist Schwingung, Schwingung ist Kraft» Kraft im Menschen ist Od. 
Die Augenfarbe ist sichtbar gewordenes Od, wie sehr sensitive, d. h. 
nervenfeine Personen um jeden Menschen ein bestimmt gefärbtes 
Odiicht erblicken. Auch wir gewöhnliche Menschenkinder gewahren 
dieses Odiicht, aber nur in seiner fleischlichen Polgrenze als Haut- 
farbe. Wie sehr dieses Menschenodlicht vom Weltodlicht für uns 
von der Sonne abhängt, beweist die Färbung der Haut vom sonnig- 
sten Braun bis zum kellerdumpfesten Weiß, aber auch die ver- 
schiedene Rassenfärbung. Es ist nicht Zufall, daß diese Pigmentfarbe 
nicht nur Haut und Haare, sondern auch die Regenbogenhaut je nach 
Rasse, Vererbung, Gesundheit, Jugend, Wohlgefühl verschieden maft. 
Während aber Haut und Haare vorwiegend Od hinausstrahlen (man 

0 Über die Bedeutung desselben in der Geschichte des bösen Blickes 
cf. Bd. L 179, 195, 200, 241. Bd. II. 427-428. 
*) Uljequist und Schlegel 



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— 87 



kennt (Jas Elcktnschwerdeii von Haaren, Fellen, flaut durch Streichen, 
so daß so^ar in dunklen Räumen Funken blitzen), muß bei der Regen- 
bogenhaut neben der anziehend oder abstoßend wirkenden üdaus- 
strahlung eine sehr starke SeitensArahlung in der Riditung der Augen- 
' radspeichen von der Zentrale des PupillenschlieBmiiskels nach der 
Peripherie, nach dem Augenradreifen, statthaben, was durch die stern- 
förmig auscinandersiMrießenden Fasern erklärlich ist". 

Man sollte kaum meinen, daß dieser Unsinn noch übertroffen 
werden kann. Und doch ist dies der Fall. Man liöre, was der Ver- 
fasser des Felkcbuches, der Lehrer Andreas Müller, schreibt: „Die 
Darstellung Thiels, die von Carl Huter (cf. S. 45 Anm.) entdeckte 
Lebensstrahlkraft „Helioda'* sei das Reichenbachsche Od, ist eine 
falsche und unhalfl>are, da Huter das Vorhandensein der Helioda- 
energie nicht nur im Auge und in der Iris, sondern auch in allen 
Lebensorganen und in den Zellen selbst nachgewiesen hat, tuid sie 
sich als eine vom Ode völlig getrennte und selbständige Lebens- 
energte und Lebensstrahlkraft charakterisiert. Thiel hat also durch 
seine einseitigen Oddarstellungen, die sich vielfach in Widerspruch 
mit Reichenbachs Forschungen selbst befinden, Ungenauigkeiten in 
die Irisforschung hineingetragen. Huter dagegen entdeckte eine 
Lcbensstrahlkraft, Helioda, welche die oberste Riclitkraft über alle 
übrigen vorgefundenen Kräfte, wie Wärme, Od, Magnetismus, Elek- 
trizität usw. ist und die eigentliche Lebenskraft darstellt Er fand 
ferner die ätherischen Zwischenstoffe oder Mutterstoffe der chemi- 
schen Materie, die er „Medioma" nannte, und unterschied eine harte 
und eine weiche Medioma. Er fand dann drei Irisschichten, in deren 
unteren sich die chemische, in der mittleren die mediomischc und in 
der oberen die lieiiodisehe Kraft besonders äußert, und diese Kralle 
bewirken außer der Erzeugung der Iriszeiehen bei Krankheiten und 
Verletzungen aucli die veränderte Farbe und den besonderen so- 
genannten seelischen Ausdruck der Augen (cf. S. 11). In seinen 
weiteren Forschungen fand Huter nach und nach die gesamten 
Achsenbogen aller wirkenden Kräfte und die polaren Zusammenhänge 
der verschiedenen Organe untereinander und schaffte somit einen 
Kanon über die Iris der menschlichen Augen, der, was praktische 
und theoretische Forschung anbetrifft, das vollkommenste darstellt, 
was auf diesem üebiete bisher geschaffen worden ist.** 

Ich erinnere mich nicht, in meinem ganzen Leben einen größeren 
Blödsinn gelesen zu haben. 



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Kapitel III. 

Resultate der Augendiagnose. 



Die bisher tiieoretisdbi begründete Haltlosigkeit der ganzen Augen- 
diagnose findet ihre Bestatigüiig in den Resultaten der praktischen 

Ausübung derselben. 

Wissouschaft. Um mich /u überzeugen, was praktisch dabei 
herauskommt, wenn man seine Patienten nach allen Regeln der Kunst 
augendiagnosliscli untersucht, schlug ich folgendes Verfahren ein: 

1. Zuerst wurde der objektive Iri^befund aufgenommen und 
niedeige8chrid>en. 

Z Darauf wurde die Diagnose nach dem Irisbefund gestellt 

3. Und schließlich wurde dtr Patient nach seinen vwschiedenen 
gegenwärtigen oder vergangenen Leiden, Beschwerden, Schmerzen, 
Verletzungen usw. genau befragt und, wenn angängig, daraufhin 
körperlich untersucht. Zu bemerken ist dabei noch, daß es '^ich bei 
allen meinen Patienten nur um Leute handelte, die mich irgendeines 
Augenleidens wegen aufsuchten. Alle übrigen Körperleiden waren 
daher nur zufällige NebenbefunUc. Die nachstehend verzeichneten 
Fälle sind andi nidit ausgesudi^ sondern wahllos nach Zdt und Um- 
ständen untersucht worden. 



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— 89 — 



TabeUe I. 



Name 



IIS 

8 II I' 



Irisbefund 
R. = rechte Irii 
L. «blinke tri« 




!. E, W. 



w. 



55 Beiderseits braune 



: IS 



2. A. S. 



w. 



3. A. K. 



m. 



4. A. K. 



5, F. St. 



w. 



6. C. B. 



w. 



L. Kleiner schwarzer 
Punkt in der oberen 
Baucbgegend. 



Schwach, nervös 
und empfindh'ch. 
L. Substanzver- 
lust in der Beuch- 
gegend. 



30 Bdsts. braune Iris. 



Bdsts. Kontraktions» 

furchen. 
R. Kleiner schwar- 
zer Punkt in der 

Halsgegend. 
L. Kleiner schwar- 
zer Punkt in der Ge- 
bärmuttergegend. 



75 



Schwach, nervös 
und empfindlich. 
Krämpfe 

R. Substanzver- 
lust, Operation 

am iialse. 
L. dito an der 
Gebärmutter. 



Kurzsichtiglcelt 

Ganz gesund, keine 

Spur von Nervosi- 
tät Hat vor kurzem 
eine Operation we- 
gen üebärmutter- 
senkung durcbge- 
maciit 

Kurzsichtigkeit. 

Kerngesund, abge- 
sehen von einer 
früheren, leichten 
Lungenentzündung, 
nie Kranit gewesen. 



w. 138 



24 



Bdsts. blaugraue 
Iris, Iriskreise wenig 

ausgeprägt. Feine 
und dichte Zeich- 
nung der Iris 
Starker ' Greisen- 
bogen. 

Bdsts blaue Iris i 
ohne hervortre- 
tende L.akunen oder 
Striche. 



Gesundheit 



Verksdkuns^ng. 



Gesundheit 



Beginnender grauer 
Star. 

Leidet an Rheuma- 
tismus, Magenka- 
tarrh und rechtssei- 
tigem Leistenbruch. 

i R. Hornhautge- 
I schwflr. 

. Ausgedehnter Qe- 
I Sichtslupus. Starke 
Nervosität 



Bdsts.graublauelris ' ^ Gesundheit. L. Linsentrflbungen. 



Kleine braune i R. Verschmierte p ^- x. ... 

Punkte (in der Krätze. K'atientinistschuan 

Blasen- u. Scheide- 
gegend). 



Bdsts. Iris blau. 
R. Weifter Fleck in 
derBrustfdlgegend. 



ger. Ganz gesund. 
Hat früher Rippen- 
fell- undGehirnhaut- 
entzündung gehabt, 
niemals K^ze. 



Gesundheit 
R. Rheumatis- 
mus. 
(Arsenver- 
giftung.) 



Skrofulöse Horn- 
hautentzündung. 

Zeichen der Skro- 
fulöse. Hat nie 
Arsenik bekommen. 
Kein Rheumatismus. 



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— 90 — 



Name 



7. A. B. 



Sil I 



Irisbeffund 

R. = rechte Iris 
L. =: Unke Iris 



AugetuUagnose 



w. 



8. A. S. 



9. G. W. 



10. M. H. 



n. M. E. 



w. 



23 



m. 



w. 



BdstsJiis graublau. ' 

Innerer Irlskreis Schwere Ver- 
dunkler als der ^ dauungsstörung. 
äußere. 



Körperbefund 



20 



tn. 



Bdsts, Iris graugrün- 
braun. 
Randzone des äuße- 
ren Irlskreises sehr 
dunkeLSonst keiner- 
lei Iriszeichen. 



Bdsts. äußerer fris- 
kreis graugr ün,inne- 

rer hellbraun. 
L, Kontraktions- 
furchen. 
Rotbrauner Fleck 
(im Mastdarmge- 
biet). 



24 Bdsts. äuftererKreis 

grau, innerer Kreis 

hellbraun 
R. Gelber Fleck 
in der BMnddarm- 
gegend. 

54 ' Bdsts. äußerer Iris- 
ring grau, innerer 
i Ring braun. 
I R. ürößercrbrauiier 
i Fleck in der Leber- 
gegend, eine JMenge 
punktförmiger brau- 
ner Flecke in der 
ganzen äußeren Iris^ 
peri^lterie. 



Hautring als 
Zeichen der ver- 
erbten Krätze, 
Blutverderbnis 
u. Bleichsucht. 



Magcndarm- 
erkrankung. 

Krämpfe. 

Verschmierte 
Krätze. 



Verdauungs- 
störung. 

R. Medizinver- 
gjftung oder 
Blinddarm- 
erlcrankung? 

Magenleiden. 



R. Verschmierte 
Krätze. 



R. Hornhautver- 

letzung. 

leidet an Rheuma- 
tismus im Unicen 
Knie und Blutarmut. 

Pttpiilendifferenz. 

Blühendes Kind. 
Krätze ist sowohl 
bei ibm'als bei den 

Eltern ganz ausge- 
schlossen. Auf der 
rechten Backe ein 
kleines Blutmal. 

Eiterige Bindehaut- 
en (zun dung. 

Leidet an Nervosi- 
tät und Rheumatis- 
mus in den Fußge- 

lenlcen. 
NB. Während der 
Behandlung cnt- 
wiclcelt sich ein 
starker Schnupfen, 
wobei ein Rückfall 
der schon fast ge- 
heilten Augenent- 
zflndung auftrat 
In den entspredien- 
den Nasen- und 
Augearegionen der 
Iris war nicht die 
geringste Änderung 
zu bemerlcen. 

Bdsts. Bindehaut- 
entzündung. 

Leidet an chro- 
nischer Nessel- 
sucht. 



Bdsts. Chronische 
Bittdehautentzfln- 
dung. 

Ganz gesund. Hat 
als Kind 3 mal den 
linken Arm ge- 
brochen, und vor 
5 Jahren zum 4. mal 



> 

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^ 91 — 



Name 



u ~ 9 

■g a !■ 

« II !, 

o ä ^ 



Irisbefund 

R. rechte Iris 
L. — linke Iris 



Augendiagnose 



IZ N. K. 



13.C.Sch. 



14. Fr. St 



I,. Großer brauner 
Fleck in der mitt- 
leren Bauchgegeiid. 
Verschiedene weiße 
Flecke in der Hals-, 
Schulter- u.Luiigen- 
j gegend. 

m. )38, Bdsts. i^raugrüne 
i Iris. Iriskreise durch 
Farbe wenig deut- 
lich unterscliiedcn. 
Eine Menge von 
kleinen und großen 
scharf umschriebe- 
nen braunen Flecken 
fiber der ganzen Iris 

verteilt. 
Oben und unten an 
der Hornhaut ein 
glänzender Greisen- 

bogen. 
R. An der äußeren 
Irisperipherie Kon- 
traktionsfurchen. 



m. |fö Bdsts. Iris grau. 
'. I In der Peripherie 
des äußeren Iris- 
kreises eine Menge 

weißer Flecke. 
Im Darm.ijebiet bei- 
' derseits schwarze 
radiäre Streifung, 
und zwar namcnt- 
' lieh rechts im Dfinn- 
darm-, Imks im ab- 
steigenden Grimm- 

darmgebict. 
: L. Einige vereinzelte 
braunrote Flecke 
I im unteren Bauch- 
gebiet 



nu 



38 Bdsts. Iris graublau, 
j Innerer Iriskreis 
dunkler als SuOerer. 



U Kratze. 



Rheumatismus 
(Arsenvergif- 
tung) in diesen 
Organen. 

Gesunder 
Magen. 



Verschmierte 
KräUe. 



Verkalkungs- 
bogen. 



R. Kiflnipfe. 



Kdtperbefund 



Rheumatismus. 
(Arsen.) 



Störungen In 
diesen Darm- 
gebieten. 



L. Verschmierte 
Krätze. 



Magen- 
erkrankung. 



R. Regenbogenhaut- 
entziindung. 

Mit 14 Jahren rechts- 
seitige Lungenent- 
zündung. 
Vor 9 Jahren an 
rechtsseitigen Lei- 
stendrüsen operiert. 
Narbe! Große Narbe 
in der rechten Ober- 
brauengegend und 
i Nasenwurzel infolge 
eines Sturzes. Pa- 
tient hat nie Krätze 
gehabt Wird mit 
Jod behandelt es 
zeigen sich aber 
keine Jodflecken. 

R. Schwere blutige 

Netzhaut i;nd Seh- 
nervenerkrankung. 

Magen und Darm 
funktionieren aus- 
gezeichnet. Nie 
Krätze oder Rheu- 
matismusschmerzen 
gehabt. 1870 wurde 
ihm der linke Arm 
amputiert. Er hat 
über der rechten 
HtlfteetneNarbe,her- 
' rührend von einer 
ausgeschnittenen 

Kugel. 
Er wird mit Jod und 
Strychnin behandelt, 
aber Zeichen davon 
treten in der Iris 
nicht auf. 

L Hinterer Kapsel- 
stor. 

Patient ist kernge- 
sund, war nie krank. 



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— 92 — 



Name 



15. W. M. 



16. A. W. 



n.F.Sch. 



Iis 

II 11 



m. 



3i 
< 



w. 



in. 



Irisbehind 

R. = rechte Iris 
L. — linke Iris 



Augendlagnose 



KOrperbefund 



Zahlreiche Lakunen, 

dunkle geschlossene 
„Organschädenfigu- 
ren" mit weißer 
Einfassung, in allen 
Gegenden, auch in 
der Augengegend. 

13 Bdsts. innerer Iris- 
kreis hellbraun, 
äußerer graugrün, 
aber wenig scharf 
getrennt. Die brau» 
ne Zeichnung: geht 
überall in die grau- 
grüne über. 
R. Im Lungengebict 
eine durch die äuße- 
ren Irisfasern durch- 
scheinende schwärz- 
liche Stelle. 
L. In der oberen 
Mittellinie scharf 
markierter Strich 
(Irisfaltc) im inneren 
und teilweise im 
äußeren Iriskrels. 
Kleiner schwarz- 
brauner Fleck in der 

Grofihimgegend. 
Mehrere schwärz- 
liche Flecken in der 
Klappenfehler- und 
Lungengegend. 

20 1 Bdsts. Iris blau. 
! Viele weiße ein- 
< gerahmte Lakunen 
I überall in der Iris. 



L. in der oberen 
IrishSUfteeinige gelb- 
liche verwaschene 
Flecke. 



Alle Organe sind 

krank gewesen, 
haben an .Flüs- 
sen" gelitten. 
Die Krr!Mkheitcn 
sind zum Still- 
stand gekom- 
men. 

Die Erkrankung 
des Magendarm- 
gebietes verbrei- 
tet sich weiter 
auf alle flbrigen 
Organe. 



R. Lungen- 
Kaverne. 



L Gehirn- 
schwäche. 



Gehirn- 
erkrankung. 

Herz- u. Lungen- 
erkrankung. 



Gesundheit. 
Ausgeheilte 
Flüsse In allen 
Organen. 



Jodvergiftung. 



40 Bdsts. Iris dunkel- 1 Schwäche, Ner- 
' braun. ! vosität. 

' Auffallendes Über- Quccksilber- 
I greifen des Leder- , Vergiftung, 
hautrandes über die 
I Hornhaut I 



Bdsts. Könichen- 
katarrh. 

Prtther englische 
Krankheit. Jetzt 
kleine Flechte auf 
der Brust Sonst 
ganz gesund. 



R. Skrofulöse Augen- 
entzOndung. 

Ganz gesund, nie 
krank gewesen, hat 
weder Jod noch an- 
dere Medikamente 
je bekommen. 



Chronischer Binde- 
hautkatarrh. 

Ganz gesund, nie 
krank. 



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- 9a — 



Nane 



: - u 
vgl 



Irisbefund 
R. « Kcbte M9 
U » Uak« Irls 



1& E. E. 



m. 



IfL J. K. 



m. 



48 



29 



Kontraktions- 
furchen. 
Beiderseits gehen 
von der Triskrause 

ab durch den äuße- 
ren Kreis nach oben 
eine große AnziAl 
von stark vorsprin- 
genden Falten, die 
bei seitlicher Be- 
leuchtunjT als 

schwarze Striche er- 
scheinen. 
Bdsts. eine große, 
dicht gedrängte 
Menge von kleinen 
Lakunen 

Bdsts. Iris graublau. 
Peripherie dunkler, 
nicht scharf be- 
grenzt 
Bdsts. innerer Iris- 
kreis von einem 
weißen Hof einge- 
rahmt; von dort 
ausgehend viele 
i weiße radiäre Strei- 
I fen durch die ganze 
Iris, auch in der 

Augengegend. 
R. Lakune in der 
Lungen- und Luft- 
röhrengegend. 
L. Große Lakune in 
der Lungengegend. 
In der oberen und 
mittleren Baucli- 
gegend zwei kleine, 
schwarzefHeckchen, 
durch Auseinander- 
weichen der ober- 
flächlichen irisfasem 
und DLirchschim- 
mern des Figment- 
biattes bedingt. 

Innererlriskreisgrau, 

heller als deräußere, 
der gelbgrau ist mit 
vielen stärker gelb 
gefärbten Partien. 
R. Kontraktions- 
rif^e. 



Augendiagnose 



Körpcfbefuiid 



Krämpfe. 

Gebim- 
acliwäche. 



Erkrankung aller 
Organe. 



Ererbte Krfllze^ 
Skrofeln. 

Harnsäure- 

blldiing;. Nerven- 
überreizung, 
Rttsse. 



R. Erkrankung 
der Lunge und 
Luftröhre. 

L. Liin^:;«.'!!- 

erkrankung. 
Narben fai der 
Bauctagegend. 



BlutBberfailung 

des Magens, 
inneres Fieber. 
Medizinalvergif- 
tung. 
R. Krämpfe. 



Bdsts. Cbroniscber 
Bindehautkatarrh. 

Qani gesund, nie 
fennk. 



Uderkrankung. 

Klagt über Magen- 
bescbweiden und 
Schmerzen in der 
rechten Brustseite. 
Vor 15 Jainen ist 



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- 94 — 



Name 



US 

gl 

Sil II 



Irisbefund 
R. = rechte Iris 

L. linke Iris 



Augendiagnose 



20. J. H 



21.0.Sch 



m. 



Braunroter Fleck in 
der Luftröhre. 
L. Schwärzlich 
durclischeinendes 
Viereck in derBrust- 
gegend. 

72 Bdsts. äußerer Ring 
graublau, innerer 
i Ring weißlich j^clb. 
R. Verschiedene 
schwarze Striche 
im aufsteigenden 
und querliegenden 

Grimmdaffm. 
i Verschwommener 
I hellgelber Fleck in 
der Lebergegend. 
Großer dreieckiger 
schwarzer Fleck 
in der Blinddarm- 

gegend. 
L. Mehrereschwarze 
Striche von dem 
Ring ausgehend . 

nach oben. ! 
Schwarzer Strich in ' 
der Gegend des ; 

S. Romanum. 
Verschiedene hell- 
braune und gelbe 
Flecke über der 
ganzen Iris verteilt. 
Mehrere Organ- 
schädenfiguren im 
Bereich des oberen 
und unteren Lungen- 
lappens. 

28 Bdsts. Iris grau. 
Iriskrause deutlich 
sichtbar. Ciliar- und 
Pupinarzone zeigen 

keine wesentlichen 
Farbenuntorschiede. 
R. Pupillarzone an 
einigen Stellen un- 
ten graugelb. 
Große geschlossene, 
dunkle Lakune, weiß 
eingefaßt, im obe- 
ren Lunge ntappen, 
desgl. in der Leis- 
ten-, Harnröhren-, 



KrStze. 
L Rippenbruch. 



Beginnende 
Magen- 

erkrankiing. 
R. Krebs- 
geschwülste od. 

Blutungen da- 
selbst. 

Medizinalver- 
giftung. 

Blinddarmopera- 
tion. 



KOrperbefund' 



L. Blutandrang 

nach dem Ge- 
hirn. 

Erkrankung des 
S. Komanum. 

Medizinalver- 
giftung. 



Daselbst Lungen- 
leiden, i 



ihm das obere Glied 
des linken Zeige- 
fingers amputiert 
worden. 



! 

1 L. Schief wachsende 
I Wimpern am Ober- 
■ lid. Am LJnterh'd 
feine Narbe, von 
einer firfiberen Lid- 
operation herrilli- 
rend. 

Hat angeblich Herz- 
fehler. Fflhlt sich 

sonst s/,in7 <^esund. 
Niemais Biiiiddarm- 
entzUndung gehabt. 
Magen, Lungen ge- 
sund. Hat nie „ge- 
doktert" und MQdif 
zin bekommen. 



Gesundheit. 
QesunderMagen. 



R. Kranker 
Magen. 

Abgelaufene Er- 
krankung der 
Lunge, Leiste, 
Harnröhre,Unter- 
kiefer, Mund. 



Kurzslcbtigkeit 

Leidet viel an 
RUclcen- und Kreuz^ 
schmerzen. Ist vor 
6 Jahren an tuber- 
kulöser Bauchfell- 
entzQndungoperiert 
Große Narbe in der 
Mittellinie des Bau- 
ches. Walnußgrofte 
B a 1 g R es chMTulst mlt- 
ten auf dem Kopfe. 
Hat früher ein- 
mal Mttfelohrent- 



Dlgltlzed by Google 



^ 9Ö — 



o e ^ 



< 



m. 



21 



irisbefund 
R. = redite Iris 
L. = linke Iiis 

Unterkiefer- und 

Mundgegend. 
L. Lakunen in 
der Luftröhren-, 

Schlund- und Nie- 
rengegend. 
Zwei kleine scfiwar- 

ze Punkte im Klein- 
hirn und in der Ohr- 
gegend. 

Bdsts. innerer Ring 
braun. 

Sphinkter deutlich 

erkennbar. 
Äußerer Ring grau- 
grün mit vielen brau- 
xiQii Flecken. 
Kontraktions- 
furchen. 
R.Ein kleiner dunkel- 
brauner Fleck in der 

Leistengegend. 
Ein weißer In der 
Harn roh ren ^e^end. 
Ein schwarzer Fleck 
in der DOnndarm- 

gegend. 
Drei größere vier- 
eckige, dunkle, 
braun eingefaßte 
Lakunen In der 
oberen, mittleren 
und unteren Lungen- 
gegend. 
Starke schwarze 
radiäre Streifung 

nach oben. 
L. Ebensolche Strei- 
fung. 
Schwarzer Punkt 
In der Eierstock- 
gegend. 
Einige kleine,dunk1e, 
braun eingefaßte 
Lakunen in aer Ke- 
gion des Unter- 
kiefers, des Kehl- 
kopfes, der Luft- 
röhre und des obe- 
ren Rückenteiles. 
Eine Menge solcher 
kleinen dicht ge- 




Körperbefund 



L. Erkrankung 
der Luftröhre, 
Schlund tt. Niere. 

Totaler Sub- 
stanzverlust im 
Kleinhirn u. Ohr. 



Magen- u.Darm- 
erknuikung. 



Medizinver- 
giftung. 

Krflinpfe. 

K. Leistenbruch. 



Hamröhrener- 
krankung. 
Geschwür im 
DQnndarm. 

I Lungenkaver- 
jnen in allen 3 
\ La|»|»en. 



Gehirn- 
schwflche. 

L. 

Erkrankung des 
Eierstockes. 

Erkrankungen 

des Unterkiefers, 
Kehlkopfes, Luft- 
röhre, oberer 
Rücken. 



Ferner Fallsucht, 
Erkrankung des 



zOndung gehabt, 
weiß aber nicht 
mehr, auf weichem 
Ohr. wni beider- 
seits gleich gut 
hören. 



Chronischer Binde- 
hautkatarrh. 



Ganz gesund, nie 
krank. 



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- 96 — 



Name 



^ "5 ^ 



23. A. K. 



24.LSch. 



m. 



Irisbefund 
R. = reckte Iris 
L. = Unlce Irls 



Augendiagnose 



fdrängten Lakunen 1 

in der Fallsuchf- 
bis Brustfellgegend. 



18 Bdsts. Sufterer Iris- 

krs_ i - i iiiblau, Peri- 
pherer Irisrand sehr 

dunkel. 
Innerer Kreis gelb- 
lich. 

Die Iris im äuße- 1 

ren Drittel in der \ 
ganzen Peripherie 
mit einer großen An- 
zahl weißer Flecken 
besät. 
Kontraktions- 
furchen. 
R. Kleine ge- 
schlossene, weiß 
umrandete Lakune 
im oberen Lungen- 
lappcn, iriößcic im 
Brustkorb- , und 
kleinere im Arm- 
gebiet. 
Größere Lakune im 
Luftröhren- und 

Kehlkopfgefiict 
L. Dunkel durch- 
scheinende, nicht 
t!i tiflich umgrenzte 
Lakune im Luft- 
röhren- und Nieren- 
gebiet. 
Eine deutlicher um- 
randete im Leisten- 
gebiet 
Verschiedene 
schwarze Flecke im 
Herzgebiet. 

16 Bdsts. Iris grau. 
Iriskreise in Farbe 
nicht deutlich unter- 
schieden. 
Peripherie dunkel. 



Konlraktions- 
furchen. 
I Viele kleine weiße 
Flecke im äußeren 
Drittel, die an mehre- 



Ohrs.Hals.Schuf- 

Tlt, Mbcrcr und 
unterer Lungen- 
lappen, Brustfell. 

Ererbtes KrStze- 

gift. Magener- 
krankung. 



Rheumatismus 
(Arsenvergif- 
tung) in allen 
Ol 



irganen. 



IMmpfe. 

R. Ausgeheilte 
Schäden im obe- 
ren Lungen- 
lappen, Brust- 
korb, Arm. 



Desgl. Luftröhre 
und Kehlkopf. 



KÖrperbefünd 



L. Noch nicht j 
ausgeheilteSchä- 1 
den in der Luft- ! 
röhre und Niere. 



Lelstenbrucii. 



Herzklappen- 
fehler. 



GesunderMagen. 



Ererbtes Krätze- 
gift. 
Krämpfe. 

Überall I^'i: itma- 
tismus. 



Glaskörpertrfibun- 

gen. 



Ganz gesund, nie 
krank. 



L. Hornhautver^ 

letzung. 



Ganz gesund, nie 
krank.G1aubt,einmal 

einen leichten Luft- 
röhrenkatarrh ge- 
habt zu haben. 



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97 



Name 



P_ii 



E 
o 



Irisbefund 
K. = lectite Irii 
L. = Unke Irl« 

renStellen zu großen 
Ringstrecken kon- 
fluieren, so daß es 
aussieht, als wäre 



Allgendiagnose 



teiivvei? 



Ins 



mit einer weißen, 
ringförmigen Zone 

besetzt. 
R. Große Lakune 
in der Fuß- und 
Nierengegend, seit- 
lich weiß eingefaßt, 
oben und unten 
keine deutliche Ein- 
fassung zu sehen, 
da sie direkt von 
der Iriskrause aus- 
geht und im dunklen, 
peripheren Oebiet 

endet. 
Drei Icleine ge- 
schlossene Lakunen 
in der Schlund- und 
oberen Rficlcen- 
gegend, von den 
grauen Irislinien ein- 
gefaßt. 
L Lakunen in der 
Gegend des Unter- 
kiefers, Kehlkopfes, 
Blase, Niere, Beines 
und in der ganzen 
Gegend bis zum 
oberen Lungen- 
lappen ; alle ge- 
schl ssi^n, soweit 
sie nicht an den 
weißen Ring an- 
stoßen, bald grau, 
bald weiß eingefaßt 
(abhängig von der 
Gegend, in der sie 
liegen.) 



25. E. J. 



w. 139 



Bdsts Innerer Iris- 
ring braun, mit ver- 
schiedenen braun- 
roten Flecken. 
Äußerer Ring grau- 
blau mit verschie- 
denen braunen 
Flecicen. 
S ellgm « D II , AagendiagAOS«. 



Salizylsäure- 
vergiftung. 



K. offener Fluß 
des Fußes und 
der Niere. 



i Gehellte Er- 
I krankungen des 
I Schlundes und 
oberen Rückens. 



, L. Erkrankung 
I des Unterkiefer, 
Kehllcopr, Blase, 
I Niere, Bein, 
I Leiste, Bauch. 
I Milz, Arm, Brust, 
I Brustfell, unte- 
rer und oberer 
Lungenlappen. 



Schlechter 
I Magen. Kraizc 
und Medizinver- 
I giftung.. 



Kßrperbefund 



R. Tränensaclc- 
leiden. 

Mit 16 Jahren Bruch 
des linken Unter- 
arms. Große Narbe 
auf der linken Hand- 
fläcfie. 1896 Magen- 

7 



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— 98 — 



II r 



Name 



« 

Ob * 



26» M» E. 



27. H. K. 



w. 



52 



Irisbefund 

R. = rechte Iris 
L. s= linke Iris 



m. 



Bdsts. feine radiäre 
StreifunfT Keine 

Lakunen. 
L. Kontraktions- 

furctien. 



Bdsts. Iris graublau. 
Krause geibticli ge- 

»rbt. 
Dunkle periphere 

Zone. 

KonTrakti'.ms- 

iurchen. 
Einzelne gelbrote 

Fleckchen. 
Feine Streifung der 
Iris mit einzelnen 
schärfer vorsprin- 
genden Falten nach 
allen Richtungen. 
Keine Lakimen. 



Augendiagnose 



KOrperbefund 



74 I Bdsts. innerer Ring 
braun; derselbe sen- 
; det viele braune 
I Ausläufer in den 
I Äußeren grauen Ring 
i hinein. 
I Starke Greisen- 

bogen. 
Viele vorspringende 
radiäre Falten. 

j Iris feingestreift, 
jenthSIt nur verein- 
' zelte Lakunen, die 
I teils braun, teils 
j grau eingefaßt sind. 
I R. Einzelne braun- 
; rote Flecken im 
I inneren Iriskreis. 
; Lakunen in der Ge- 
I gend der Schulter, 
des unteren Lungen- 
{ iappens und Ober- 
kiefers. 
' L Lakunen in der 
I Mastdarm- u.Bauch- 
I gegend. 



Zeichen der Ge- 
sundheit. 

L. Krämpfe. 



Strychninvergif- 

tung. 
Ererbtes Krätze- 
gift. 
Krämpfe. 

Verschmierte 

Krätze. 
Schwache aller 
Organe. 



Ganz gesund. 



blutung. Klagt über 

Kopfschmerzen, 
Husten, Schmerzen 
im Kreuz und in 
der Brust, Herz- 
klopfen und Magen- 
beschwerden. 

L.AgyptischeAugen- 
erkrankung. 

Im Oktober vorigen 
Jahres wegen Geni- 
taierkrankung ope- 
riert. Bauchschflitt. 



Kranker Magen. , Bdsts. Grauer Star. 



Verkalkungsring. 

Schwäche der 
einzelnen Kör- 
perteile. 



R. Verschmierte 
Kratze. 

Erkrankung der 
Schulter, Lunge, 
Ot»erkiefa'. 



L. Erkrankung 
des Mastdarms 
(Hämorrhoiden) 
unddesBanclies. 



Als Kind starke 
Kopfverletzung, 4 
Wochen lang krank. 
Vor 3 Jahren Ver- 
letzung des rechten 
Schienbeins, mit 
nachfolgendem Eri- 
sypel (Wundrose). 
Linksseitiger Leis- 
tenbruch. Patient 
hört auf beiden 
Ohren sehr schlecht. 
Knotige, schmerz^ 
hafte Anschwel- 
lungen sämtlicher 
Fingergelenke. Kla- 
gen über starke Ver* 
schleimung. 



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- 99 



Name i|if 



Irisbefund 

R. = rechte Iris 
L ^ linke Iris 



Attgendlagnose 



Köiperbehind 



28. M. K. 



w. 124 



L. Fremdkörper Uli' 
ter dem oberen Lid. 



Ganz gesund, nie 
fcranic 



L Atrophie des 
Augapfels. 

HatalsifladLungen- 
bhitiittg gehabt. 



Bdsts. grUnlich- 

braune Iris. 
G 1 e i c hm äUige Zeich- 
nung. 

Einzelne schärfer j Schwäche der 
vorspringende Fal- | beireffenden Or- 
ten , gane. 
Kontrakttons- j Krämpfe, 
furchen. i 
R. Schwarze Pig- Blinddarmopera* 
mentierung in der tion. 
Biinddarmgegend. 

29. E H. w. \ 21 Rechte Iris grünlich- 
braun. 
GleichmäßigeZeich- 
nung. 
Keine Lakunen. ' 
Kontrakttons- { Krämpfe, 
furchen. ! 
Linke Iris. Zeich- i 
nung und Farbe 
verwaschen und un- 
deutildi. 

Was lehrt uns diese Tabelle? Genau das» was wir aus den theo- 
retischen Erörterungen schon wissen, daß nimtich die Augendiagnose 
nichts, rein gar nichts wert ist Wir finden Regenbogenhäute ohne 
Qrganschädenfiguren bei ganz gesunden und bei Icranken Menschen, 

und wir finden Regenbogenhäute mit Organschädenfiguren bei ganz 
gesunden und bei kranken Menschen. Es besteht nicht die aller- 
geringste Beziehung zwischen den Organfehlern und den Zeiciicn 
der Iris. Befindet sich zufälligerweise bei einer Erkrankung eines 
Körperteils einmal ein Zeicboi in der für denselben reservierten Iiis- 
gegend, so kann man auch gewöhnlich noch ehie groBe Anzahl eben- 
solcher charakteristischer Zeichen in verschiedenen anderen Iris- 
regionen sehen, deren korrespondierende Körperorgane völlig ge- 
sund sind. Bei den 29 untersuchten augenkranken Patienten war 
solches 2 mal der Fall (Nr. H, 17). Es ist dieses zufälligerweise recht 
wenig, wenn man bedenkt, daß wir es bei unseren Untersuchungen 
nur mit Augenkrauken zu tun hatten. Wenn ein praktischer Arzt, 
der wegen alier möglichen Kranklieiten konsultiert wird, solche 
Untersuchungen anstellen würde, so wären seine richtigen Diagnosen 
wahrscheinlidi noch viel wenigor. 

Von den 29 untersucitten Fällen waren nach den Etgebnissen der 

Angendiagnose 11 magenkrank; bei 2 von diesen ließ sich wirklich 

7« 



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— 100 — 



eine Magendarmstoruno erweisen. Auch hier sollte man eigentlich 
ein noch günstioreres Resultat erwarten, da die Zeichen der Magen- 
darmerkrankung sich so sehr häufig finden. Die verhältnismäßig 
geringe Anzahl der richtigen IM^gnosen erklärt sidk daraus, daß 
diese Magendarmkraokheiten eben nur zufälliger Nebenbefund bd 
meinen Augenkratiken waren. Ein Spezialist für Magenleiden dürfte 
viel mehr richtige Diagnosen stellen. 

Andere Zeichen, wie die Krampf ringe, kommen fast in sämt- 
lichen Augen normalerweise immer \or (cf. S. 57). Danach müß- 
ten sämtliche Menschen an Krämpfen gelitten haben oder leiden. Wenn 
man die Bedeutung der Krampf ringe so weit faßt, wie es manche 
Augendiagnostiker tun, die daraus erkennen wollen, daß der Patient 
jemals krampfartige Schmerzen gehabt hat, so wird man diese 
Diagnose fast immer richtig stellen können, denn es gibt doch wohl 
keinen JMenschen, der nicht einmal in seinem Leben iiigendeinen 
Schmerz empfunden hätte. Jede Frau, die Mutter geworden is^ hat 
solche Schmerzen gehabt, und wenn man bei ihr deshnlh -fus den 
Kontraktionsbögen Schmerzen diagnostiziert, so hat man immer recht 

Auch den Quecksilberring (unter unseren Fällen nur in Nr. 17 
ausdrücklich erwähnt) muß man naturgemäß (d. S. 59) in fast allen 
Augen finden. Demgemäß müßte jeder Mensch an Quecksilber- 
veigiftung leiden. 

Unsere Tabelle zeigt uns auch manche Widersprüche. So finden 
wir dunkle Regenbogenhäute, die doch das Zeichen von Krankheiten 
sein sollen, mit wenigen oder gar keinen Oiiganschädenfiguren ; und 
umgekehrt helle Regenbogenhäute, die die Gesundheit repräsentieren, 
ganz durch Lakunen zerklüftet. 

In Nr. 21 deutet das eine Zeichen (eine deutliche Iriskrause) auf 
einen gesunden Magen, ein anderes Zeichen (graugelbe Färbung an 
einer Stelle der Pupillarzone) auf einen kranken Magen hin. 

Vorspringende Falten sollen ebensowohl Zeichen von Erkrankun- 
gen sein wie Lakunen. In Nr. 26 deutet das Vorhandensein der 
einen auf Schwäche aller Organe, das Fehlen der anderen auf völlige 
Gesundheit hin. 

Wer boshaft sein will, der kann in Nr. 22 im rechten Auge eine 
Erkrankung der männlichen Harnröhre, und im linken Auge eine Er- 
krankung des weiblichen Eierstockes diagnostizieren. 

So sieht es mit den Resultaten der praktischen Augendiagnose 
aus. Wir haben von der großen Anzahl von Patienten, die wir seit 
sehr langer Zeit daraufhin untersucht haben, zufälligerweise nur die 
29 angeführten Fälle genau registriert Eine noch größere Anzahl 
ebenso zu buchen, wäre uns natürlich ein leichtes, aber diese Arbeit 
wire ebenso langweilig wie zwecklos. Etwas Neues kommt nicht 



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— 101 — 



dabei heraus. Im großen und ganzen ist doch ein Fall wie der andere. 
Einmal liegt dns eine Zeichen hier, und ein andermal liegt das andere 
Zeichen dort, irgendeine GesetzmäßigJceit ist nirgends zu finden. 
Die ganze Augendiagnose ist reiner Schwindel! 

Abgesehen von diesem wissenschaftlichen Resultat habe ich 
aber bei meinen augendiagnostischen Untersuchungen noch eine 
andere Bemerkung gemacht, die im höchsten Grade zum Nachdenken 
Veranlassung gibt und die ich den Herren besonders ans Herz legen 
möchte, die etwa, um sich selbst ein praktisches Urteil in dieser 
Sache zu bilden, der Augendiagnose etwas näher auf den Leib zu 
rücken trachten. Das ist die große Oefahr, die die praktische Aus- 
übung der Augendiagnose mit sich bringt, sowohl für den Patienten 
als auch für den Diagnostizierenden. Ich habe es im Anfange meiner 
Untersuchungen häufig genug erlebt, daß die Patienten bei den vielen 
durch nichts berechtigten Fragen nach etwa vorhandenen oder über- 
standenen Krankheiten direkt ängstlich wurden, und daß ich sie nur 
dadurch beruhigen konnte, daß ich ihnen den ganzen Schwindel 
auseinandersetzte. Später habe ich daraus gelernt und ihnen von 
Anfang an klaren Wein eingeschenkt. Nach diesen persönlichen Er- 
fahrungen kann ich mir ungefähr vorstellen, wie die Diagnostiziererei 
der kurpfuschenden Augenkünstlcr auf ängstliche Gemüter wirkt, 
zumal diese Herren nicht nur die gar nicht vorhandenen Krankheiten 
diagnostizieren, sondern auch diejenigen, die die Pauciilcn etwa 
noch zu erwarten haben. Ein gläubiges Schafsgeinüt wird an solche 
Prophezeiungen glauben und einer traurigen Autosuggestion unter 
Umständen verfallen; ein halbwegs intelligentes Individuum wird 
sich dag^en allerdings sagen, so viel kann man doch sicherlich 
nicht aus den Augen lesen, deshalb muß der, der solches zu können 
vorgibt, unbedingt ein gewissenloser Charlatan sein. Und ein sol- 
ches Urteil ist ebenfalls eine Gefahr, diesmal nicht für den Patienten, 
sondern für den Diagnostizierenden; es müßte denn sein, daß der 
Betreffende sich aus einem solchen Urteil nichts macht. Auch das 
soll vorkommen! 

In dem Kurpfuschereiprozeß gegen den Lehmpastor Felke han- 
delte es sich um die Frage, ob bei Blinddarm- und Lebererkrankungen 
an den betreffenden Stellen im Auge sich charakteristische Zeichen 
fänden. In den Lehren der Augendiagnostiker heißt es wenigstens 
immer, die Zeichen seien charakteristisch. In der Prozeßverhandlung 
in Krefeld selbst deutete der Pastor den sachverstrindi^^en Augen- 
ärzten an zwei Patienten, die eine Blinddarmentzündung durchgemacht 
haben sollten, einmal eine Irisfalte für charakteristisch, und ein ander- 
mal eine Lakune. Ich habe mich mit eigenen Augen davon uber- 
zeugt Der Herr Pastor vertritt also in der Praxis den Orundsatz, 



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— 102 — 



dali irgendein Zeichen im Auge an der charaktLi istischen Irisstelle 
immer zu finden ist Wer sucht, der wird schon tiadcai Lad laiden 
tut man in dem mannigfachen Relief der Iris immer etwas« WdB 
man erst, daß der Kranke wirklich einmal eine Blinddarmentzfindung 
durchgemacht hat, so müßte es direkt ein unwahrscheinlicher Zufall 
sein, wenn man bei sehr sorgfältigem Suchen an der Stelle des Blind- 
darnigebietes nicht irgendein kleines Zeichen findet, das man dann 
nacli Lust und Liebe deuten kann. Daß Pastor Felke in diesen 
beiden Fällen natürlich nur die Zeichen im Blinddarmgebiet gelten 
ließ, und von den vielen übrigen Zeichen der Iris niclits wissen 
wollte, das müssen wir der Austühriichkeit iialbcr hier nur noch 
einmal kurz erwähnen. Wir haben dieses Gebaren der Augen- 
diagnostiker ji^ schon zur Genüge kennen geloni 

Ich habe mir die Mühe gemacht und im liiesigen Eppendorfer 
Krankenhause im Verein mit mehreren Oberärzten und Assistenzp 
ärzten eine Reihe von Blinddarm- und Leberkranken augendia- 
gnostisch untersucht. Das Resultat dieser Untersuchungen habe 
ich in meinem Outachten vor dem Gerichtshof in Krefeld kurz 
bekanntgegeben. Ich veröffentliche mit folgenden Tabellen diese 
Fälle etwas eingehender, ich will noch bemerken, daii es mir bei 
diesen Fillen nur darauf ankam, zu entscheiden, ob sich irgendein 
charakteristisches Zeichen in den betreffenden Blinddarm- und Leber- 
gebieten der Iris finden ließ. Auf alle übrigen Organschädenfiguren 
habe ich keine besonderen Rücksiditen genommen, ebensowenig 
wie auf etwaige andere zufällig vorhandene Nebenerkrankungen. Nur, 
wenn etwas von diesen Dingen besonders auffallend war, habe ich 
es gleichzeitig notiert Eine augendiagnostische Diagnose — sit 
venia \ erbo — habe ich mir in allen diesen Nebenfällen zu ersparea 
geglaubt 



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- 103 — 



Tabelle II. 

Blinddarmerkrarikungen. 



Name 


£|« 

«Ja 
Iis 

g II . 
Oä>. 


1 Alter 


Irisbefund 


BUnddamioDiagnose 


1. 


M. K. 


w. j 


37 j 


Rechte Iris graublau. Eine, 
größere Lakune in der rechten | 

Biind(jarai|iegL'nd frei von 
weißen Wolken, 


AkuteBUnddarmentzundung. 
2. Anfall. 2. Tag. 


2. 


ast. 


m. 


29 


Iris bdsts. auffallend gelblich. ' 
Äußerste Peripherie graublau, | 

ebenso innerer Iriskreis. 
In der Bli n ddarmgegend nichts 
Charalcterislisches. 


Akut^linddarmentzflndung. 
3. AnfaU. 

Patient hat nie Medizin 
(Chinin!) bekommen, ist 
sonst nie krank gewesen. 


3. 


A. F. 


m. 


21 


Rechte Iris braun mit grün- 
lichen Kontraktionsfurchen. 
In der Blinddarmgegend kein 

schwarzer Fleck. 


AkuteBlinddarnientzündung. 
1. Anfall. Vor 24 Stunden 
operiert. 


4. 


H. L. 


m. 


17 


Rechte Iris graugrün mit gelb- 
iicnen ricCKcn. rcinc ins- 
zeichnung. Keine Lakunen, 
Falten, Flecke, Wolken etc. 
in der Blinddanngegend. 


Subakute Blinddarmentzün- 
aung, o. i8g ucr crKran' 
kung. ApfelgroßeGeschwuIst 
in der Blinddarmgegend. 


5. 


Fr, H. 


w. 


19 


Rechte Iris braun. Perloherie 

grünlich. 
Viele schwarze Pünktchen in 
der ganzen Irls, auch in der 
Blinddarmgegend. 


AkuteBiinddarmentzflndu n e 
1. Anfall vor 4 Wochen. 


^ A. Scb. 


m. 




Rechte Iris blau Innerer 

Kreis weißlich. 
Viele Laknnen In der ganzen 
Iris. 


AkuteBlinddarmentzündung. 
1. Anfall, 10. Tag. 


7. 


N. B. 


m. 




Rechte Ins dunkelblau, mit 

vielen weißen Flecken. 
InderBlindüarnigegend nichts 
1 Charakteristisches. 


Akutetiiinaaarnientzunaung. 

1 Kein Arsenik, kein Rheuma- 
tismus. 


8. i.Sch. 


m. 


45 


j Rechte Iris: innerer Ring gelb- 
lich, äußerer blau. 
Sehr feine Zeichnung in der 
ganzen Iris. 


Schleichende Blinddarment- 
zilndung, seit 7 Wochen. 


9. 


H. W. 


m. 


31 

1 
1 


Rechte Iris: innerer Ring gelb- 
lich, mit vielen gelben Aus- 

1 Strahlungen, äußerer blau. 

1 Peine Streifung der Iris. 

' Keine Lakunen etc. 


AkuteBllnddarmenbEfindung. 

14. Tag. Abszeß vor 4 Tagen 
. in den Mastdarm durchge- 
i brochen. 



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— 104 — 



Name 


M 

all 

Ii! 

S II II 


< 


Ifisbefund 


Blinddarm-Diagnose 


10. M.Z. 


m. 


|48 


Rechte Iris graublau, innerer 
Ring gelblich. Viele weiße 
Flecke im äufteren Drittel der 
Iris. 

Lakunen in der Gejjend der 
Harnröhre, Lunge, Brustkorb, 
Stirn, Auge und Nase. 


Vor 4 Wochen an aknter 
Blinddarmentzündung ope- 

j riert. 








Kein Arsenik, kein Rheuma- 
tismus. Sonst ganz gesund, 
nie krank. 


ILFr.a 


m. 


19 


Rechte Iris dunkelblau. 

Innerer Irisring heller. 
Viele schwarze Punkte von 
der Leber- bis HamrGluen- 

^egend. 


AkuteBlinddarmentzündung. 
1 . Anfall. 13 Tage nach der 
j Operation. Sonst ganz ge- 
8und, 


12. A. K. 


w. 


56 


Rechte Iris graugrün. 
Einige grüngelbe Flecke. 
Zeichnung fein. In der Blind- 
darmgegend nichts Charak- 
teristisches. 


Vor 4 Tagen an chronischer 
Blinddannentzindung ope- 
rierL Vor 1 Jahr 1. Anfall. 


la A.R. 


m. 


19 


Rechte Iris dunkelblau. 
Sehr zerklüftet. Überall La- 
kunen. 


Chronische Blinddanneal- 
zfindung seit 3 Jahren. 


14. A. A. 


m. 


22 


Re(_lue kis grünbraun. 
Eine Menge kleiner Lakunen 
in der ganzen Iris, auch in 

der Blinddarmgegend. 

1 


Vor 4 Jahren an akuter 
Blinddarm- und Bauchfell- 
entzündung operiert. Vor 
einigen Tagen an einge- 
klemmten N tzbruch ope- 
riert. 


15. W.W. 


m. 


10 


Rechte Iris graublau. 
Weiße Iriskrause. 

Keine Lakunen in der ganzen 
Irisundkein charakteristisches 
Zeichen in der Bllnddarm- 
gegend. 


Chronische Blinddarment- 
zündung, 1 Tag nach der 
Operalkm. 


la. W.B. 


m. 


14 


Rechte Iris graublau. Innerer 
Kreis gelblich. Weiße Krause, 
von wo aus peripher nach 
allen Richtungen hin gelb- 
weiße Streifen gehen. 
Lakune in der Harnröhren- 
gegend. Blinddarmgegend 
frei. 


Chronische Blinddarment- 
zündung, vor 14 Tagen ope- 
riert. 

Vor */, Jahr an Nasen- 
polypen operiert 


17. K. L. 


m. 


28 


Rechte Iris hellblau. 

Feine Zeichnun^^ der ganzen 
Iris. Kein Zeichen in der 
Blinddarmgcgend. 


Chronische ninddarment- 
z&nimuL im Abklhigen des 
■ 2. Anfalls. 



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105 



Tabelle Iii. 
Lebererkrankuagen. 




1. W. K. 



2. M.Z. 



m. 



w. 



3. Fr. J. m. 



4. M. Sch. m 



5. a St. 



6. E. R. 



7. Fr. S. 



m. 



w. 



m. 



a H. z. 



m. 



21 



Rechte Iris j^raublau, mit Katarrhalische 
vielen weißen Flecken. Keine 
Lakunen oder sonstige Zei- 
chen in der Lcbi-rgcgcnd. 
Bindehaut gelblich (iktensch) 
verfSrbt. 



49 Rechte Iris graublau. Iris- 
> kreiie wenig deutlich ge- 
trennt. 

Eine Unmenge Lakunen, auch 
in der Lebergegend. 



50 



61 



Gelbsucht, 
seit 3 Wochen. Leber war 
in der ersten Woche ge- 
schwollen. 



Gallensteinkolik , Leber- 
schwellung. 



Vereiterung der Gallenblase. 
I Operation vor 47 Tagen. 



41 



25 



28 



Rechte Iris graublau. Krause 

gelbHch mit vielen vorsprin- 
genden Falten. 

Nichts Charakteristisches in 

der Lebergegend und Galten- 
blasengegend. 

Rechte Iris graublau, innerer 

Ring gelbbraun. 
Lakunen flberall dicht ge- 
drängt, innen, unten und 

außen; oben nicht. 
Einige gelbe und Imune 
Flecken in der Nieren- und 
Blasengegend. 

Rechte Iris blaugrUnlich, inne- 
rer Kreis gelblich. Fingeiber 
Fleck in der Leistengegend. 
Keine Lakunen. lnderLeber> 
gegend . nichts Charakteristi- 
sches. 

Rechte Iris graublau. 
Einige Lakunen in der oberen 
Irishälfte und in der Fuß- und 
Nierengegend. 

Rechte Iris graublau. .Vor 4 Wochen an Leber- 
Eine Unmenge Lakunen in abszeß operiert 

der ganzen Iris, groß und i 
klein; weiß eingefaßt, ge- 



; Leberzirrhose, seit 1 Jahr. 
: Leberschweilung 4 Finger 
I breit unter der Rippe fühl- 
bar. Ver::rößerte Milz. 
Mäßige Bauchwassersucht 
Hat Stauungsniere (mit Ei- 
weiß und Blut im Urin) ge- 
habt, jetzt nicht mehr. 

Erkrankung der Aorta. Syphi- 
litische Leberschwdlung. 



Syphilitische Leberschwel- 
lung. Vor 2 Tagen ope- 
riert Kein Eiweift im Urin. 



schlössen. Einige Einfassun- 
gen gelblich gefärbt 

29 Rechte Iris hmin, ohne 
Zeichen. Feine Streifung. 
Grttnliche Kontraktionsnir- 
chen. 



Große Leberschwellung. 
Chronische Pseudo-Leukä- 

mische Eiltrankung. 
(HodgUnscbe Krankheit) 



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— 106 — 



Name 


x: — H 

U ~ -T 

<u 5- 

s ■ \ 


Alter 


Irisbefund 


Leber-Diagnose 


0. A. St. 


w. 


37 


Rechte Iris grüngelb. 
In der Oberschenkelgegend 
brauner Pigmentfleck. Sonst 
nichts Charakteristisches in 
der ganzen Iris. 


Gewaltige Lebers chweUung. 
LeberecJiinokokkus (Blasen- 
wunn.) 



Wir brauchen auf die einzelnen Fälle dieser beiden Tabellen wohl 
nicht naher einzugehen. Ein kurzer Blick auf dieselben dürfte ge- 
nügen, um jedem, der sehen will, zu beweisen, daß die y\ugeii- 
diagnose auch in allen diesen 26 Fällen vollständiges Fiasko er- 
litten hat. 

Zu demselbe n Resultat sind verschiedene andere Ärzte gekom- 
men, die sich ebenlatls der unsympathischen Arbeit unterzogen, die 
Augendiagnose aut ihren praktischen Wert hin zu prüfen. 

Privatdozent Dr. Salzcr, Augenarzt aus München^), hat in der 
dortigen Irrenklinik 25 Fälle, die sämtlich an schweren, teilweise 
organischen Oehimveränderungen litten, untersucht und nicht in 
einem einzigen Falle in der Gegend des Oehimfeldes irgend etwas 
anderes gefunden, als normale Irisstruktur. Femer hat er 20 Fälle;, 
meist Leber-, Darm- und Bauchaffektionen, in der inneren Klinik, 
und 18 Fälle von frischer Blinddarmentzündung zum Teil vor und 
zum Teil 2 bis 21 Tage nach der Operation in verschiedenen 
Kranken hänsern, und schließlich noch eine große Zahl von Privat- 
patienten auf Quecksilber- und Salizylzeichen hin untersucht. Das 
Resultat war in allen Fällen ein völlig negatives. 

Herr Dr. Köhne, Augenarzt aus Duisburg-), hat eine große 
Anzahl Patienten aller Art untersucht und eine Reihe von anderen 
Ärzten zu ähnlichen Untersuchungen veranlaßt Seit Jahren suchte 
er bei seinen mit Jod beliandeltcn Patienten vergeblich nach dem 
Jodzeichen. Er hat 70 Patienten mit sog. Krätzeflecken auf das 
Vorhandensein dieser Krankheit hin geprüft: 65 wollten niemals 
Krätze gehabt haben. Er hat ferner 25 Personen untersucht, die 
früher an Krätze gelitten hatten und ärztlich behandelt worden 
waren; von diesen hatten 3 die erwähnten Flecken, in einem halle 
f^nd sich ein Fleck mit verwasdienen Rändern, bei den übrigen 
21 Personen war die Regenbogenhaut beiderseits vollständig flecken- 
' los. 



^) Aussagen im Felkeprozeß und persönliche Mittcilut^ieiL 
') Aussagen im Felkeprozeß und persönliche Mitteilungen. 



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— 107 — 



Herr Dr. Goß mann, Uberarzt am Üiakonisscnkrankenhaiise 
zu Duisburg, teilte mit, daß er bei 10 Fällen die Iris beiderseits 
fleckenlos gefunden habe. Dr. Köhne hat sechs mit Quecksilber be- 
handelte Patienten, Dr. CoBmann adil^ und Dr. Napp (Spezial^ 
arzt für Haut- und Geschlechtskranke zu Duisbufg) 63 Patienten auf 
den Quecksilberring hin untersucht: Alle drei Herren haben in kei- 
nem einzigen Falle das charakteristisch sein sollende Zeichen in der 
Iris nachweisen können. (Das widerspricht durchaus nicht meiner 
Behauptung, daß der Quecksilberring in allen Augen zu sehen ist 
(S. 5Q), man muß ihn nur nicht in der Regenbogenhaut, sondern 
in der Hornhaut sudieu.) 

Dr. Köhne hat ferner eine große Anasahi von Patienten mit 
dem so überaus haufig vorkommenden Arsenikzeidien ausgefragt; 
ob sie jemals Arsenik genossen hatten. Er konnte nichts davon in 
Erfahrung bringen. In zwei Fällen, wo eine Arsenikkur stattgefunden 
hatte, fand er ein Arsenikzeichen nicht. Ebenso erging es Herrn 
Dr. Napp bei vier mit arseniger Säure behandelten Patienten. 

Das Skrofulosezeichen fand Dr. Köhne bei den zahlreichen 
skrofulösen Kindern seiner Praxis niemals. (Ich auch nicht.) 

Dr. Köhne hat ferner einen Patienten, der seit 32 Jahren sich 
Morphium dnspiitzt (1 Gramm pro Tag)» auf das Moifdiiumzddien 
hin untersudit: Resultat negativ. (Derselbe Patient hatte sich auch 
von Felke untersuchen lassen, audi dieser hatte nichts von Mor- 
phium bemerkt). Herr Dr. Fr, Müller (Sanatorium Schloß Rhein- 
blick, Bad Cjodesberg) hat unter Assistenz von 2 Kollegen alle bei 
ihm befindhchen Morphiumsüchtigen ebenso untersuch^ mit dem- 
selben negativen Resultat. 

Herr llr. Paul Heine, Tierarzt und Schlachthofdirektor zu 
Duisburg, hat eine größere Anzahl geschlachteter Rinder unmittel- 
bar vor und nach der Tdtung daraufhin untersucht, ob sich im Kopf- 
felde das charakteristisch sein sollende schwere Zeichen der trauma- 
tischen Erschütterung findet: Er konnte nicht die geringste Irb- 
veränderung wahrnehmen. 

Herr Dr. Voll and, Oberarzt der Anstalt Bethel bei Bielefeld, 
hat /ti'^ammcn mit dem Augenarzt Herrn Dr. Helpup 100 männ- 
liche iifui \^ eibliche Epileptiker auf das angebliche Epilepsie- und 
Bromkaliumzeicheni) hin untersucht: Resultat völlig negativ. 

Herr Dr. Schäfer, Augenarzt, in Essen, hat ca. 70 Kinder der 
dortigen Provinzialtaubstummenanstalt auf das angegebene Ohren- 
zdcfaen hin untersucht: Resultat völlig negativ. 

HeiT Prof. Dr. Schnitze, chiruigischer Oberarzt am Si Vin- 



0 Epileptiker werden mit BromkaHum behandelt 



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— 108 — 



zenz-Hospital zu Duisburg, hat bei seinen Patienten vor und nach 
der Operation auf die Augenzeichen geaciitet. Die Operationen be- 
trafen Hals-, Brust- und Bauchgegend, sowie die oberen und unteren 
Oliedmaßen. Nicht die geringsten Abweidiungen in der Iris ließen 
sich nach der Operation konstatieren. 

Herr Dr. Goß mann hat derartige Untersuchungen ebenfalls mit 
negativem Erfolge angestellt; ebenfalls negativ war die Nachprüfung 
der Aug-enzeicben bei 3 Knochenbrüchen, 2 V'erstaiichiinnen, 4 Epi- 
leptikern, bei Lungenkranken uttfi bei zahlreichen Patienten, die 
Aspirin genommen hatten. 

Herr Dr. Kühne und Herr Dr. Cüßmann untersuchten zusammen 
fünf geimpfte Kinder auf das Auftreten des Magenzeichens nach der 
Implung: Resultat negativ. Dasselbe konstatierten die Herren Sani- 
tiitsrat Dr. Lengeling, Dr. Pajenkamp und Dr. Windrath in 
Duisburg'Meiderich. 

Ähnliche Untersuchungen stellten auch Prof. Garrel), Bonn, 
«nd seine Assistenten an^). Ferner Sanitätsrat Dr. Scfimitz-Rhein- 
berg und Dr. Hof lUs-Hombertr. Letzterer hat sich sogar von Felke 
selbst unterweisen lassen. Resultat immer negativ. 

Durch alle diese mühseligen Nachprüfungen ist jetzt endgültig 
auch empirisch bewiesen w^orden, daß die ganze Augendiagnose Hum- 
bug und blauer Dunst ist» und fortan dürfte kein Kritikaster mehr 
es sich herausnehmen, zu behaupten, die Arzte könnten in dieser Sache 
gar nicht mitsprechen, da ihnen die praktische Erfahrung fdilt 

Kurpfnschcrtum. Im strikten Gegensatz zu diesen absolut nega- 
tiven Resultaten der wissenschaftlichen Forschung sollen nach den 
Aussagen der Kurpfuscher ihre Erpfebnisse stehen. Die Aufrpndiagnno- 
stiiier irren niemals (welcher Arzt würde jemals die Kühnheit haben, 
dieses von sich behaupten tu wollen!), ihre Kunst ist unfehlbar. Und 
welche feinen Diagnosen können sie mit derselben steilen! Den Unter- 
schied zwischen einem Karzinom und einem Sarkom (zwei sehr ge- 
fährliche Geschwülste) erkennen sie nur aus Betrachtung der Regen- 
bogenhaut des Auges« Der Stümper von Arzt kann dies nur mit 
Hilfe des Mikroskopcs. Sie stellen aber noch weit wunderbarere 
Diagnosen, sie kennen Krankheitsbilder, von denen noch nie ein Arzt 
etwas vernommen hat, ?n z. B. Bouillonvcrgiftung oder Würmer in 
der Gebärmutter. Wenn die Sache nicht gar zu traurig wäre, könnte 
man beinahe darüber lachen. 

Wie sielit es nun mit ihren Resultaten in Wirklichkeit aus? Vor 



») Deutsche Medizin. Wochenschrift. 25. Nov. 1Q09. 35. Jahrg. Nr. 47. 
Dr A. Kantorowicz, in der Frankfurter Halbmonatsschrift „Das 
freie Wort". IX. Jahrg. Kr. 16. 



I 



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- 109 — 



einigen Jahren kam eine Frau zu mir, die einen solchen Wunder- 
mann aufgesucht hatte, weil sie bemerkte, dali ihr Augcnhcht immer 
mciir abnahm und sie infolgedessen fast erblindet war. Besagter 
WandermaiM, der in Hamburg unter dem Schutze der Behörden sein 
einträgliches Schwindelgeschäft schon seit langer Zeit treibt und dem 
Staate für seinen Schutz wahrscheinlich nicht unbeträchtliche Steuern 
entrichtet, hatte der unglücklichen Frau aus den Augen diagnostiziert, 
daß sie ein schweres Nierenleiden habt, und gegen die Blindheit 
hatte er ihr Umschläge mit Tee und Honig verordnet. Die Frau war 
ganz verzweifelt wegen ihres schweren Leidens, als sie zu mir kam, . 
und wollte es erst gar nicht glauben, als ich ihr nach vorgenommener 
Untersuchung sagte, daß ihre Nieren kerngesund seien, und daß sie 
ihr Augenlicht durch eine Operation wiedergewinnen würde. 

Vor kurzer Zeit erzählte mir ein Herr, er habe wegen eines 
Ohrenleiden bmgten Kurpfuscher aufgesucht Dieser habe aber 
sein Ohrenleiden nicht bemerkt, sondern habe ihm eine Nierenkrank- 
heit andiagnostiziert — natürlich ohne Urinuntersuchung. 

Während des Felkeprozesses in Krefeld machte sich eines Tages 
ein Herr, offenbar ein Schüler des Lchmpastors, an mich heran und 
erklärte mir nach einem Blick in meine Augen kurz und bündig: 
ich müßte einen kranken Magen haben. Ich konnte ihm zu meiner 
großen Freude versiciiern, dal5 das Gegenteil der Fall ist Darauf 
versicherte er mir, er selbst hätte Arsenikzeichen im Auge. Dieses 
stimmte zwar, aber trotz meiner Nachfrage wußte er sich nicht zu 
erinnern, jemals Arsenik eingenommen zu haben. 

Das sind meine Erfahrungen über die praktischen Resultate der 
Augendiagnostiker. Andere Ärzte wissen anderes zu erzählen. 

Dr. Salzer^) berichtet von einem an einer Oehirngeschwulst 
leidenden Patienten, der einen Münchener Augendiagnostiker kon- 
sultiert und die Auskunft erhalten hatte, sein „Rückenmark sei ver- 
staubt**. ' 1 

Ein an Zuckerkrankheit leidender Arzt, der diesen Kurpfuscher 
auf die Probe stellen wollte, schildert uns seine Untersuchung fol- 

gendermaBen: „Er betrachtete mich ohne jedes Hilfsmittel 

Da es jedoch schon ziemlich finster war, holte er eine gewöhnliche 
Küchenlampe mit Blechreflektor, und nun begann die Untersuchung. 
Bewaffnet mit einer großen Lnp^ schaute er mir bald ins rechte, 
bald ins linke Auge. „Haben Sie Schmerzen oder Drücken?" (Da- 
bei deutete er auf meine Magengegend.) — „Nein." — „Waren Sie 
einmal dn bißchen geschlechtskrank?" — „Nein." — „Haben Sie 



0 Dr. F. Salzer, in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung. München. 
14. April 1003. Nr. 82. 



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- 110 — 



einmal Merkur gebraucht?" — „Was ist Merkur?" — „Quecksilber. - 

— „Ich kann mich nicht besinnen, jemals Quecksilber gebraucht zu 
haben.'' — „Haben Sie manchmal Schmerzen im Unken Arm?" — 
„Nein.'' — „Haben Sie Kopfschmerzen? Ein venöser Bogen deutet 
nach dem Kopf; es sind venöse Blutstauungfen vorhanden; ihre Ner- 
ven sind etwas reduziert" — „Ich habe niemals Schmerzen im Arm, 
auch keine Kopfschmerzen." — „Das werden Sie noch bdcommen; 
außerdem strahlen die Schmerzen im Arm nach der Hüfte zu aus. 
Haben Sie Schmerzen im Knie und von da abwärts zum Fuß der 
rechten Seite?" — „Nein." — „Haben Sie da noch nie Schmerzen 
gehabt? Es deutet etwas auf den Darm. Sind Sie gebläht?" — 
„Nein." — „Jodpunkte. Haben Sie Druck auf der Brust?" — „Nein." 

— „Es li^ etwas Schleim auf dem Rippenfell und in den Bron- 
chien. Haben Sie manchmal Auswurf?" — „Nein." — „Das werden 
Sie noch bekommen, das ist nodi latent. Auch Ihre Nieren werden 
Ihnen mit der Zeit noch zu schaffen machen. Was sind Sie?" — 
„Bankbeamter." — „Weshalb sind Sie zu mir gekommen?" — 
„Wepren Schlaflosigkeit." — „Trinken Sie abends spät noch Kaffee'''" 

— „Selten." — „Sie müssen Coffca nehmen, fünf bis sechs Kügelchen 
jeden Abend. Holen Sie sich das in der homöopathischen Apotheke. 
Wissen Sie, Coffea aiiupathisch ist ein Gift, homöopathisch ist es 
das iddit mdir." 

Nadi einigen weiteren soldien sinnreidien Fragen und der 
Prophezeiung einiger weiterer Obel, die ihn noch betreffen würden, 
verabschiedete er den Patienten, der übrigens verschmitzterweise an 
diesem Tage etwas Opium genommen hatte. Weder vom Opium, 
noch von der Zuckerkrankheit hatte der Künstler das gerinfj^ste aus 
den Augenzeichen bemerkt. Er solle in acht Tagen wiederkommen. 
Von der nächsten Konsultation heißt es dann weiter: ,,Nun sap^te ich 
liini, daü idi mich zwecks Aufnahme in eine Lebensversiciierung hatte ' 
beziflcslrztlidi mfissen unteisuchen lassen, und hierbd sei Zadeer 
konstatiert worden. Jetzt machte er ein sehr erstauntes Oesicfal ,3o," 
sagte er gedehnt, „da will ich Sie doch noch einmal genauer auf die 
Nieren hin untersuchen. Ja, ja, die Nieren sind etwas angegriffen. 
(Zuckerkrankheit hat bekanntlich mit den Nieren nicht das geringste 
zu tun.) Nun, die Sache ist nicht so schlimm, ich habe schon sehr 
viele Zuckerkranke geheilt. Also, 'lassen Sie einmal Coffea und die 
Sitzbäder weg, nehmen Sie wöchentlich ein Vollbad und ein Halb- 
bad. Essen Sie recht viel Gemüse, auch Sauerkraut; das Brot lassen 
Sie sich rösten. Mehlspeisen und Zucker ist zu vermeiden; dann 
kaufen Sie sich auf dem JWarkte Bohnenschalen, trodcnen ^e und 
zerschneiden sie zu Tee. Davon trinken Sie jeden Tag mehrere Tassen. 
Außerdem stoßen Sie Eierschalen zu Führer und nehmen jeden Tag 



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- III — 



eine Messerspitie voll." — Auf die Frage des Patienten, ob er nicht 
eine Urinuntersuchung vornehmen wolle, ließ er sich ein Glä?chen 
bringen, betrachtete es gegen das Licht von allen Seiten und sagte: 
„Wenn fiberiiaupt Zucker darinnen ist, so ist es selir wenig, das 
sehe ich so schon/' „Wollen Sie mir vielleicht das Gläschen mit- 
geben, ich werde dann eine Untersuchung machen hissen/' — „Da 
geben Sie Ihr Geld umsonst aus." — „Ein Freund von mir ist Che- 
miker, da kostet es mich nichts." — (Der Harn enthielt l,3o/o Zucker.)i) 
7\ve{ andere Ärzte, Dr. Neustätter-Dresden" und Dr, Ko6- 
m ann -Duisburg machten ähnliche Erfahrungen bei dem uns schon 
sattsam bekannten Lchmpastor Felke. Zum Unterschiede von dem 
eben erwähnten Arzte begaben sie sich aber nicht inkognito zu dem 
Augendiagnostiker, sondern erklärten ihm ^anu offen den Zweck 
ihres Besuches: sie wollten sehen, was er mit seiner Kunst leisten 
könnte. Seien seine Diagnosen richtig, so würden sie dies bereit- 
willigst anerkennen und darüber berichten; seien sie aber falsch, 
so würden sie ihn „verhohnackem". Nach mancherlei Ausreden er- 
klärte sich der Wunderpastor bereit, an ihnen die Augendiagnose 
vorzunehmen. 

Bei dem einen Arzte Dr. N. erklärte er, derselbe müsse an Krätze 
leiden. Als dieser Felke überzeugt hatte, daß dies nicht zutreffe, 
sagte er, dann habe er die Krätze gehabt. Dies sei auch nicht der 
Fall gewesen. Darauf f&hrte Felke die Krankheiten auf seinen Vater 
und schließlich auf seinen Großvater zurück. Fernerhin stellte er noch 
zwei weitere Diagnosen auf ein Blasenleiden und eine andere delip 
kate Krankheit Keine einzige Diagnose stimmte. 

Bei dem anderen Arzte Dr. K. diagnostizierte Felke „Bouillon- 
vergiftung**, Jodvergiftung und Quecksilbervergiftung. Keine ein- 
zige Diagnose stimmte. Der schlaue Pastor hatte dieses Mal auch 
gründlich daneben gehauen, wenn er annahm, daß der Untersuchte 
als Arzt viel mit Jodoform (Jod) und Sublimat (Quecksilber) in Be- 
rfihrung kommen müsse. Aus besonderen Gründen wandte Dr. K. 
diese beiden Desinfektionsmittel zufälligerweise fiberhaupt nicht an. 

Während der Prozeßverfaandlungen^ legte ich dem Pastor (in 

») Eine ganz ähnliche Konsulfation bei einem anderen Augendiagnostiker 
schildert in Nr. 1 des Arztlichen Wochenblattes für die Rheinprovinz und die 
hohenzoHemschen Lande ein biederer Schrelnermeiater, 

<) Am 27. Oktober 1909 begann vor der Krefekler Strafkammer ein Pro- 
zeß gegen den vor Gericht schon zwölfmal wegen Kurpfuscherei angeklagten 
und freigesprochenen „Lchmpastor" Felke aus Repelen, der zur Abwechslung 
einmal wegen fahrlässiger l ötung eines an Blinddarm cntzündung erkrankten 
Bäckerjungen unter Anklage stand. Felke behauptete: 1. Jede akute Blind» 
darmentzfindung ist mit Leberleiden verbunden. Z Leberleiden sowie Blind- 



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— 112 - 

üegenvvart der Richter) die Abbildung Fijr. 0 vor und forderte ihn 
auf, aus den im unteren Irisgebiet deutlich sichtbaren Zeichen eine 
Diagnose zu stellen. Felke diagnostizierte: „Der Mann ist auf die 
Füße gefallen." (Er hatte, wie schon auseinandergesetzt, cuic syphi- 
litische R^enbogenhauterkranktuig durchgemacht.) Idi forderte Felke 
auch auf, .meine Augen zu untersuchen und mir eine Diagnose zu 
stellen, aber darauf wollte er sich nicht einlassen; er furditete wohl 
mit Reclil eine zu große Blamage. 

Trotzdem wurde ihm diese in ergiebigstem Maße zuteil, als er 
es unternahm, im Krcfclder Krankenhause in Gegenwart von Ärzten 
und Richtern eine Reihe von Patienten augendiagnostisch zu unter- 
suchen. Auf diese Untersuchungen müssen wir etwas ausführlich 
eingehen, weil dieselben kulturhistorisch höchst interessant sind. 

Der ganze Felkeprozefi^) unterschied sich schon ganz wesentlich 



dartnentzflndung erkennt man durch die Augendiagnose. X Wer also diese Kunst 

beherrscht, bedarf keiner Lukaluntersuchun» des Leibes. Felke, der in weiten 
Kreisen einen Ruf als „Naturheilkundiger" besitzt, hatte sich bereits am 11. Ja- 
nuar d. J. wegen der gleichen Sache vor der Strafkammer in Kleve zu verant- 
worten. Die damalige Verhandlung endete wie in allen vorherigen Pillen 
mit einem freisprechenden Erkenntnis. Gegen dieses Urteil hatte der Staats» 
anwalt Revision angemeldet, so daß sich das Reichsgericht mit der Sache zu 
belassen hatte; dieses hob dns Urteil der Klever Strafkammer auf und verwies 
die Sache zur erncuicn Verhandlung an die Strafkammer zu Krefeld. Die 
sedistägige Gerichtsverhandlung schk>ß wieder mit einem Frebpnicb des 
Angeklagten. Trotzdem der Gerichtshof bedingungslos zugab, daß Felke den 
Tod des Patienten verschuldet hatte, sprach er ihn frei, weil er in seiner 
Handlungsvveise keine Fahrlässiirkeit erblicken konnte, sondern annehmen 
mußte, dai> Felke in gutem Glauben gehandelt habe. 

>) Wer sich ein richtiges Bild von diesem Prozesse machen will, der 
lese das kleine, während des Druckes vorliegender Arbeit erschienene, mit 
Humor und Ironie gewürzte Schriftchen des cand. med. H. Gocrtjcns 
„Die Augendiagnosc und der Fetkepro/cn zu Krefeld". Der Verfasser weist 
auf Grund der Aussagen der Sachverstandigen und Zeugen und des schließ- 
lichen Fiaskos des Angeklagten den Unwert der Augendiagnose nach, befaßt 
sidi mit der Therapie und den Erfolgen Felkes und gibt uns eine i^ausible 
Erklärung für die zahlreiche Anhängerschar des Lehmpastors. 

Im Gegensatz zu diesem wahrheitsgetreuen Büchlein steht ein zu gleicher 
Zeit erschienenes Machwerk, betitelt: „Der Kampf um die Augendiagnose. 
Stenographischer Bericht des Feflcq>rozesse$ vor dem Lamlgericht Krefeld 
vom 27. Oktober bis 3. November 1909.'' Der Verlag von Albert Fürst 
Nachf. (Röntz u. Uhrig), Krefeld, der dieses Buch ankündiget, vermeidet es in 
irreführender Weise vollkommen, den .^utn^ desselben zu nennen, so daß 
mau selbst\'erständlich auf den Gedanken kommen muB, es handele sich um 
ein volbtiindiges, rein objektiv wiedergegebenes Stenogramm der Prozeß- 
verhandlungen. Wer das aber meint, befindet sich auf einem gewatt^n 



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113 -- 

von der gewöhnlichen Art der Kiirpfuschcrprozesse. Wer sich mit 
diesem interessanten Thema etwas ausfiihrlicher beschäftigt, kann 
immer und immer wieder die Beobachtung machen, daß für die Kur- 



Holzwege. Das in schlechtem Deutsch, mit schlechter Orthographie ge- 
schriebene und auf schlechtem Papier g^ednickte Buch ist vom „Verband der 
Vertreter der Pastor Felke-Heilweise, e. V." herausgegeben, und stellt alles 

andere eher dar, als eine wortgctiLiic Wicdcij^ahe der Prozeßveihandhinfren. 
Wie sachhch dieser Bericht abgefaßt ist, geht schon aus den fettgedruckten 
Stellen, die zugunsten Felkes sprechen oder die „ungeheuerliche" Uchaup- 
titngai der von der Staatsanwaltschaft geladenen SachverstSnd^fen festnageln 
sollen, hervor. Die <jlciclic Sachlichkeit zeigt sich durch sehr charalcte- 
ristische Frnffc- i:nd Ausrufungszeichen, und durch geistreiche Anmerkungen 
eines gewissen Hense, der Vorsitzender des „Verbandes der Vertreter der 
Pastor Felke-Heilweise*' ist und in der Krefelder Zeitung seine Sprech- 
stunden ä la Felke ankQnd^ Könnte man alles dieses noch hinnehmen, 
so muß man aber ganz eneiigisch protestieren gegen das in diesem Buche 
beliebte Verfahren, Beinerkunjren der Sachverstand ifren und Aussagen der 
Zeugen zu unterdrücken, die nur zu geeignet waren, den Angeklagten und 
seine Helfershelfer in richtiger Weise zu charakterisieren. Die Herren, 
die fikr dieses Buch verantwortlich sind, haben es sogar fertiggebracht, die 
Worte so zu verdrehen und zu entstellen, daß gerade das Gegenteil von dem 
herauskommt, was wirklieh g^esagt worden ist. Ich will hier nur wenijfe 
Stellen antühren, die meine eii^cnen Aussagen betreffen, und die ich natur- 
gemäß am besten beurteilen kann: 

1. Auf S. 46 heißt es: 

Sachverst.: „Ist es Ihnen (d.i. der Zeuge Müller, der Verfertiger 
des Felkebuches) bekannt, daf5 Pastor Felke beobachtet hat, daß unter 
seiner Behandlung eine braune Iris bhiu y^eworden ist?" 

Angekl.: „Jawohl! Das ist öfter der Fall gewesen." 

Wer dieses ahnungslos liest, kann (zumal da der Name des Sachver« 
standigen vorsichtigerweisc weggelassen ist) sehr leicht auf den Gedanken 
kommen, dali dieses Zwiegespräch etwas Günstii^es für den Angeklajj^tcn 
entlialt. Gerade das Oecfcnteil war in Wirkhchkcit der Fall. Ich erlaubte 
mir aui dicsi: .Antwort zu bemerken: „Dana konstatiere ich, daß Pastor Felke 
es mit sehr sdtweren Augenerkranknngen zu tun gehabt hat, die er nicht 
erkannt hat.' 

2. l Unmittelbar hierauf stellte ich an den 7eu<:!;cn Müller die Frage, 
ob es ihm bekannt sei, dali Pastor Felke die Ansicht habe, der ,,£jrauc Star" 
(eine 1 rübung der Linse) beruhe auf einer Trübung des Glaskörpers. Herr 
Müller fragte; „Wo steht das?" Darauf ich: „In Ihrem Buche!" — Von 
diesem Zwiegespräch bringt der stenographisdte Bericht nichts. 

3. Auf S. 40 heißt es: 

Sachverst.: ..Der /cu):je sagt, der Herr Pastor besieht sicii auch die 
Hände, beschäftigt sich der lierr Pastor auch mit Phrenologie, wie es wohl 
die Zigeuner treiben?" 

Diesen Unsinn habe ich nie gesagt, denn ich weiß sehr wohl, daß 
Seligmann, AiigendiaKOOMii 8 



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- 114 — 



pfuscher die Diagnose gar keine Rolle spielt; sie haben irgendein un- 
fehlbares Mittel, mag dieses nun Schmutz (Lehm), Speichel, Urin, 
Koti) oder Erdmagnetismus, Homöopathie oder tlektrohomöopaihic» 



die Zigfeuner keine Phrenologie treiben. Die Sache wird erst richtig, wenn 
an Stelle dieses Wortes der wirklich gebrauchte Ausdrudc „Chiromantie** 

(die Wahrsagekiinst aus den Händen), gesetzt wird. 

4. Auf S. 64 heißt es: 

Sachverständiger Dr. Scligmann: „Ich möchte bei dieser Gelegen- 
heit darauf aufmerksam machen, daß die Besdtäftigung mit der Augendiagnose 
für den Arzt gewisse Gefahren in sidi birgt." 

Ich habe in Wirklichkeit g^esasft: „für den Arzt und für die von ihm 
untersuchtet- Patienten." Die Gefahren für die Patienten passen den Ver- 
fassern des Buches nicht, deshalb wird dieser I^assus einfach gestricheiv 
ebenso natürlich die Schilderungen der Oefohren selbst (cf. S. 101.) 

5. Auf S. 64 heißt es: 

Dr. S. : „Ich hätte gerne Zeichnungen angefertigt aber das kann ich 

nicht Das ist furchtbar sehwierij^." 

Das stimmt un^refähr, nur habe ich nicht „Zeichnungen", sondern 
„gute Zeichnungen" gesagt, und habe hinzugefügt: „die Zeichnungen der 
Augendiagnostiker taugen alle nidits.'* 

6. Auf S. 64 heißt es ferner: 

„Der Sachverständige erklärt an der Hand von Zeichnungen die ein- 
zelnen Organfiguren, wobei er besonders auf die Zeichen für syphilitische 
Geschwüre hinweist" 

,^idien für syphilitische Geschwüre" ist gut! Es handelte sidi irni 
die hier abgebildete Fig. 9. (cf. S. 68.) Die blödsinnige Erklärung Felkes 
(cf. S. 112) wird natürlich nicht abgedrudct 

7. Auf S. 64 heißt es auch noch: 

„Nadi dem Felkebuch soll das sympatiiiscfae Nervensystem um die 
Pupille herum li^en." 

Ausgelassen ist: „Nadi einem anderen Aiq^endiagnostiker (Liljequist) 
liegt es um den Magendarinring herum." 

B. Die stärkste tintstellung leisten sich aber die Herausgeber auf S. 65: 

Dr. Selig mann: „Mir ist eben gesagt worden, ich hätte mich undeutlich 
iausgedrficM wegen der Quecksilberriflge. Idi habe nur sagen wollen, daß 
ich diese Quecksilberring[e bei fast jedem Menschen sehe, der nur mit Queck« 
Silber behandelt worden ist." 

In Wirklichkeit habe ich gesagt: 

„Ich sehe den anatomischen Befund, den die Augendiagnostiker als 
(Juecksilberring bezeichnen, bei fast allen Menschen, mögen sie nun mit 

Quecksilber behandelt worden sein oder nicht" (cf. S. 59.) 

Ich will mich mit diesen wenigen Beispielen begnügen. Sie allein 
düritcii schon genügen, um zu zeigen, welch unrichtiges Bild der Prozeß- 
verhandlungen durch diesen „stenographischen. Bericht" entrollt wird. 

1) Ober die Anwendung dieser uraKen Zaubermittel vergl. mein Buch 
über den bösen Blick. 



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— 115 — 

Reibesitzbad, Sonnenätherstrahlenapparat usw. usw. heißen. Mit 
irgendeinem solchen Universalmittei wird unterschiedslos darauflos 
kuriert, an welcher Krankheit der Patient zufällig leidet, ist Neben- 
sache. Im Felkeprozeß wie überhaupt bei allen Augendiagnostikern 
sehen wir zur Abwechslung einmal etwas anderes. Hier soll die 
Diagnose die Hauptrolle spielen, allerdings ist ,,die Behandlung nicht 
von der Diagnose zu trennen", „sie ist unzertrennlich mit ihr ver> 
knüpft" und besteht aus den allgemein bekannten Mitteln der Natur- 
heilmethode, Bädern, Lehmumschlägen, Teetrinken usw. Das Kre- 
felder Landgericht erkannte daher ganz richtig, daß es in diesem 
Kurpfuscherprozesse im Gegensatz zu allen Prozessen ähnlicher Art 
hauptsächlich darauf ankam, zu bex'. eisen, ob der angekla^e Kur- 
pfuscher überhaupt die Befähigung zuni Erkennen von Krankheiten 
habe; und aus dieser richtigen Überlegung heraus sollte dem Ange- 
klagten — ein noch nidit dagewesenes Experiment — die Möglich- 
keit gegeben werden, seine Fähigkeit im Beisein von unparteiischen 
Personen (die sachverständigen Augenärzte, die den ganzen Sdiwindel 
aufs heftigste bekämpfft hatten, durften vorsichtshalber bei diesen 
Untersuchungen nicht zugegen sein) zu beweisen. So sehr es nun 
einerseits zu bedauern ist, daß emsthafte Ärzte sich zu einem solchen 
Possenspiel im Krankenhause hergeben mulitcn, so sehr ist es auch 
andererseits zu beglückwünschen, daß durch diese Untersuchungen 
amtlich und einwandsfrei festgestellt und urbi et orbi verkündet wor- 
den ist, daß die ganze Augendiagnose Schwindel ist. 

Wnr lassen hier das Ergebnis der Felkesdien Augendiagnose 
folgen; 

1. Felkes Aufzeichnung: Unteres Beinfeld zeigt in beiden 
Augen Abweichungen. Das Milzfeld ist gezeichnet. Die Leber ist ge- 
zeichnet, auch der Blinddarm. Der Mastdarm zeigt im linken Auge 
über der Bauchpartie Schmerzkringel. Die ganze Nitur deutet auf 
Tuberkulose der linken Lunge. Das stärkste Feld zeigen die beiden 
Beine, dann mint die Milz und dann der Mastdarm. 

Prof, Gairc; Der Kranke leidet an Lungentuberkulose. Tuberkel- 
bazillen sind vorhanden. Im übrigen fehlt dem Mastdarm nichts. Die 
Beine sind vollständig gesund. 

Felke: Ich hatte also recht, wenn ich Tuberkulose feststellte. 

2. Felkes Aufzeichnung: Rheumatismus gehabt. Das Auge 
zeigt, daß der Magen ziemlich herunter ist und damit zusammen- 
hängend Katarrh /eichen an Blase und Bronchien. Das Herz ist ge- 
zeichnet. Viel Nachtschweiß. Die Lunge funktioniert etwas trocken. 

Prof. Oarre: Rechtsseitige eitrige Brustfellentzündung. Das 
Stück einer Rippe ist herausgeschnitten. Jetzt besteht noch eine stark 
eiternde Fistel an der rechten Brustseite. 

8» 



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- 116 — 

Vors.: Also von der Brustfellentzündung und der eitrigen Fistel 
haben Sie nichts gefunden? 

Felke; Das kann ich jetzt nicht sagen. Hätte ich fragen können, 
SO würde ich yrdtex gdcommen sein. Es war ein sehr unklares Bild 
im Auge. Da mußten die Fragen hinzukommen. 

Oberarzt Dr. Rein hold: Rheumatismus hat der Kranke nicht 
gehabt, solange er in meiner Behandlung war. 

3. Felkes Aufzeichnung: Ein kleiner Arsenikfleck. Zeichen 
am linken Knie. Der Kranke wird leicht schwindlig. Zeichen auf der 
Leber. Rückenschmerzen. Verdauung vielfach gestört, außerdem Stich 
an der rechten Hüfte. Nierenzeichen nicht ganz deutlich, aber es 
deutet aui Kückenschmerzen Inn. 

Felke: Ich habe noch hinzugefügt: Also karzinomatöse Natur. 
— Auf Befragen eines Richters wird Sachverständiger Dr. Sexauer 
aus Godesberg gefragt, ob er mit Felke oder anderen über diesen 
Fall gesprochen habe. Dr. Sexauer kann sich dessen nicht erinnern. 

Prof. Oarre: Die Kranke hatte Brustkrebs auf der hnken Seite 
und ein Beingeschwür seit mehr als 10 Jahren am rechten Bein, 
das nicht auf Krebs zurückzuführen ist. Der Brustkrebs ist nicht 
operiert. 

4. Felkes Aufzeichnung: Pupillen nicht gleichmäßig. Vermut- 
lidt Wurmplage. Trinkt gern gute Bouillon und guten Kaffee. Träumt 
viel nachts. Fuße kalt. Blutdrang. Schmerzgefühle des Leibes, ver- 
bunden mit Schmerzen im Kreuz, i^uß einmal hart aufgesprungen 
sein. Hat leicht JVligränc, Magenschmerz, neigt zu Gallenstein. 

Prof. Oarre: Ganz frische Syphilis. Es ist Quecksilber verali- 
reicht worden. Ein Fall, der sehr ansteckungsfähig ist Verletzungen 
sind nicht da. Sonst gesund. 

Felke; Auf Krankheiten wie Syphilis gebe ich ungern acht und 
beachte sie auch nicht. Quecksilberringe haben sich in so kurzer 
Zeit nicht gebildet. Das dauert länger. Es hat Zeit nötig, bis ein 
solcher Quecksilberrand sichtbar ist 

5. Felkes Aufzeichnung: Jodverfärbung bis zur Pupille. Bein- 
zeichen von unten herauf bis zum Knie. Unterschenkel besonders 
sichtbar. Partie einer Pupille ausgezackt. Ißt zu schnell oder zu 
viel (Frcnsack). Magen und Eingeweide haben eine gewisse Schlapp- 
heit Am linken Auge sieht man unter dem Nasenfeld frühere In- 
fluenza. In beiden Augen Nierenfeld etwas gezeichnet 

Prot Oarre: Es konnte nicht lestgestcUt werden, daß der Kranke 
überhaupt in letzter Zeit Jod bekommen hat Es handelt sich um 
4 Knochenbrflche an den Rippen an der Unken Seite und zwar mit 
starken Verschiebungen der Rippen. 

Oberarzt Dr. Erasmus: Der Kranke hat heute nodi starke Be- 



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- 117 

schwcrden von den Kippenbrüchen. An den Beineji hat der Kranke 
nichts. 

Felke: Das gebe ich zu, das habe ich nicht gesehen. Unter den 
Umständen, unter denen ich die Diagnose habe stellen müssen^ wun« 
dert mich das weniger. 

Oberarzt Dr. Erasmus: Ich möchte feststellen, daß es sich um 
eine möglichst objektive Untersuchung gehandelt hat. Meine Auf- 
fassung war, (laß es sich nur um die Augendiagnosc handeln sollte. 
Wir haben trotzdem gestattet, dnf^ die Leute teilweise zu FtiB in 
den Saal getreten sind. Von irgendeiner Beschleunigung der Unter- 
suchunu kann keine Rede sein. 

Felke: Die Augeadiagnuse existiert doch nicht apart für sich, 
die treibe ich im Zusammenhang mit dem Menschen. Wie aus der 
Pistole heraus habe ich arbeiten sollen. 

Vors.: Nicht wie aus der Pistole heraus! Wir haben Ihnen doch 
Zeit gegeben. Wir haben niemals gedrängt. 

Felke: Ich habe es niemals so gemacht. Heute war ich unter 
den Verhältnissen nicht in der Stimmung. Ich verwende die Zeit von 
10 bis 1 Ulir auf 20 bis 22 Patienten. 

Ein Beisitzer: Heute haben Sie doch 3V2 Stunden Zeit gehabt 

Felke: Die Augendiagnosc ist doch nur ein Hilfsmittel. 

Vors.: Sie haben auch dnmal anders gesagt Da haben Sie nur 
aus den Augen Ihre Diagnose schöpfen wollen. 

Felke: Die Hauptsache ist allerdings die Untersuchung der 
Iris, aber in Verbindung mit dem ganzen System der Homöopathie 
usv^\ ist die Sache zu verstehen. 

6. Felkes Auf zeich nunpf: Beide Nieren ji^ezeichnet Besser 
die rechte. In Mitleidenschaft gezoircn sind Herz, Bauch und Speichel- 
drüsen. Katarrh am Halse reclits. Schlaf nicht genügend. Augen 
haben nachgelassen. Chininzeichen. 

Prof. Oarr^: Der Kranke leidet an Nierenentzündung. Chinin 
hat er nicht bdcommen. Das Herz ist gesund, die Leber ist gesund. 

Oberarzt Dr. Reinhold: Als Kind ist der Kranke auf den Hinter- 
kopf gestürzt und deshalb wegen Schwerhörigkeit vom Militär frei 
gekommen. Er hört aber jetzt wieder besser. Die Schwerhörigkeit 
ist vom Herrn Pastor nicht erwähnt worden. 

7. Felkes Aufzeichnung: Schmerzkringel am Magen und im 
Rücken, neigt zu Schwindelanfällen, Kopf angegriffen, hat mit der 
Blase zu tun. Am rechten Auge Uteruszeichen, am linken Auge Hä- 
m<HThoidenzeichen, nicht scharf ein Zeichen an der hnken Niere. 
Stuhlgang nicht geregelt Zahnfleisch leicht blutend. 

Prof. Qarre: Die Patientin leidet vornehmlich an schwerer 
Zuckerhamnihr (Diabetes) und hat daneben Lungentuberkulose und 



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einen geringen Grad von Schwachsinn. Der Zucker ist chemisch 
nachgewiesen. 

Felke: Es war ein ziemlich sdiwieriger Fall Von der Lunge 
habe ich allerdings nichts gesdien. 

Vors.: Sie haben allerdings gesagt daß Sie das Auge, weil es 

dunkel war, schlecht beobachten konnten. 

Oberarzt Dr. Rein hold: Es war ein sehr schwerer Fall mit 
50/fi Zucker. Die Krankheit besteht also schon länger. HämorrhoidaK 
beschwcrden hat die Kranke nie gehabt. 

Felke: Das weiß die Kranke vielleicht nicht einmal. Das kommt 
oft vor. 

8. Felkes Aufzeichnung: Schlechte Verdauung. Beide Arme 
gezeichnet Schmerzkringel durch den Leib; etwas die Blase ge* 
zeichnet Etwas rheumatische Ansätze. Rechts energtsdie Striche 
an Büste, Schulter, Hals und Ohr. Haut schlecht Schlechte Blut- 
säfte. 

Felke fügte noch hinzu: Linke'? Nierenzeichen. 
Prof. Qarre: Die Patientin leidet au schwerem Gebärmutter' 
krebs. 

Felke: In der linken Niere habe ich einen Abszeß vermutet 
Prof. Garr6: Der Krebs ist zwei Handbreit weit von der Unken 
Niere entfernt 

Felke: Im Auge li^ die Vagina an beiden Seiten. Idi hatte 
»»unterhalb der Nieren" geschrieben, eine Stelle, die nach unten 
zeigt. 

Vorsitzender: Finden Sie das nicht sonderbar? 

Felke: Gerade solche Fälle sind schwierig zu untersuchen. 
Gerade solch schw ere Krankheiten sind oft schwieriger festzustellen 
als leichte Erkrankungen. 

9. Felkes Aufzeichnung. Zeichen an der Büste. Vollgefüllt- 
heit (sie!) des Leibes. Kleine Veränderungen der Gebärmutter mit 
weißem FluB und Periodenstörungen verbunden. Appetit auf pi- 
kante Sachen. Blut schlecht, blutarm. 

Prof. Oarre: Mehrfach schwerer Gelenkrheumatismus. Jetzt 
im Krankenhause wegen schweren Herzfehlers. 

Felke: Das habe ich allerdings nicht direkt gesehen. Darin 
habe ich mich olfenbar geirrt. Das wundert mich um so mehr, als 
sich Herzkrankheiten sonst sehr deutlich zeigen. 

10. Felkes Aufzeichnung: Braunes Auge, also schwieriger 
zu sehen. Im rechten Auge Leberfeld schwarzer Fleck, im linken 
Auge mittleres Kopffeld und Mastdarmfeld. Rechte Bauchseite und 
rechte Beinselte gezeichnet, eventuell Nierenfeld. Rechts Bronchien 
und Hindeutung auf benommenen Kopf. 



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Felke: Ich habe noch notiert; Eventuell Herz gezeichnet. Achsel- 
schweiß. 

Prof. Garr^: Eine schwere eitrige Blinddarmentzündung. Der 
Eiter hat sich bis nach links herüber erstreckt. Es finden sich jetzt 
noch derbe, schwartige» fibrinöse Massen. Der Eiter ist durch die 
Blase durchgebrochen, und es besteht ein eitriger Blasenkatarrh. 

Der Urin hat dicken, eitrigen Bodensatz. 

Felke: Bei dem Fall habe ich wohl an Blinddarmentzündung 
gedacht. Ich habe aber das Wort nicht gebraucht Gesehen hatte 
ich auch etwas davon. 

Vorsitzender: Warum hatten Sie es dann nicht aufgeschrieben? 

11. Felkes Aufzeichnung: Auf dem rechten Auge ein Bein- 
feld, rechts und links helle Heilzeichen. Die Augen stehen nicht 
gleich im Kopf. Links Zeichen für Bronchien und Rippenfell Helles 
Zeichen für Blutüberfüllung. Entzündung an linker Schulter und 
Oberarm. Zahnfleisch blutet manchmal Draufgänger. Hansvome- 
weg. Arsenikflecken. 

Prof. Garre: Der Fall ist bedeutsam für die Lokalisation auf 
der Iris. Das ist ein I^unkt, der von den Augenärzten besonders an- 
gezweifelt worden ist. Die Zeichen der Iris sollen sich ja immer 
lokalisieren, wo das Organ sitzt, so daß der Augendiagnostiker im- 
stande ist, ztt sehen, wenn ein Organ nicht auf der rechten Stelle 
sich befindet Bei dem Kranken liegt nun das Herz auf der rechten 
Seite. Er leidet an schwerem Irrsinn von der Jugend an. Ferner 
ist ein Arsenikflecken festgestellt. Im Krankenhause ist ihm kein 
Arsen gegeben worden. Dabei hat er viel Opium bekommen, 10 bis 
12 Gramm. 

Oberarzt Dr. Rheinhold; Es handelt sich um einen ganz ner- 
vösen Jungen. 

Felke: Das nenne idi Draufgänger. 

12. Felkes Aufzeichnung: Rechte Pupille kleiner als linke. 
Früher zu schnell gegessen. Im linken Auge ist ein Beinfeld ge> 

zeiciiiii t Dunkles Auge. 

Felke: Dazu kommt noch ein Ansatz von Quecksilber. 

Prof. Garre: Der Kranke hat einen schweren, nicht verheilten 
Unterschenkelbruch auf der rechten Seite. Ich bemerke dies des- 
halb, weil bemerkt worden ist, daß sich auf der linken Seite ein Bein- 
feld gezeigt hat, während der Kranke an der reciuen Seite einen 
Bruch hat, der nicht verheilt ist. Die Knochen lassen sich noch 
gegeneinander verschieben. Quedcsilberbehandlung ist im Kranken- 
hause nicht vorgenommen worden. 

Felke: Ich werde doch nicht die beiden Beinfelder verwechselt 
haben! Das kann wohl in der Rage vorgekommen sein. Es ist 



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nämlich ausgeschlossen, UaU sich die Zeichen auf der falschen 
Seite zeigen. 

13. Felkes Aufzeichnung: Unten links Beinfeld; in beiden 
Augen gezeiciinet, aucii beidte Nieren. Reciits Zeichnung des Fußes. 
Auch Nciguntr zu Katarrhen in der Nase. Rechts Schmerzkringel 
in Bein und Rücken, links Schmerzkringel von Brust bis zum Hinter- 
kopf hin. 

Prof. Oarre: Tuberkulöse Entzündung der Wirbelsaule, Quet- 
schung des RücJ<enmarl<s mit totaler Lähmung beider Beine. 

Felke: Die Beine waren ja gezeichnet, aber das Rückenmark 
habe ich nicht gesehen. Oas sehe ich sonst immer. 

14. Felkes Aufzeichnung: Beide Nierenfelder. Rechte Niere 
zeigt Substanzverlust Die Blase ist gezeichnet an beiden Seiten, 
das Ovarium rechts. Rechts Halsbronchial^egend. Spinale vor- 
wiegend rechts. Kein leichter Fall. 

Prof. Oarre: Das Kind leidet an schwerer Tuberkulose des 
Bauchfells. Beide Nieren sind gesund. Die Tuberkulose hat sich 
so weit zurückgebildet, dali Darmschwarten zu fühlen sind. Das 
Wasser hat sich aufgesogen. Am Herzen ist nichts nachgewiesen. 

Felke: Das möchte idi noch nachsehen. Das Kind habe ich 
als tuberkulös angesehen. 

Vorsitzender: Das haben Sie nicht gesagt 

Oberarzt Dr. Rein hold: Es Hegt kein Anhaltspunkt vor, 
anzunehmen, daß die Nieren krank, speziell, daß sie tuberkulös 
sind. 

Oberarzt Dr. Erasmus: Das Mädchen ist anfangs in meiner 
Behandlung gewesen. Es war damals an schwerer Tuberkulose 
erkrankt. Wir haben die Voraussage günstig gestellt, weil die 
Nieren stets vollständig gesund waren. Deshalb haben wir auch die 
Hoffnung auf Genesung nicht fallen bissen. 

15. Felkes Aufzeichnung: Rechts kleinere, links größere Pu- 
pille. Das linke Augenfeld erscheint gefährdet Siirnkopfschmerzen. 
Die Partie rechts an der Hüflgesend ist unklar, aber Zeichen nach 
der Blinddarmgegend sind zu sehen. Am rechten Auge Zeichen 
der unteren Bronchien, ebenso rechts kleines Beinzeichen. Die Frau 
hat Neigung zu Rheumatismus oder Gicht. 

Prof. Oarre: Die Kranke leidet an Wasser im rechten Knie, mit 
schweren Veränderungen im Knie und hat früher eine Quetschung 
der rechten Schulter gehabt Die Blinddarmgegend ist gesund. 

16. Felkes Aufzeichnung: Schmerzen an der Schulter. Un- 
regelmäßigkeiten am Herzen, Magenschmerzen, ev. mit Gallenstein 
und Kolik. Schulter und Achsel rechts energisch gezefehnet Schmerz- 
kringel »m rechten Bein. 



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Felke: Ich habe noch verzeichnet: Neigung zur Verkalkung. 

Prof. Garre: Die Frau leidet an einem frischen Bruch des 
Vorderarmes und gibt auf Befragen an, daß sie mit 17 Jahren 
Typhus gehabt ha^ sonst aber gesund ist Sie liat keine rheumati- 
schen Schmerzen und auch keine Schmerzen an der rechten Schulter. 
Auch hat sie stets einen vorzüglidien JVtagen gehabt 

17. Felkes Aufzeichnung: Rückenschmerz, der sich auch nach 
rechts unten zieht. Handschweiß äußerlich zu sehen. Füße leicht 
kalt, Verdauung nicht genügend. Zeitweilig schlechten Geschmack im 
Mund. Magen zu voll. Hinten trockene Flecken am Hals. 

Prof. Garre: Die Kranke hat einen schweren Bruch der un- 
teren Partie der Wirbeisäule. 

Felke: Den Bruch habe ich nicht erkannt; aber das erste, was 
ich geschrieben habe, war Rückensdunerz. 

Prof. Qarr£: Zwei Wirbel waren gebrochen. 

Felke: Die Wirbel sind im Auge nur klein gezeichnet Wie 
selten habe ich aber Knochenbrüche zu sehen bekommen! Darin 
muß man doch zuerst Übung haben. 

Vorsitzender: Bei Dr. v. Olsten, den Sie als Sachverständigen 
geladen haben, hatten Sie doch am Fuße die Verletzungen entdeckt. 

Felke: Die sieiit man besser, und die kommen auch öfter vor. 

18. Felkes Aufzeichnung: Auf dem rechten Auge Blind- 
därmzeichen. Auf beiden Augen Bein- und Bauchwand gezeichnet 

Prof. Qarre: Der Kranke hat an beiden Beinen eine ziem- 
lich schwere Verletzung erlitten, links eine Quetschung, und redits 
Abquetschung der vorderen Zdie. Der Blinddarm ist gesund. 

19. Felkes A uf /eichnung: Rechtes Auge zeigt Schmerzkringel 
vom Unterleib bis zum Rücken. Auf beiden .4ugen katarrhalische 
Zeichen. Blutarm. Zeitweise fiebrige Zustände an Brust und Hals. 

Prof. Garre: Tuberkulose des Bauchfells, wurde operiert. Hat 
noch an der rechten Bauchseite eine Fistel. An der Lunge ist 
nichts; hat einen Puls von 124 gehabt und war aufgeregt. Di|e 
Temperatur im Darm betrug 37,7. In den letzten Wochen $ind keine 
Fieberzustände vorhanden gewesen. 

20. Felkes Aufzeichnung: Rechtes Auge Nierenfeld mit 
Schmerzen durch den Leib. Linkes Awic Schulterzeichen. Auch 
am Herzen bemerkbar. Fußschwäche vorhanden fidcr gewesen. 
Gedächtnis hat ein Loch. Neigung zur Tage'i=:chläfngkeit. 

Prof. Garre: Dem Kranken ist der Blinddarm herausgenommen 
worden. Er hat im linken Auge einen Stahlsplitter, und infolgedessen 
ist er auf dem Auge nahezu bUnd. 

Felke: Das ist mir nicht aufgefallen. 



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Eine köstlichere Ironie auf die ^an^^e Augcndiagnose als diesen 
Fälligkeitsnachweis des Lehmpastors, der täglicli 40 — 50 Patienten 
behandelte, kann man sich kaum denken. Wenn man zugunsten 
des großen Diagnostikers lioch rechnet, so war von den 20 Diagnosen 
in 4 Fällen beiläufig, unter einem Wust der verschiedenartigsten 
Krank heitszustände, dasjenige Organ annähernd bezeichnet, das wirk- 
lich der Sitz des Leidens war; alle übrigen Diao:nn^rn waren voll- 
kommen vorbei{T:e raten. Wie wenij]f diese doch recht bescheidene 
Anzahl von Treifern zu bedeuten hat, kann sich jeder denkende Laie 
selbst sagen, wenn er beachtet, daß der Angeklagte in jedem einzelnen 
falic eine größere Zahl von Kennzeichen, bis zu 10, auf der Iris 
angegeben hat Eine besonders auffällige richtige Diagnose hat 
er in keinem einzigen Falle gestellt. Im Gegenteil, seine Unkenntnis, 
ein Auge zu beurteilen, ist so groß, daß er nicht einmal imstande 
war, ein fast erblindetes Auge zu erkennen. 

Gewiß, jeder Arzt, selbst der tüchtigste und gewissenhafteste 
kann sich auch irren und irrt sich geletjentlich einmal !i) Aber das 
ließt in der menschlichen Unvollkonimenheit und in den ürenzen, 
die dem menschlichen Wissen gesteckt sind. Ganz anders aber steht 
die Sache bei den Leuten vom Schlage Felkes: Hier ist der Irrtum 
eine Folge des ganzen von ihnen vertretenen Systems, das mit abso- 
luter Notwendigkeit zu fortwährenden Fehldiagnosen führen muß. 

Trotz seiner unsterblichen Blamage ist Herr Felke natürUch 
noch immer weit davon entfernt, von seinem Größenwahn kuriert zu 
sein. Er und seine Anhänger, d. h. hauptsächlich diejenigen, die mit 
der Augendiagnose ihr Geschäft machen, die „Vertreter der Pastor' 
Felke Heilweise", wie es in schönem Deutsch heißt, versuchen 
die Sache so darzustellen, als ob mit der Art der Untersuchung, wie 
Felke sie hat vornehmen müssen, dem armen Manne bitteres Unrecht 
geschehen sei. Zu gleicher Zeit behaupten sie, Pastor Felke habe 
in einem Falle, der von den Ärzten falsch geschildert worden sei, 
recht gehabt So unerquicklich diese Sache auch ist, so müssen wir 
dieselbe, doch richtigstellen, damit keine Legendenbildung entsteht. 

Über die Art und Weise, wie Felke die Untersuchung hat vor- 
nehmen müssen, schreibt die (wohl von dem Lehrer Müller, dem 
Verfasser des entsetzlichen Felkebuchcs inspirierte) Rheinisch-West- 
fälische Zeitung vom 9. November 1Q()9: 

Es ist von Interesse, /u vernehmen, welche Oedanken und Cmp- 
luidungcn den Fastor bewegten, als ihm die in I>ecken gehüllten (das 
ist falsch) Kranken vorgeführt wurden. Er äußerte sich darüber, als 



>) Mfllberger, Pastor Felke. März. 2. Dezemberheft 1909. 3. Jahig. 
Heft 24. 



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— 123 — 



er abends riacli der „vernichtenden Freisprechung" unter seinen Ge- 
treuen sab. Dort hat er u. a. geäußert: „Während sonst unser Beruf 
es mit sich bringt, daß wir immer von allen am meisten itclcn 
müssen, habe ich diesmal sechs Tage lang dort gesessen und andere 
reden lassen. Die einen halten mich für |>atfiologisch, den andern bin 
ich ein psychologisches Ratsei, bei den dritten bin ich gewissenlos, 
bei noch andern bin ich ein brauchbarer Mensch oder auch ein Stand- 
punktsfanatiker. Aber was man auch von mir behauptet hat: ein Oe^ 
fühl des Zornes oder der Bitterkeit ist während des ganzen Prozesses 
nicht hbcr mich gekommen. Nur einmal ist das geschehen! Es war 
im Krankenhause, als ich hörte, idi müsse die Patienten mit verschlos- 
senem Munde untersuchen, ich, der ich doch gewohnt bin, den mir 
nahenden Kranken irgendein tröstliches und freundliciies Wort zu 
s^gen! Wenn ich einen Kranken sehe, stürmen tausend Gefühle auf 
mich ein, die sich zu der Frage vereinigen: Wie machst du den 
Armen gesund? Ich will ja keine Augendiagnose wissenschaftlich 
begründen! Ich will Kranke gesund machen, die bisher vergebens 
Hilfe gesucht haben! Ich wartete nur noch darauf, daß man mir auch 
die Augen verbinden würde. Wie soll ich meine Lage schildern! 
Ich sollte auf einen Kirchturm klettern, aber es wurde mir gesagt: 
Wehe, wenn du eine Leiter gebrauchst! Mich packte das Ciefühl des 
Zornes. Es wurde noch verstärkt, als ich den zweiten Patienten zu 
Gesicht bekam. Da wußte ich, woran ich war. Bis zum elften Patienten 
habe ich dann ganz mechanisch untersucht, und es folgte nun eine 
längere Frühstückspause, die ich als den Abschluß des grausamen 
Spiels ansah. Aber es ging nachher wieder weiter. Vom 15. Fall 
ab nannte ich nur ganz mechanisch die auffallendsten Zeichen. Ich 
sage selbst, das war keine Diagnose mehr. Die Sache ging 
mich nichts mehr an, und so tat ich schnell den Rest ab. Einer 
fragte mich, was ich wohl sagen würde, wenn keine einzige Diagnose 
stimmte. Ich erwiderte darauf, dann iiabc es sicli um keine red- 
liche Sache gehandelt. Nun, vier zutreffende Diagnosen hat mir 
sogar der Staatsanwalt zugestehen müssen, und wer meine Art 
zu diagnostizieren auch nur teilweise kennt, der weiß, daß zehn bis 
2w51f weitere Fälle durch drei bis fünf Hilfsfragen mit einer exakten 
Diagnose herausgekommen wären. Davon sind auch viele Ärzte 
überzeugt, und an den einzelnen A uf/i ichnungen kann ich das a tempo 
nachweisen. Dieses Resultat hätte ich erzielt trotz der ungewohnten 
Verhältnisse, trotz der hinter mir hegenden Prozeßtage und trotz der 
in ihrer großen Mehrzahl für mich sehr terniiegenden Krankiieitsbilder. 
Es war ja ein Material, wie es mir fast nie zu Gesicht kommt. Daß 
man Knochenbrüdie nicht erst aus den Augen zu diagnostizieren 
braucht, weiß man anscheinend im Krankenhaus nicht. Es sind 



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— 124 — 



Spielereien, auf die ich selten etwas gebe. Die Irisdiagnose hat für 
mich ganz andere Aufgaben. Höchst sonderbar war mir die Behaup- 
tung, daß bei den schwer Zuckerkranken die Leber gesund sein sollte ! 

Dieser Fall beweist typisch, wieweit wir in unseren Ansdiauungen 
über Gesundheit und Krankheit auseinandei^hen. Meine Prognosen 
hat man kurzerhand abgetan. Es wurde da meist erwidert, im 
Krankenhaus habe man das nicht beobachtet Aber das beweist 
doch nicht das mindeste! Kurz, der Kurpfuscher war unantastbar, 
und so suclitc man wenigstens seine Sache zu vernichten. Im übrigen 
h-itte ein ür/tiicher Sachverständiger recht, als er den ganzen Vorgang 
mi Krankenhaus ein unerhörtes Experiment nannte, ein Experiment, 
wie ihm in seiner ganzen ärztlichen Praxis noch keins voigekommen 
sei. Mein Besuch im Krefelder Krankenhaus wird die gründliche Er- 
forschung und damit die Aneikennung der Augendiagnose wesentlich 
beschleunigen. Des bin ich gewiß trotz aller augenblicklichen Ent- 
täuschungen, die ich der Masse bereiten mußte, weil sie die Voigänge 
nicht zu würdigen vermag und deshalb nnch deni urteilt, was vor 
Augen ist. Ich rechtfertige mich selbst nicht! Es sind andere an 
der Arbeit, die werden es für mich tun und einer unerschütterlichen 
Wahrheit zum Siege verhelfen. 

Demgegenüber ^ußert sich Dr. Erasmus, der Oberarzt des 
Krefelder Krankenhauses fulgcndermaßen^: 

„Um in der Felkefrage einer dauernden irrtümlichen Auffassung 
zu b^egnen und zugleich um noch immer taglich an mich ergehende 
Anfragen zu beantworten, hatte ich eine kurze Schilderung der 
Vorgänge vom 3. November für angebracht 

Nach cingehoiter Genehmigung des Herrn Oberbürgermeisters 
wurde für die gerichtsseitig beschlossenen Untersuchungen ein großer 
geschlossener Tagesraum in einem unsrer neuen i^avillons bereit- 
gestellt Dieser Raum bietet durch seine großen Südfenster reichliche 
Beliditung, außerdem wurde für einzehie Fälle eine elektrische 
Lampe benutzt Die Kranken, die vorher um ihre Zustimmung 
befragt waren, traten einzeln in Ihrer gewöhnlichen leichten Kranken- 
hauskleidung ein, sogar das sehr charakteristisch gehende Mädchen 
mit Bruch der Lendenwirbelsäule ging zu Fuße. Von einer Ver- 
mummung war in keinem FnHc die Rede. Nur die Kranke mit Unter- 
armbruch war von den Scliiiliern abwärts in ihrem Sesselwagen zu- 
gedeckt Dieser Wagen wurde auch für die wenigen Kranken benutzt, 
deren Leiden das Gehen nicht gestatteten. Wegen der raeist sehr 
klaren Krankheltsblhler sollte Herr Pastor Felke an die Kranken 
Fragra nicht richten. 



0 Krefdder Zeitung. 8. Nov. 1909. Nr. 751. 



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— 126 — 



Herr Pastor Felke untersuchte mittels eines umfangreichen Ver- 
größerungsglases die Augen, untersuchte und betastete fast bei allen 
Kranken Hände und Finger von beiden Seiten (cf. S. 42), betastete 
weiter die seitliche Nacicen- und Halsgegend, den Kehilcopf, die 
Drosselgnibe, ließ den Kopf vorwärts, rüdcwärts und seitlich bewegen 
und drehen und stellte in einem Falle zweifellos die Frequenz des 
Pulses fest Die Untersuclmng dauerte bei einzelnen Fällen bis zu 
12 Minuten. Der ganze Vorgang spielte sich ohne Schärfe und ohne 
tile ab und hatte den Charakter etwa einer geordneten, behagUchen 
Konsultationsstunde, in welcher über die einzelnen Fälle, soweit es 
sich um die angeblichen Zeichen der Augendiagnose handelte, ein- 
gehend gesprochen wurde. 

Das Resultat ist bekannt 

Bei der Untersuchung waren außer Herrn Qeheimrat Oarrl 
und den beiden Oberärzten des Krankenhauses der Oerichtshof, die 

Anwälte, ferner die beiden von der Verteidigung geladenen Arzte, Herr 
Prof. Klein und Herr Dr. Sexauer und eine Anzahl zufällig anwesender 
Mitglieder der Krankenhausdirektion zugegen. 

Die Untersuchungen, welche an 20 Kranken erfolgien, begannen 
um 11 Uhr und fanden einschließlich einer halbstündigen Erfrischungs- 
pause um halb vier Uhr ihr Ende.*' 

In ähnlicher Weise Si^erte sich Prof. Oarr£ : i) 
„Man muß wissen, daß von F. vier. Tage lang vor Gericht 
mit aller Bestimmtheit behauptet wurde, daß er lediglich aus den 
Augen Diagnosen stelle, ohne Befragen der Kranken — darüber 
sind eine große Zahl von Zeugen vernommen worden, die Wunder- 
dinge berichteten, die F. nur aus ihren Augen gelesen hätte; selbst 
Naturheilkünstler haben dasselbe bezeugt und beschworen! Nun 
galt es, den tatsächlichen Beweis im Krankenhaus zu liefern, und da 
verlangte er sofort, hragen an die Kraniven richten zu dürfen. Das 
Oericht lehnte das ab, weil all die Tage vorher von Befragen nicht 
die Rede war. Pastor Felke machte sich dann an die Arbeit und 
hatte bequem Zeit; man sah ihm nicht auf die Finger — ja man 
litt es sogar, daß er einzelnen Kranken den Puls fühlte, sie am Hals 
befühlte. Er war dabei guter Dinge und aufgeräumt — er selbst 
wollte keine Pause machen, erklärte, daß er p^ir nicht angestrengt 
sei. Er mag dabei des Glaubens gewesen sein, die Krankheiten richtig 
erkannt zu haben, denn keine der f'^e'^tellten Diagnosen wurde irgend- 
wie kritisiert. Erst m der Naciiunliagssit/ung iiabe ich die arztliche 
Diagnose bekanntgegeben, was ja den schauderhaften Blödsinn 



Bonner Generalanzeiger. 15. Nov. 1909. Krefelder Zeitung. 18. Nov. 
1909. Ni . T77. 



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erst so richtig beleuchtet hat. Und nun mit einem Male hieß es : ja, 
das ist Icein ehrliches Tun, das war Zwangsarbeit, man hat mir den 
Mund verboten usw. Daß den Kranken selbst über die Diagnose 
nichts gesagt werden durfte und F. deshalb auch nicht mit ihnen sich 
unterhalten durfte, hatte auch noch einen weiteren wichtigen Orund. 
Man wollte die Kranken vor jeder Beunruhigung sdiützen, die etwa 
durch solch unsinniges Andiagnostizieren von Krankheiten, die sie 
gar nicht hatten, oder (wie es Felke liebt) von solchen, die sie 
bekommen würden, entstehen könnte", (cf. S. 101 u 110.) 

Was nun die angebliche richti(?e Diagnose des Lehmpastors 
betrifft, so ist darüber folgendes zu sagen i): Felke soll eine Postkarte 
erhalten haben mit fönendem Inhalt: 

„Nach Ihrer Untersuchung im städtischen Krankenh'ause zu 
Krefeld haben Sie mich richtig t>efunden; was die Arzte im Kranken- 
hause angegeben haben, war die Unwaiirheit" Daraufhin hat der 
uns jetzt schon hinlänglich bekannte Lehrer Müller zusammen mit 
etnem als eifrigen Anhänger Felkes bekannten Krefelder Kaufmann 
den Kranken ^ es war bei der Augendiagnose der Fall 5 — besucht 
und dabei folgendes „festgestellt": 

„Er ist ein junger Mann, im Alter von etwa dreißig Jahren. Er 
wies auf den Zweck unseres Besuches hin und erwähnte die Postkarte. 
Das stimme genau, meinte er. Nach und nadi wurde das Gespräch 
lebhafter. Fast alle Äußerungen des Patienten erfolgten stoßweise 
und hastig. Ich dachte an Felkes Aufzeichnung, „ifit zu schnell oder zu 
viel" (Freßsack). Sie erregte damals im Qerichtssaal das spöttische 
Lachen einiger Sachverständigen; aber sie stellte sich mir gestern 
als eine reine Beobachtung des Pastors heraus. Franz — so hieß der 
junge Mann — bestätigte verschmitzt lächelnd, das sei richtig. Be- 
sonders im Krankenhause habe er tüchtig dreingehauen. Ich las 
ihm nun vor — und er verfolgte den Text in einem zweiten Exemplar, 
was Felke weit«' aufgezeichnet hatte: „Jodvofäi^ung bis zur Pu- 
pille'*, und fragte ihn, ob er etwa den Oberschenkel einmal mit Jod 
eingerieben habe. Das wurde verneint. Ich fragte, ob er sidi unten 
anderweitig schon einmal verletzt habe. Was mich veranlaßte, so zu 
fragen, war der Sitz des Jodzeichens in der Iris, das ich sofort als 
solches erkannte, als ich die schlecht brennende I atnpe vom Tische 
nahm und in die Augen leuchtete. „Ja doch," bemerkte er, „ich 
habe mir im vorigen Jahre beim Abspringen vom Picrd die Hoden 
aufgerissen, denn ich blieb damit hängen. Man hat mich dann ins 
Krankenhaus gebracht und dort ist die Wunde vernäht und dann mit 



Krefelder Zeitung. 2ö. Nov. 1909. Nr. 799. Felke-Zeitung. Krefeld. 
1. Dez. 1909. 



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einem JodtJlujinverband verbunden worden." Die Augendiag^no«?p 
beweist ebenfalls, daß bei dieser Gelegenheit Jodoform angewandt 
worden ist, das allbekannte Mittel bei Wundbehandlung^. Und wie 
sagte Professor Garr^': „Es konnte nicht festgestellt werden, daß 
der Kranke überhaupt in letzter Zeit Jod bekommen hat" Die Be- 
merkung „in letzter Zeit" ist ohne Belang, da Jodflecke jahrelang 
im Aii^c sichtbar bleiben, Iiäufig sogar zeitlebens. In welcher Rich- 
tung sind obige Feststellungen gemacht worden? Hat man etwa nur 
den Kranken gefragt: „Haben Sie Jod gebraucht?" Der Patient 
liat nämlich keine Ahnung davon, was Jod ist und wozu es benutzt 
wird. Also, Herr Professor, wie hat man gelorscht? Felke diagnosti- 
zierte weiter: „Beinzeichen von unten herauf bis zum Knie. Unter- 
schenkel besonders sichtbar." Ich nahm wieder die Lampe und fand 
das Zeichen sofort. Franz bemerkte: „Der Pastor hat recht! Das 
Bein ist von Geburt her schwach gewesen! Sehen Sic nur her!" Da- 
mit gab er uns Gelegenheit, beide Beine miteinander zu vergleichen: 
Das rechte Bein war seiner ganzen l-änge erheblich dünner, bis zu 
16 Zentimeter. Ausgedehnte und anstrengende Touren kann Franz 
nicht machen. „Vom Militär bin ich deshalb gleich im erbten Zug 
freigekommen. Sehr scliwach ist das Fußgelenk.'* Mit dieser Tat- 
sache vergleiche man das Outachten des Oberarztes Dr. Erasmus: 
„An den Beinen hat der Kranke nichts." „Der Herr Pastor hat mir 
noch etwas Richtiges gesagt," bemerkte Franz. „Sehen Sie, hier 
am Hinterkopf fühlen Sie eine dicke Narbe; die rührt von einem 
heftigen Schlage her! Der Pastor durfte uns ja bloß in die Augen 
sehen, und da sagte er: Schlag auf den Hinterkopf! Darüber war ich 
sehr verwundert, denn das ist ja schon lange her. Ich durfte ja aber 
kein Wort sagen. Das war uns feste eingeschärft. Kaum aber war 
ich aus dem Saal heraus, da kam der Assistenzarzt N. hinter mir her, 
der auch dabei gewesen war als der Pastor das sagte, und fragte 
mkh, wie das mit dem Bein und mit dem Kopf wäre. Ich zeigte ihm 
dann das magere Bein tmd die Narbe." Idi konstatiere, daß man 
abends an Gerichtsstelle von diesen beiden wunderbaren Diagnosen 
des Pastors auch nicht einen Laut erwähnt hat! Es muß die Frage 
von größter Tragweite beantwortet werden: „Hat der Assistenzarzt 
seinem Chef oder Prof. Qarre Mitteilung vnn dioser frappanten 
Feststellung gemacht?" Die weitere Beobachtung I i Ikes, ,,ani linken 
Auge frühere Influenza", ist ebenfalls zutreffend, denn Franz hat 
nicht einmal, sondern häufiger an Fieber, Schnupfen, Kopfschmerzen, 
Mattigkeit und Husten gelitten. Daher im Auge das Felkesche 
Wischzeichen. Das Nierenfeld beider Augen war gezeichnet, offenbar 
eine Folge des Alkohols. „Und da sitzt ja auch das prächtige Rippen- 
zekhen," sagte ich. Es ist so deutlich, daß eine blinde Frau es mit 



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dein Krückstock fühlen kann. Das Iriszeiclien ist fast kreisrund, hat 
etwa einen Millimeter im Durchmesser und liegt an der gedachten 
Wagerechten, die man sich von der Mitte der Pupille zum Außenrand 
der Iris des linlcen Auges gezogen denkt JVtan sieht derartige 
Zeichen besonders häufig bei Quetschungen, und nur ein sehr scharfes 
Zusehen unter guter Belichtung läßt den gleichzeitigen Knochenbruch 
erkennen. Auch mir war das wegfen des unziircichenck-ri Lichtes 
kaum möglicli; aber schlieBHch ^jelang es. Wie das Zeichen irestaltet 
war, als der Pastor untersuchte, ist schwer /u sagen. Die Rippenbriichc 
selbst hat er nicht erkannt; aber er hat den Sitz des Übels mit den 
Worten: „Unteres Lungcnfeld linlcs" sofort sehr genau fixiert Die 
Krankenfaausärzte haben vier Wodien nötig gehabt, um die kranke 
Stelle zu finden n Bis dahin suchten sie dieselbe, wie Franz' ver- 
sicherte, immer in der Rückengegend.** 

Hierdurch sah sich Dr. Erasmus zu folgender Erwiderui^ 
veranlaßt 1): 

Wir Ärzte im Krefelder städtisclien Krankenhause sind 
durch den urspriin,e:lich von der VerteidiLi:unL? gestellten und nach- 
trägUch vom Gerichte aufgenommenen Antrag ohne unser Zutun 
mit dem Felkeprozeß in Berührung geraten und bekommen jetzt 
die vor der Übernahme unserer zwar ehrenvollen aber schwierigen 
Aufgabe wiederholt geäußerte Vermutung bestätigt, daß uns die Sache 
noch mancherlei Gehässigkeiten zuziehen könne. Trotz dieser Aus- 
sichten hielten wir es für unsere Pflicht, die Aufgabe nicht abzulehnen 
und mit Wahrung möglichster Unparteilichkeit zu erledigen. Der 
gestern zitierte Artikel des Felkeschriftstellers Müller zeigt, welche 
„haarsträubende Dinge" uns nachgesagt werden. Was wird nun 
alles aus dem Falle Nr. 5 gemacht? 

Nr. 5, ein Mensch von 28 Jahren, wurde kurze Zeit vor Beginn 
der Untersuchungen ausgewählt weil er wegen der sehr ausgesprodie- 
nen Folgen seiner verhältnismäßig frischen, schweren Verletzungen 
Felke volle Gelegenheit bieten konnte, seine augendiagnostischen 
Fähigkeiten zu zeigen. Felke will nämlich bei schlecht geheilten, 
noch empfindlichen Knochenbrüchen in der Iris gebrochene oder 
L'^ekrcuztc Stäbchcnlinien sehen und daraus eine unfehlbare Diagnose 
stellen. Der Patient war am 9. September 1909 zwischen zwei 
Karren geraten und hatte eine schwere Verletzung des Brustkorbes 
erlitten. Er hatte eine Anzahl von Rippen gebrochen, bei unverletzt 
gebliebenen Lungen hatte er im rechten und linken Rippenfelhaume 
große freie Bluteigusse — in elendestem, durch Trunkenheit ver- 
schlimmertem Zustande fand er bald nach der Verletzung Auf- 



1) Krefelder Zeitung. 27. Nov. 1909. Nr. 80O. 



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nähme im Krankenhause. Unter iangsamem Nachlassen der Druck- 
erbciicinungcn erliolte er sich alhnähUch und konnte seit dem 3. Okto- 
ber zeitweise das Bett verlassen. Es blieb noch eine sehr schmerzr 
hafte Kiirzatmigkdt zurück, die Stellen der deutlich nachweisbaren 
l^lipetibruche blieben sehr empfindlich. An der linken Seite des 
Brustbeins ließen sich vier vortretende Bruchstücke deutlich er- 
kennen. Weitere schmerzhafte Rippenbrüche waren an den zweiten 
Rippen rechts und links nachzuweisen. In diesem Zustande, noch 
mit sehr empfindlichen Atembewegungen, wurde er am 2. November 
Pastor Felke v «rpestellt. Unter den vielen Aufzeichriunyen bezüglich 
dieses hallcs beiludet sicli der Vermerk: „linkcb Auge unteres Lungen- 
feld. Influenza.*' Damit soll wohl nach der Meinung Müllers 
die Diagnose der beschriebenen schweren Verletzung des Brustkorbes 
erledigt worden sein; von der Exkrankung beider Rippenfelh-äume, 
von den schweren Rippenbrüchen keine Spur! Und doch existiert 
in dem Felkeschen Irisschema ein eigenes Feld für das Rippen-Lungen- 
fell und ein eigenes Feld für den Brustkorb! Dagegen „ahnt" der 
Untersucher bei seinen mannigfalti^-cn andern Zeichen ganz andere 
nebensächliche Dinge, von denen t das „Beinzeiclien von unten 

herauf bis zum Knie" von Herrn Müiier jetzt in den Vordergrunjd 
geschoben wird. Wir im Krankenhause haben von einem Beinleiden 
des Mannes nichts erfahren, weder Herr Qeheimrat Oarr^ noch kh, 
noch der Assistenzarzt der Abteilung, Herr Dr. Neuy, dessen be- 
zügliche Erklärung mir und jedem mehr getten muß, als die nach- 
trägliche Äußerung des in jeder Hinsicht nicht einwandfreien Mannes 
Nr. 5. Herr Dr. Neuy erfährt ebenso wie icli die Sache erst jetzt aus der 
Zeitung. Auch dem Wartepyersonal ist davon nichts bekannt gewesen. 
Ich selbst habe den Matm wiederholt gefragt, ob er früher bereits 
krank gewesen sei und jedesmal hat er mir dies aufs entschiedensie 
verneint Neben seinen Äußerungen hat auch sein körperliches 
Verhalten durdi nichts an pia Beinleiden erinnert Auch alle an- 
deren Befragten im Krankenhause geben an, daß sie den etwas nach- 
lässigen Gang des Kranken mit seiner gezwungenen Haltung auf die 
von ihm immer geklagten Brustschmerzen bnogen haben. Er selbst 
hat wohl deshalb nicht von seinem Beine gesprochen, weil er es wie 
ein gesundes Glied gebrauchte und dadurch nicht behcllii^t war. 
Erst nach seiner Entlassuni^ aus dem Krankenhaiise (16. November) 
scheint ihm der Ciedaiikc gekommen /u sein, aus der Sache Kapital 
zu schlagen, was bei seinem sehr bewegten Vorleben erklärlich ist. 

Von dem bhmen Bein, „das von Oeburt her schwach gewesen 
ist", habe ich also erst aus dem Müilersdien Artikel erfahren und 
mich heute, 76, November, uberzeugt, daß der Mann zwar ein 
muskulär geschwächtes Bein von normaler Länge hat, dessen Ober- 

Seliinann, Auf^iutlagBow. 9 



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Schenkel besonders stark abgemagert ist, daß er aber dieses Bein 
wie ein gesundes benutzt und in seiner Arbeitsleistung dadurch 
kaum behindert sein dürfte. 

Nach diesem ist es erklärlich, daß ich mich zu der Bemerkung 
berechtigt hielt, da6 der Kranke an den Beinen nichts habe, weil ich 
nur die Verletzung im Auge hatte. 

Felke diagnostizierte weiter: „Rechts Schlag oder Stoß Hinter- 
kopf.*' Nr. 5 hatte im Gesichte z. B. am linken Mundwinkel nnd 
auf dem behaarten Kopfe eine Unmenge in die Augen lallender 
kleiner Hautnarben, die den Eindruck emes „reichbewegten Lebens" 
auch bei jedem maditcn, der nicht in die Iris zu sehen gewöhnt ist. 
Die angebliche „dicke Narbe'' auf dem Hinterkopf ist, wie ich auch 
heute feststellte, ein sehr ausgesprochener, fibrigens ncNrmaler Hinter- 
hauptshöcker, wie ihn viele AAenschen haben. Das hat mit einer 
Verletzung, von der mir auch nicht das geringste mitgeteilt 
ist, an dieser Stelle nichts zu tun. Nr. 5 hat so viele ausgeheilte Ver- 
letzungen, auch z. B. an der rechten Schulter, gehabt, von denen er 
nachträglich gesprochen hat, daß sie tatsächlich nicht mehr in Be- 
tracht zu ziehen waren. 

Was endlich die vor einem Jahre eriiUene Unterleibsverletzung 
anbetrifft so hat Nr. 5 nach der Gerichtsverhandlung davon 
beiläufig Herrn Dr. Neuy gesprochen, aber zugleich gesagt, daß die 
Wunde damals glatt geheilt sei und ihm Beschwerden nicht hinter* 
lassen habe. Deshalb hielt der genannte Arzt es nicht für nötig, von 
dieser unwesentlichen Sache uns Mitteilung zu machen. Die Haupt- 
sache an diesem Falle ist, daß Nr. 5 wegen dieser Verletzung nicht 
im städtischen Krankenhause, sondern in der Handwerkerkranken- 
anstalt behandelt wurden ist. Er kam auch dort laut Mitteilung des 
behandelnden Arztes vollständig betrunken an und wurde bei 
ihm, wie auch der genannte Arzt heute schriftlich berichtet, Jodoform 
bestimmt nicht angewandt 

Die Angabe des p. Müller über Jodzeichen ist also ebensosehr 
aus der Luft gegriffen und unwahr, wie die von Felke gefundenen 
Arznelzeidien der Fälle 6, 12 und 16 in seiner Tabelle. 

Herr Müller ist nicht sehr glücklich in der Wahl seines 
Zeugen. Nr, 5, dessen Name ja nicht genannt wird, ist ein Trun- 
kenbold schlimmster Art und hat deshalb schon auf der Polizei- 
wache Aufnahme gefunden. Er ist fiinf- oder sechsmal wegen groben 
Unfugs und einmal wegen Diebstahls mit Gefängnis vorbestraft 
und zurzeit wieder wegen eines bereits eingestandenen Diebstahls in 
Voruntersuchung; ich halte diese Feststellung wegen seiner Glaub- 
würdigkeit für notwendig. 

In der FeUcesache bin auch ich bestrebt gewesen, die objektive 



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Wahrheit an den Tag 7U bringen und wenn ich mich bei dem Fall 
Nr. 5 bezüglich eines sehr unwesentliciien Nebenumstandes nicht 
ganz genau ausgedrückt habe, so ist dies aus dem Gesagten er- 
kliriich. 

Mir scheint in diesem Falle das wichtigste zu sein, daß bezüg- 
lich der schweren im Vordergrund stehenden Rippenverletzungen 
und nicht weniger hinsichtlich der Anwendung des Jod die Augen- 
diagnose Felke g-änzlich Im Stich gelassen hat. 

Weitere Bemerkungen [jiniibe ich mir ersparen zu können." 

Auch wir sehen diese Angelegenheit hiermit für erledigt an 
und stellen fest, daß trotz der diametral gegenüberstehenden An- 
sichten der Arzte und der Kurpfuscher in bezug auf die Augendiagnose 
in einem einzigen Punkte völlige Obereinstimmung besteht: in den 
Resultaten der Diagnose. Hier ist bei beiden Parteien ein absolutes 
Fiasko zu konstatieren. 

Wir können uns aber trotzdem nicht versagen, unser Befremden 
über die gm/e Experimentalvorstellung im Krefelder Krankenhause 
auszudrücken. Wozu eigentlich die ganze Komödie? 

Obgleich die in Frage stehende Angelegenheit einwandsfrei ent- 
schieden wurde, und sowohl die völlige Unhahbarkeit der Augen- 
diagnose wie die absolute Unfähigkeit des Augendiagnostikers in 
angenfalügster Weise fes^estellt worden war, nahm das Gericht in 
seiner schtieBlkhen Urteilsfällung nicht die geringste Rückskht auf 
dieses Ergebnis, sondern eridarte, es handele sich nicht um die Ent- 
scheidung von wissenschaftlichen Fragen, und sprach den Angdclagten 
frei. Wozu wurden denn 30 Ärzte aus ihrer Praxis herausgerissen, 
zu weiten Reisen gezwungen und zu langen, wissenschaftlichen Gut- 
achten veranlaßt, wenn schließlich auf alles das nicht die geringste 
Rucksicht genommen und kurz und bündig erklärt wird, es handle 
sich gar nicht um die Entscheidung wissenschaftlicher Fragen, son- 
dern fflir darmn, ob der Angeklagte im guten Glauben gebandelt 
habe .oder nicht Weldie ungeheure Gefahr schlieBt ein solches 
Urteil in sich ein! Wie können fernerhin Kurpfuscher jeder Art 
straflos ihr schandbares Gewerbe weiter betreiben, wenn es sich 
als Gerichtspraxis herausstellen sollte, daß jeoer freigesprochen wird, 
dem oder dessen Verteidiger es gelingt, die Sache so hinzustellen, 
als habe er im guten Glauben gehandelt. Ein solches Urteil ist ja 
direkt eine Prämie für die Dummheit. Je weniger jemand weiß, um 
so größer ist seine Berechtigung, sich auf seinen guten Glauben 
zu berufen. Möchte man unter solchen Umständen skli niöht ver- 
sudit fühlen, allen gegenwäriigen und zukünftigen Studenten der 
Medizin den Rat zu geben, möglichst wenig zu lernen, auf das 
Examen zu verztchten, und sich ohne Sach- und Fachkenntnis der 

9* 



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leidenden Menschheit zu widmen? Stehen sie sich auf diese Weise 
nicht viel besser als die amtlich beglaubigten Ärzte, die fortwährend 
der Gefahr ausgesetzt sind, wegen eines „Kunstfehlers** vor Gericht 
zitiert und verurteilt zu werden, weil sie sidi nicht auf ihre Dumm« 
hett berufen können? Nur der Kurpfuscher hat das anerkannte 
Privilegium seiner Dummheit und Unwissenheit, und daraufhin kann 
ihm kein Gericfit etwas anhaben: „er handelt im guten Glauben," 

Und wie viel beneidenswerter ist überhaupt der Beruf des Kur- 
pfuschers als der des praktischen Arztes! Die pekuniäre Lage des 
approbierten Mediziners ist im allgemeinen, dank einer sogenannten 
„sozialen" Gesetzgebung, eine sehr schlechte, während man von 
den Kurpfuschern eher das Gegenteil behaupten kann. (Daher auch 
die traurige Erscheinung, daB immer mehr approbierte Arzte sidi der 
„Naturheilkunde'' widmen.) Der praktische Arzt wird so häufig 
um seinen unter Mühen und Sorgen und selbst unter Lebensgefahr 
sauer verdienten Lohn geprellt, der Kurpfuscher weiß sich immer 
schadlos 7.u halten. Hat der Arzt sich einmal geirrt, so heißt es: 
„Er versteht nichts"; irrt sich der Kurpfuscher, so heißt es: „Jeder 
Mensch kann sich einmal irren." Der Arzt hat eine Unmenge Pflich- 
ten gegen den Staat, die Oesellschaft, den eigenen Stand; der Kur- 
pfuscher braucht nur für sich selbst zu sorgen. Der Arzt darf nidit 
das geringste tun, um sein Wissen und Können bekanntzumadien 
(sogar populäre Vorträge, Bücher, Aufsätze gelten nicht fQr „standes- 
gemäß'' und laden das Odium der selbstsüchtigen Reklame auf den 
Ver\i'egenen) ; der Kurpfuscher darf uneingeschränkt die gewissen- 
loseste Reklame ausüben. 

Bei Knrpfuscherprozessen, wo natürlich die Ansichten der Arzfe 
und die der Kurpfuscher aufeinander losplatzen, steht das Publikum, 
die große Menge, größtenteils auf sciten des armen, unterdrückten 
Kurpfuschers, den man nicht aufkommen lassen will, „Wie viele 
große Entdedcungen sind anfangs verkannt und verspottet worden, 
um später ihren Ruhmeszug durdi die Welt anzutreten!" heifit es 
dann. Mit großer Gelehrsamkeit werden alle möglichen historischen 
Belege angeführt, um zu beweisen, wie die Wissenschaft geirrt 
und die „Ketzer" verlacht hat. Die Augendiagnostiker seien auch 
solche verkannte ,, Ketzer". Aber man vergißt bei diesen Tiraden, 
daf? es sich hier gar nicht um die Erfindunsf oder Entdeckung eines 
besonders genialen Menschen handelt, sondern um die von der 
Wissenschaft laag.st abgetanen, durch nichts bewiesenen und unhalt- 
baren Behauptungen mittelalterlicher Schäfer und Scharlatane, die 
immer wieder von neuem ausgekramt werden, um mit mancherlei 
modernem Zierwerk versehen der gläubigen und staunenden 
Menschheit als Resultate eines genialen Menschenverstandes auf- 



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getischt 7\\ werden. So weit ist die Wissenschaft denn heute, Gott 
sei Dank, doch schon, daß sie eine rein schwindelhafte Behauptung 
als solclie charakterisieren kann, trotz allen Qezeters und Wutgeheuls 
ihrer Yerbissenen Gegner. Wer heutzutage beispielsweise behaupten 
wollte, er habe den Stein der Weisen erfunden, oder das Perpetuum 
mobile, oder er könne mit unbewaffnetem Auge auf dem Monde 
JVlenschen spazieren gehen sehen, dem wird man mit Leichtigkeit 
nachweisen können, daß er kein bahnbrechender Erfinder, sondern 
ein ganz gewöhnlicher Schwindler *^ei Und so ist es auch bei der 
Augendiagnose, wie wir hinlänglich genug; bewiesen zu haben glauben. 

Aber trotz aller wissenschaftlichen Beweise gibt es immer noch 
wieder Menschen, die da glauben, es müsse doch etwas Wahres an 
der Sadie sein, denn der angebliche Kurpfu»:her hat doch so viele 
Erfolge aufzuweisen. Außerdem treten eine Menge Zeugen auf, 
Laien und Arzte, sogar solche mit Namen und Titeln, um zugunsten 
der Augendiagnose auszusagen. 

Hierauf ist zu erwidern: OewiB, jeder Atigendiagnostiker hat 
wie jeder andere Kurpfuscher auch seine Erfolf^c. Der eine schreibt 
sie seiner vortrefflichen Diagnose zu, der andere, der j[rar nichts auf 
Diagnose gibt, setzt sie auf Konto seiner unfehlbaren Behandlung. 
Und dies ist absolut nicht wunderbar, denn der homo sapiens — sit 
venia verbo — besitzt eine ungeheure Widerstandskraft und kann 
selbst von einer schweren Krankheit, trotz der unglaublichsten Be> 
h'andlung, genesen. In den meistoi Fällen handelt es sidi aber 
gar nicht um sokhe schweren Erkrankungen, sondern nur um 
Leiden leichter Art, die ohne weiteres von selbst ausheilen. Was 
die „Natiir'^ zuwege bringt, das schreiben die Kurpfuscher, die 
sich ja mit Vorliebe „Naturheilkundige" nennen, ihrer Wunder- 
kunst zu. 

Eine Behauptung kann noch so absurd sein, es findet sich uunier. 
eine Anzahl von Leuten, die wirklich vom besten Glauben beseelt, 
bereit sind, vor Gericht als Entlastungszeugen far den angeklagten 
Kurpfuscher einzutreten. Es handelt sich in solchen Fällen immer 
um Laien, die von dem Angeklagten behandelt und gesund geworden 
sind. Daraus ziehen sie ohne weiteres den Schluß, daß die Dia- 
gnose des Augenkünstlers richtig und daß die eingeschlagene Thera- 
pie erfolgreich gewesen sei. Daß dieses beides Trugschlüsse und 
daß infolgedessen alle derartigen Aussagen wertlos sind, dürfte 
wohl jedem denkenden Menschen ohne weiteres einleuchten. Im 
Felkeprozeß befand sich unter den Zeugen dieser Kategorie sogar 
dn Oymnasialprofessor. Zu seiner Entschuldigung sei gesagt, da6 
er in seiner Jugend an Oesiditstauschungen gelitten hat und daß 
er sich während der Vernehmung als ein an Gedächtnisschwäche 



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leidender, hochgradig suggestibler Neurastheniker erwies. Er mußte 
sich denn atidi von einem sachverständigen Arzte sagen lassen, 
daß eine angeblich von Felice geheilte oder gebesserte Vericallning 
der Schiäfenarterte noch auf drei Schritte Entfernung zu diagnosti- 

zieren sei. Glücklicherweise war dieser Herr der einzige Vertreter 
des höheren Lehrfaches, der auf Seite der Kiupfiischerei stand. 
Dagegen konnte man die traurige Beobachtung machen, wie durch- 
seucht die Vertreter des niedrigen Lehrfaches, die Volksschullehrer, 
vbn der Pest des Kurpfuschertums sind. Ist dieses auch eine 
schun iunlanglich bekannte Erfahrungstatsache, so hat sich dieselbe 
doch noch niemals in so krasser Weise gezeigt, wie bei diesem 
Prozesse. Oer Lehrer J^ailer und der Lehrer Thiel, deren Bücher 
über die Augendiagnose wir schon erwähnt haben (das Thielscfae 
Buch ist eine Nummer der „Volks-Erziehungsschriften'^ Le* 
l)ensheim. Ehrenpräsident dieses Erziehungsvereines ist Reichsgraf 
von Pestalozza-Tagmersheim, Nürnberg; und Präsident ist Leopold 
Baron von Fischer, Bern), sind nicht die einzigen, die dieses Gift 
aufgesaugt haben, und die es wohl nicht unterlassen werden, es 
den ihnen anvertrauten Zöglingen wieder tropfenweise einzuflößen. 
Eine ganze Anzahl von anderen Lehrern bekannten sich noch zur 
Anhängerschaft der Augendiagnose. Das ist im höchsten Orade 
zu bedauern. In die Hand des Lehrers ist es gelegt, frühzeitig den 
finstem Aberglauben aus den weichen Kinderherzen herauszureißen 
und sie mit dem Oeist des Verstandes und der Aufklärung zu er- 
füllen. Wer dieses versäumt, oder wer gar sich des Gegenteils 
davon '^chnldifj macht, der begeht ein Verbrechen an seinen Zn^- 
lingcn, der eignet sich nicht zum Lehrer; und die vorgesetzten 
Behörden sollten die einzig richtio^en Konsequenzen daraus ziehen, 
wenn sie sich nicht zu Mitschuldigen raachen wollen. 

Weit schlimmer ist es allerdings noch, wenn sich approbierte 
Arzte dazu hergeben, die Augendiagnostiker zu verteidigen. Aber 
freilich, die ganze Ai^gendiagnose stammt ja von einem Arzte, dem 
ungarischen Dr. Peczely, behaupten die Kurpfuscher triumphierend. 
Daß dieses nicht wahr ist, sondern daß diese Kunst viel, viel älter 
ist, haben wir schon im ersten Knpitcl dieses Buches nachgewiesen. 
Wir müssen uns nun noch leider init der Person dieses angeblichen 
Vaters der Augendiagnose etwas beschäftigen. Sein Leben und 
Treiben gibt uns den Schlüssel zu der im ersten Augenblick doch 
inmierhin befremdenden Tatsache, dafi wirklich ein Arzt sich als 
Entdecker oder Erfinder einer Schwindelkunst ausgegeben hat 
Ptoely war ursprünglich Techniker, trieb dann eine ausgedehnte 
Praxis als Wunderdoktor und kam als solcher mit den Bdldfden 
und Ärzten vielfach in Konflikt. Da ihm dies anfing, lästig zu werden 



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und er hoffte, unter der Verkleidung eines Ai/tcs iing^estraffer weiter 
schwindeln zu Jcönnen, studierte er im Alter von 36 Jahren vier 
ganze Semester lang Medizin, verschaffte sich sogar in Wien den 
Doktortitel und wirkte nuo als Homöopatb und Augendiagnostiker 
weiter. Da kam ein drohendes Reskript vom Ministerium, um der 
„Betrügerei" mit der Augendiagnose ein Ende zu machen. Als 
auch dieses nicht half, fingen die Zeitungen an, ihn zu verfolgen — 
und damit war sein Glück gemacht Der arme, unschuldige Märtyrer 
wurde schnell populär. 

Das war der Erfinder der Augendiagnose. Nicht weil er Arzt 
war (nebenbei gesagt: wenn jemand den Doktortitcl hat, ist er noch 
lange nicht Arzt), erfand er die Augendiagnose, sondern weil er 
Allgendiagnostiker war, verschaffte er sich den Doktorhut Auch 
heutzutage soll noch etwas Derartiges vorkommen. Wenigstens 
spricht man in Krefekl sehr ungeniert von einem sehr nahen Ver- 
wandten Felkes, der beabsichtigt, sogar sein Staatsexamen zu machen, 
um so ungestörter augendiagnostizieren zu können. Die Kurpfuscherei 
muß also doch ihren Mann noch sehr gut nähren können. 

Eine höchst charakteristische Tatsache ist es, daß sämtliche 
Mediziner, die sich als Verteidiger der Augendiagnose vorstellen, 
Homöüpaüieu und Vertreter der sog. arzneilosen Heilweise, der 
Naturheihnethode oder der physikalisch-diätetischen Therapie sind. 
Das wüft ein sehr grelles Licht sowohl auf die Augendiagnose selbst, 
als auch, da diese jetzt genügend charakterisiert is^ auf die Vertreter 
dieser allein selig machenden Heilmethoden. Zwei von diesen Herren 
haben wir schon durch ihre Bücher kennen gelernt: Herrn Schlegel 
aus Tübingen und Herrn Eh-. Präger. Es liegt mir weit fern, eine 
EhrenrettunfT dieser Herren zu versuchen, aber wie wenig sie selbst 
an den Blödsinn ihres Herrn und Meisters glauben, das leuchtet 
zwischen ihren Zeilen fortwährend hervor. Schlegel kommt schließ- 
lich zu der Erkenntnis: „Lassen wir Peczelys therapeutische Wege, 
seine ätiologischen Hypothesen, ja sogar die topographische Deu- 
tung der Irisveränderungen ganz dahingestellt sein, so wird ifodi 
immer ein für die biologische und anthropologische Forschung sehr 
interessantes, neu erschlossenes Gebiet übrigbleiben: die erstmals 
systematisch vorgenommene Beobachtung und Beschreibung der Fär- 
bung und Faserung^ der menschlichen Iris.'* Das ist mit andererv 
Worten nur eine ,\ufforderung an die .Augendiagnostiker : ,, Begrabt 
den Peczelvivcheii Unsinn, und beschäftigt euch mit der Anatomie 
der Regenbogenhaut." Mögen sich die Herren diese Worte eines 
Ihrer Anhänger merken! Und Herr Prager? Derselbe ist sich noch 
nidit ganz einig, ob er sich auf selten der Wissenschaft oder auf 
selten der Kurpfusclier stellen soll. Deshalb verachtet er auf eigene 



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Ansichten, zitiert nur die Urteile und Ansicbten anderer Augen- 
diagnostiker und versieht allzu unwahrscheinliche Auslassungen dieser 
Herren mit einem hödist charakteristischen Fragezeichen. 

Auf die übrigen approbierten und nichtapprobierten Ärzte, die 
im Jahre 1909 nach Christi Geburt noch den Mut hatten, die Augen- 
diagnosc in Schutz zu nehmen, und die wohl fast vollzählig von den 
Verteidigern Felkes nach Kreteld beruten waren, wollen wir nicht 
näher eingehen. Es genügt anzuführen, daß sie pfrößtcniLils in 
ihrer Hilflosigkeit und Verlegenheit gegenüber den Vertretern der 
Sdhuhnedizin ein klägliches Schauspiel boten, daß sie an Stelle von 
Beweisen und unanfechtbarem Material nur vage, durch nichts be- 
wiesene Behauptungen aufstellten, daB sie kritiklos jeden Unsinn 
nachschwätzten und, daß sie sich auf der größten Unkenntnis jn 
anatomischen und pathologischen Dingen ertappen ließen. Was 
aber für alle diese sonderbaren Vertreter der Wissenschaft wieder 
sehr charakteristisch ist: keiner wagte es, für die Augendia;; n ose voll 
und ganz einzutreten. Sie erklärten zwar, über die bei Felke selbst 
beobachteten Ergebnisse „einfach platt"^ oder „paff'' zu sein, aber 
auf die Augendiagnose allein wollten sie sich doch lieber nicht ver- 
lassen, das schien sogar ihnen zu riskant Der eine wußte zur 
B^jündung der Augendiagnose nichts weiter anzuführen, als die 
aUtagliche Erfahrung, daß die ursprünglich blauen Augen der Neu- 
geborenen mit der Zeit dunkler werden (cf. S. 65). Ein zweiter ent- 
schuldigte seine Unwissenheit (ihm waren sogar die Kontraktions- 
furchen der Iris unbekannt) mit der Begründung, er habe schon 
im Jahre ISSl sein Staatsexamen gemacht und seitdem nichts hinzu- 
gelernt. Ein dritter war besonders bescheiden: er erklärte, er müsse 
an die Augendiagnose glauben, wenn dieselbe auch nur in einem 
einzigen Falle einmal gestimmt hätte. Ein vierter steckte den Vor- 
wurf, er sei überhaupt nicht ernst zu nehmen, ganz gelassen eui. 
Er steht in einem solchen Ruf, daß andere Arzte es ablehnen, mit 
ihm zusammen zu arbeiten. Ein fünfter und sechster erwiesen sich 
im höchsten Grade als der Suggestion unterworfen. Wir wollen 
die Herren nicht alle einzeln unter die Lupe nehmen und ihre Blößen 
elektrisch beleuchten.^) Durch ihre Aussagen zugunsten der Augen- 

1) Interessenten seien verwiesen auf den 

„Gl sunciheitslehrcr" vom 1. April 1909. Jahrganj^ XII. Nr. 1. 
Herliiu r klinische Wochenschrift vom 22. Nov. 19Ü9. Jahrgang 46. Nr. 47. 
Münchener medizinische Wochenschrift vom 23. Nov. 1909. Jahrg. 56. 
Nr. 47. 

cf. auch die Broschfire von H. Qoergcns und einen Aufsatz im ^^rzt- 
lichen Vcrcinsblatt" vom 1 ). Dez. 1009. Nr. 740, ferner die Dezembemummer 
des Qesundheitslehrcr 1909. 



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— 187 — 



diagnose haben sie sich selbst gerichtet. Wir müssen nur auf einen 
dieser Herren noch etwas näher eingehen, weil er den Professor- 
titel hat, und deshalb der Verteidigung des Felke besonders geeignet 
erschien, als Aushängeschild lur das Kurptuschertum zu dienen. Die 
„Richtung' ' dieses Herrn Prof. Klein, der Arzt der österreichisch- 
ungarischen Botschaft in Berlin ist, war sdion durch seine Rolle 
als Rufer im Streit auf der diesjährigen Jahresversammlung der 
Naturheilkundigen in Hamburg gekennnichnet. Die medizinischen 
Zeitschriften teilen jetzt den Zeitgenossen, die sich allmählich über 
nichts mehr wundern, mit, daß Herr Klein in Deutschland ohne 
Prüfung die ärztliche Approbation erhalten hat, und daß er Professor 
geworden ist, weil er „den Bauch des Herrn Botschafters mit glück- 
licher Hand massiert hat." „Es wird sich hoffentlich" — sagt 
Dr. Voll mann in der Berliner klinischen Wochenschrift — „in 
den Ärztekammern und im Landtag Gelegenheit finden, die Zu- 
sammenhänge dieser fßr unser Professorenwesen überhaupt recht 
bezeichnenden Titefverleihung zu entschleiern und den Stellen, die 
es angeht; nahezulegen, daß die Titel und Würden der staatlich ge- 
pflegten Mcdi/'inwisscnschaft schließlich nicht dazu da sind, ihren 
schlimmsten Widersachern ein besonderes Relief zu geben." 

Wir sind jetzt genügend über die Herren orientiert, von denen 
die Zeitungen staunend berichten, sie seien Anhänger und Ver- 
teidiger der Augendiagnose und verwandter Gebiete. Ihren Trumpf 
hätten die Verteidiger des Lehmpastors am liebsten mit der Aus- 
sage des von ihnen geladenen Prof. Schwentnger, des Lehrers 
des oben genannten Herm, angespielt. Zu ihrem großen Leid- 
wesen war aber der frühere Leiharzt des Fürsten Bismarck wegen 
Krankheit verhindert, an der Verhandlung teilzunehmen. Es ist 
dies wirklich im höchsten Grade zu bedauern, denn bei dem ver- 
mutlichen Gutachten dieses von den Nntiirhcilkimdigen als einen der 
Ihrigen mit Stolz reklamierten medizinischen Professors hätten die 
maßgebenden und verantwortungsvollen Kreise wieder einmal sehen 
können, wekhe Konsequenzen die Verleihung des Prof^ssortitel» 
irgendeinem Mächtigen oder Einflußreichen zuliebe unter Umständen 
haben kann. Bis jetzt hat man in weiten Kreisen noch geglaubt, 
daß dieser Titel eine Auszeichnung für besondere wissenschaftliche 
Verdienste ist. Besagte Beispiele zpigen aber leider sehr deutlich, daß 
man auch ohne solche Verdienste zu Amt nnd Würden kommen kann. 
Ein solcher Profcssortitcl steht sehr niedrig im Kurs, und ist nicht 
mehr wert als die Prolessorwiirde, die der „Verband der Vertreter 
der Pastor Felke-Heilweise" ihrem geliebten Peczely verliehen hat.i) 



1) Stenographischer Bericht des Felke-Prozesses S. 9. 



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* 



Mit einer deiartig^en F*raxis wird das Vertrauen zu der Wissen- 
schaft untergraben, und die Kurpfuscherei von oben herab groß 
gezüchtet. Unsere Gesetzgebung hat gerade genug aut dem Kerb- 
holz. Namentlich, wenn sie sich „sozial" nennt, ist sie eine ver- 
kappte Bundesgenossin des Kuipfuschertums. Beweis dafür ist das 
Krankenversicheningsgesetz vom Jahre 1883. Wir sind natürlich 
weit davon entfernt, alle die Vorteile zu leugnen, die dieses Gesetz 
mit sich gebracht hat, aber das darf uns auch nicht verhindern, 
einmal die Nachteile desselben zu beleuchten. Wenn man ein Bei- 
spiel dafür angeben will, wie man aus anderer Leute Haut Riemen 
schneidet, so muß man in erster Linie dieses Gesetzes gedenken. 
Nur auf der grenzenlosen Ausnutzung und Ausbeutung eines ein- 
zigen Standes, des Aiztestandes, ist dieses „soziale" Oesetz hadert, 
für ein lächerlich geringes Honorar, das in vielen Fällen noch ge- 
ringer als die Dienstmanttstaxe Ist, wird der Krankenkassenarzt ge- 
zwungen, seine verantwortliche Tätigkeit auszuüben. Ist es da Wun- 
der, wenn diesem Lohne auch die Leistung entspricht? Die freie 
Praxis hat in Deutschland so ^uf wie rr^ny auf<)ehört. Eh-eizehn 
Millionen Men^^ichen stehen unter der Fuchtel dieses Gesetzes, und, 
was das Schlimmste ist, noch viel schlimnui als das kargliche 
Ärztehonorar, diese dreizehn Millionen dürfen niclit zu dem Arzte 
gehen, dem sie ihr größtes Vertrauen schenken, sondern ihnen 
wird der Arzt aufoktroyiert, den der jeweilige Kassenvocstand als 
den geeignetsten hält Daß bei derartiger Besetzung der Kassen- 
arztstellen weniger auf die Tüchtigkeit des Arztes, als auf gewisse 
freundsdiaftlkhe, verwandtschaftliche und sonstige Beziehungen Rück- 
sicht genommen virt!, ist ja eine sattsam bekannte Tatsache. Und 
die Folge dieser korrupten Zustände ist eine dauernde und immer 
mehr zunehmende Unxutriedenheit auf beiden Seiten, auf selten 
der Ärzte und auf seitcn der Kassenpatienten. Der Kassenarzt 
kann bei der durchaus ungenügenden Honorierung und bei der 
durch das Zwangsarztsystem sich ergebenden Oberfullung seines 
Wartezimmers niclit das geringste persönliche Interesse für die bei 
ihm HiKesucfaenden haben. Je schneller seine Patienten „abgefer- 
tigt" sind, um so lieber ist es ihm. Jede individuelle Behandlung 
hört bei einem derartij^ künstlich gezüchteten Großbetrieb natürlich 
auf. Der K:i=;?rnpatient, der schon von vornherein mit Mißtrauen 
zu „seinem" Kassendoktor, den er oft gar nicht einmal beim Namen 
kennt, geht, merkt diese Interesselosigkeit sofort, und trägt nun 
seinerseits wieder dazu bei, die Kluft zwischen Arzt und Patienten 
immer wieder großer werden zu lassen. Bei einem solchen un- 
erträglichen Zustand leidet der Patient natürlich am meisten, die 
Chancen seiner Heilung werden geringer, das Zutrauen zum Kassen- 



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— 139 — 



arzt und damit zur ärztlichen Wissenschaft überhaupt wird unter- 
graben, der Kranke sucht anderweitig Hilfe, und ^erät in die Hände 
der Naturfu ilkiin.fler und Kurpfuscher, die ihn mit Hebevollen Wor- 
ten und uttciicn Armen aulnehmen und ihr mögüchstes tun, um 
den etwa noch verbundenen Rest des Vertrauens zur medizinischen 
Wissenschaft gänzlich auszurotten. So ist es zu erklären, daß gerade 
in Deutschland, dem Lande, in dem die Wissenschaft in höchster 
Blüte steht, das Kurpfuschertum im höchsten Qrade gedeiht. Das 
Oesetz vom Jahre 1883 trägt die Mitschuld daran. Und wie leidit 
wäre diesem Mißstände ab/nhelfen' Die Abschaffung des Zwangs- 
arztsystems und die Cinführung der organisierten freien Arzhvahl, 
wie sie von den Ärztetagen immer wieder und wieder gefordert 
wird, im Verein mit einer menschenwürdigen Hi)norierung der Ärzte 
würde mit einem Scl^lage alle die erwähnten Mißstände beseitigen.^) 
Aber davon will eine hohe Reidtsregierungf — trotz der eklatan- 
testen Erfolge, die mit einem solchen System bereits in Württem- 
berg gemadit worden sind — nichts wissen. Das widerspricht 
ihrem Prinzip der allgemeinen Bureaukratisierung. Und daher wird 
wohl in absehbarer Zeit von dieser verantwortungsvollen Seite keine 
Abhilfe zu erwarten sein. Pessimisten behaupten sogar, die Sache 
wird noch schlimmer, denn die neue Reichsversicherungsordnung 
steht vor der Tür. Qui vivra, verra. 

Anstaii dieses Basihskenei weiter auszubrüten, und dadurch 
weitere 7—8 Millionen Menschen In die Hände einiger Zwangsärzte zu 
gdien, und so den Boden des Kuipfuschertums fernerhin zu dflngen, 
wäre es die allerhöctete Zeit, ein Oesetz zu erlassen, das es immöglich 
macht, daß Leute ohne die geringste Sach- und Fadikenntnis sich 
auf die leidende Menschheit losstürzen. In Deutschland gibt es 
seit 1869 keine unbefugte Ausübung der Heilkunde, kein Kurpfuscherei- 
verbot. Und deshalb war auch nur in Deutschland (allenfalls auch in 
England) der Ausgang des Felkeprozesses möglich. In Österreich, 
Frankreich, in den Vereinigten Staaten von Amerika und bei allen 
anderen Kultnmationenr wäre die Freisprechung des Lehmpastors 
unmöglich' gewesen, er hätte mindestens wegen unbefugter Aus- 
übung der Heilkunde, wegen Übertretung des Kurpfuschereiveibotes, 
bestraft werden müssen.*) Solange wir in Deutschland ein solches 



^) Der Einwand, die Kassen könnten die freie Arztwahl fmanziell nicht 

ertragen, ist durch die mehrjährigen Erfahrungen in Württemberfr, in seinen 
großen Städten wie in seinen «^n verschiedenen ländh'chen Bezirken, dank 
der von den Ärzten selbst ausgeübten Kontrolle der ärztlichen Tätigkeit gründ- 
lich widerlegt 

*) Dr. jur. H. Oraacks, im „Tag** vom 9. Nov. 1909. 



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— 140 — 



Verbot nicht haben, soIanf,'p wird die kurpfuscherisdie Hydra immer 
wieder von neuem ihr Haupt crlu Ikü, und so lang"e werden sich bei 
jedem Kurpfuscherciprcjzeß die Gesetzgeber mit 7u verantworten 
haben, die in kurzsichtiger Weise sich nicht dazu catsdüieüen können, 
dieses Scheusal mit Stampf und Stiel auszurotten. Bureaukratiscfae 
Maßnahmen, wie Registrierung der Kurpfusdier, bewiiicen nur das 
Gegenteil von dem, was sie beabsichtigen sollen. Der registrierte 
Kurpfuscher fühlt sich als amtlich beglaubigte Person und weiß diesen 
Glauben auch bei seinen Opfertieren hervorzurufen. Solche Mittel 
bekämpfen nicht die Kurpfuscherseuche, sondern sie unterhalten 
sie. Der ärztliche Stand hat eine der Ursachen des sich immer mehr 
verbreitenden Kurpfuschcrtums richtig^ diagnostiziert und die Heil- 
mittel dafür verordnet; Sache des Staates ist es, in seiner Apotheke die 
Rezepte richtig ausfertigen zu lassen. 



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äbnduldattses Stadium eifordeilldi war, dass aber auch nur ein 
Mnm denseiRien bewilligen konnte, der zugleich praktischer Aügen- 
aizt und vidsettlg gehildeler Oelehrler ist 

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»tf den Wer beigefügten. ausfflhirUchen Prospekt verwiesen. 




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1907. ElesuiitbroMb.lC.4— . OrigindlNna U. S^Ba 
INHALT: Einleitung — Die Grausamkeit in der PhltoSopMe — 
hl der Psychologie — in der Religion — in der Rechtspflege — in 
der Skiaverei — fai der Erziehung — im Verbrecken — im Kriege 
nmi Valksleben — to der Gegenwart — in der Literatur. s= 
Ein hochinteressantes Budu dessen Lektflre aber starke Nenren 

erfordert. 



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